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Kunstfest Weimar startet mit Eklat Kunstfest-Auftakt: Heftiger Eklat in Weimar Das Grußwort wird durch empörtes Rufen und Klatschen so gestört, dass Redner Hermann Schäfer abbrechen muss. Er hatte vor dem Eröffnungskonzert „Gedenken Buchenwald“ eine unglückliche Rede über Flucht und Vertreibung gehalten. Der Oberbürgermeister spricht von einer „Schande“. Weimar - Das Kunstfest Weimar hat am Freitag mit einem Eklat begonnen. Mit „Aufhören“-Rufen, Pfiffen und lautem Klatschen zwangen Zuhörer des Eröffnungskonzerts „Gedenken Buchenwald“ den stellvertretenden Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, Hermann Schäfer, zum Abbruch seines Grußwortes. Kunstfest-Intendantin Nike Wagner nannte es am Samstag „bedauerlich und unverständlich“, dass der Ministerialdirektor nur über Flucht und Vertreibung der Deutschen gesprochen habe und nicht auf die Opfer des KZ Buchenwald eingegangen sei. Schäfer habe das Thema „auf grausame Weise verfehlt“. Schäfer selbst sagte, der Ablauf tue ihm Leid. Er sei aber um eine Rede zum Thema Erinnerungskultur gebeten worden. Man habe ihn wegen seiner Bonner Ausstellung zu Flucht und Vertreibung eingeladen und ihm gesagt, es gehe bei der Weimarer Veranstaltung nicht primär um Buchenwald. Im Programm sei seine Rede dann überhaupt nicht angekündigt gewesen. Er habe sie auf Bitten gekürzt, aber auch den Fall Grass angesprochen. Nur ein Viertel der Rede habe sich mit Flucht und Vertreibung befasst. Schäfer nannte es unglücklich, dass das Publikum über das Vorhaben der Veranstalter nicht informiert gewesen sei. Zu den scharfen Reaktionen von Zuhörern sagte Schäfer, er wolle das Publikum nicht beschimpfen. Die Leute seien wegen des Konzerts gekommen. Wagner betonte dagegen, vor Überlebenden von Buchenwald könne Schäfer nicht reden, „als wäre er bei einer Veranstaltung von Vertriebenverbänden“. Schon „der gesunde Menschenverstand“ hätte ihm sagen müssen, dass er bei einer Veranstaltung mit einem solchen Titel auch auf Buchenwald eingehen müsse. Das Publikum sei zwar „unartig“ gewesen, dennoch habe sie Verständnis für die heftige Reaktion. Entsetzt zeigte sich auch der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Volkhardt Knigge. Die „Thüringische Landeszeitung“ zitierte ihn mit dem Satz: „Das war keine Buchenwald-Gedächtnisrede.“ Der Intendant des Deutschen Nationaltheaters Weimar, Stephan Märki, sagte der Zeitung: „So etwas darf nicht passieren.“ Weimars neuer Oberbürgermeister Stephan Wolf (SPD) sprach von einer „Schande“.
Kunstfest Weimar startet mit Eklat Weimar (dpa) - Das renommierte Kunstfest Weimar hat am Freitag mit einem politischen Eklat begonnen. Mit «Aufhören»-Rufen, Pfiffen und lautem Klatschen zwangen Zuhörer des Eröffnungskonzerts «Gedenken Buchenwald» den stellvertretenden Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, Hermann Schäfer, zum Abbruch seines Grußwortes. Kunstfest-Intendantin Nike Wagner nannte es am Samstag «bedauerlich und unverständlich», dass der Ministerialdirektor nur über Flucht und Vertreibung der Deutschen gesprochen habe und nicht auf die Opfer des KZ Buchenwald eingegangen sei. Schäfer habe das Thema «auf grausame Weise verfehlt». Der Leiter der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, Volkhardt Knigge, sieht die Erinnerungspolitik beschädigt. Der Abteilungsdirektor beim Kulturstaatsminister selbst sagte der dpa, der Ablauf tue ihm Leid. Er sei aber um eine Rede zum Thema Erinnerungskultur gebeten worden. Man habe ihn wegen seiner Bonner Ausstellung zu Flucht und Vertreibung eingeladen und ihm gesagt, es gehe bei der Weimarer Veranstaltung nicht primär um Buchenwald. Im Programm sei seine Rede dann überhaupt nicht angekündigt gewesen. Er habe sie auf Bitten gekürzt, aber auch den Fall Grass angesprochen. Nur ein Viertel der Rede habe sich mit Flucht und Vertreibung befasst. Schäfer nannte es unglücklich, dass das Publikum über das Vorhaben der Veranstalter nicht informiert gewesen sei. Zu den scharfen Reaktionen von Zuhörern sagte Schäfer, er wolle das Publikum nicht beschimpfen. Die Leute seien wegen des Konzerts gekommen. Wagner betonte dagegen, vor Überlebenden von Buchenwald könne Schäfer nicht reden, «als wäre er bei einer Veranstaltung von Vertriebenverbänden». Schon «der gesunde Menschenverstand» hätte ihm sagen müssen, dass er bei einer Veranstaltung mit einem solchen Titel auch auf Buchenwald eingehen müsse. Das Publikum sei zwar «unartig» gewesen, dennoch habe sie Verständnis für die heftige Reaktion. Gedenkstätten-Leiter Knigge zeigte sich entsetzt. Mit der Rede sei die bislang gut ausbalancierte Erinnerungspolitik der Gedenkstätte bei Weimar beschädigt worden, sagte er dem Sender MDR 1 Radio Thüringen. Er frage sich, ob die Rede im Zusammenhang mit einer neuen Geschichtspolitik stehe. In letzter Zeit hätten er und einige Kollegen «irritierende Erfahrungen» in der deutschen Geschichtspolitik gemacht. Knigge lobte das Weimarer Publikum, das sich auf höfliche Weise gegen die Zumutung gewehr habe. Der Intendant des Deutschen Nationaltheaters Weimar, Stephan Märki, sagte der «Thüringischen Landeszeitung»: «Ich bin sprachlos. Das Konzert war großartig - aber so etwas darf nicht passieren.» Weimars neuer Oberbürgermeister Stephan Wolf (SPD) sprach von einer «Schande». Am Sonntag entschuldigte sich Wolf offiziell «bei allen, die diesen unglaublichen Eklat miterleben mussten». Der Vertreter der Bundesregierung habe das «Gedächtnis Buchenwald» mit einer Veranstaltung des Vertriebenenverbandes verwechselt. «Aus dem ehrenden Angedenken wurde auf diese Weise Missachtung der Opfer und Beleidigung der Überlebenden.» Für den Eklat sei nicht das Kunstfest verantwortlich, sagte Wolf, der auch Verwaltungsrats-Vorsitzender der Kunstfest GmbH ist.
Der rituelle
Kurzschluß Kein Wort aus der Rede, die der stellvertretende Kulturstaatssekretär Hermann Schäfer zur Eröffnung des Weimarer Kunstfestes gehalten hat, war falsch. Trotzdem war sie unangemessen, weil es Schäfer nicht gelang, rhetorisch eine Brücke zu schlagen vom Veranstaltungsmotto „Gedächtnis Buchenwald“ zu den Themen, die ihm am Herzen lagen: die einseitige Geschichtspolitik in Deutschland, die dubiose Unternehmungen wie die Wehrmachtsausstellungen gedeihen läßt; die im Schwarzbuch des Kommunismus aufgelisteten, viel zu wenig bekannten Schrecken; die Vertreibung der Deutschen, die nur als Fußnote vorkommt. Der Streit darüber, wer die Schuld am Eklat trägt, ob ein simples Mißverständnis vorlag oder ob Kunstfest-Intendantin Nike Wagner sich aus Furcht vor der eigenen Courage nachträglich von ihren Vorgaben distanziert hat, zielt freilich nur auf Nebensächlichkeiten. Die Kernfrage lautet doch, warum um alles in der Welt das Weimarer Kunstfest, das vor zwei Jahren aus der Taufe gehoben wurde und sich glänzend etabliert hat, rituell mit einem „Gedächtnis Buchenwald“ beginnen muß. Jedem Weimar-Besucher ist die räumliche Nähe zwischen den Stätten der deutschen Klassik und dem ehemaligen Konzentrationslager bewußt. Kultur schützt nicht vor Barbarei, diese bittere Erkenntnis gehört seit dem 20. Jahrhundert zum Grundwissen jedes geistigen Menschen und begründet seine Skepsis gegenüber der Welt. Seine Skepsis aber auch gegenüber den „Lehren“, die aus dieser Grundtatsache abgeleitet werden, denn sie können sich als Irrlehren herausstellen. Ohne die Gnade des temporären Vergessens ist ein Überleben nicht möglich. Man kann nicht das himmlische Schlußterzett des „Rosenkavaliers“ genießen und gleichzeitig den Gedanken daran zulassen, daß sein Libretto-Dichter Hugo von Hofmannsthal, hätte er länger gelebt, wohl im KZ verendet wäre. Es bedurfte übrigens nicht erst des Nationalsozialismus, um diese Aporie der Kultur zu konstatieren. Gottfried Benn malte in einem bekannten Rundfunkessay 1930 das soziale Elend in grellen Farben und knüpfte daran die rhetorische Frage: „Da sieht der Dichter zu?“, um sie im nächsten Satz zu beantworten: „Ja, da sieht der Dichter zu.“ Andernfalls würde er seine Berufung verfehlen und sich an ein „mutwilliges lärmendes Gezwerge“ (Friedrich Nietzsche) verlieren. Was kann denn, über die fortgesetzte Banalisierung einer schon zur Banalität gewordenen Erkenntnis hinaus, der rituelle Kurzschluß von „Weimar“ und „Buchenwald“ bewirken? Das sinnfreie Betroffenheitsgerede deutscher Politiker bei solchen Anlässen läßt Schäfers Erklärung, er sei nun mal kein Spezialist für Buchenwald, in seiner Demut sympathisch klingen. Gerade dieser Satz hat soviel Zorn hervorgerufen, weil er die korrekten Politik- und Kulturfunktionäre mit ihrer ritualisierten Blödigkeit und Angepaßtheit konfrontiert. Es ist ein groteskes Verhaltensmuster, das sich in ihrem Verhalten niederschlägt – eine freiheitlich-demokratische Variante des Untertanen Diederich Heßling, der stets, bevor er zu seiner Gusti ins Ehebett steigt, diese auffordert: Bevor wir nun zur Sache selbst kommen, wollen wir unseres Herrn und Kaisers gedenken! So sinnentleert das Ritual auch ist, so sicher erfüllt es seinen volkspädagogischen Zweck. Es dekretiert, daß der Bezug auf die deutsche Klassik, das Kronjuwel deutscher (und europäischer) Kultur überhaupt, ausschließlich „kritisch“, nur unter dem Vorbehalt einer permanenten Präsenz des nationalsozialistischen „Zivilisationsbruchs“ erlaubt ist. Dieses Dogma entzieht dem Kultur- und Geistesleben die unerläßliche Autonomie, in der, „um ein Schillersches Wort zu gebrauchen, die regellos schweifende Freiheit am Bande der Notwendigkeit (arbeitet). Diese Notwendigkeit aber ist transzendent, nicht empirisch, nicht materiell, nicht opportunistisch, nicht fortschrittlich“ (Gottfried Benn). Sie ist auch nicht antifaschistisch! Das Beharren auf den weltanschaulichen Zwangstribut führt nicht nur zur kollektiven Neurotisierung, sie spricht dem Land de facto auch sein geistig-kulturelles Lebensrecht ab. In Schäfers Rede hat sich das im kollektiv Halbbewußten schlummernde Unbehagen am Gedenk- und Kulturbetrieb Bahn gebrochen – direkt, unvermittelt, daher rhetorisch ungeschickt. An sie knüpften sich nun die Befürchtungen (oder Hoffnungen), daß die Geschichtspolitik vor einem Kurswechsel steht. Davon kann keine Rede sein. Nicht weil ihre faktischen Grundlagen unerschütterlich wären, sondern weil sie die Frucht eines seit Jahrzehnten wuchernden, institutionell tief gestaffelten Systems ist, das sich so leicht nicht besiegen und abschaffen läßt: des Systems der „Vergangenheitsbewältigung“. Bei ihm handelt es sich nicht nur um die Summe aus Fehlleistungen, Kompensationsstrategien, Opportunismus und Karrierismus – obwohl sie zu seinen internen Voraussetzungen gehören –, sondern um ein machtgestütztes politisches Programm. Hier wäre der Ansatzpunkt einer alternativen Historiographie, denn von der staatlich finanzierten ist diesbezüglich nichts zu erwarten. Der Kultur-, Universitäts- und Medienbetrieb nach 1945 müßte daraufhin untersucht werden, wie weit von außen Einfluß auf die Meinungsmultiplikatoren genommen wurde, um in Deutschland ein nicht bloß antinazistisches, auch antinationales Selbstverständnis zu indoktrinieren und mit der Geschichte vor 1945 ein unauflösliches, umfassendes Gefühl von Schuld, Scham, Irrtum zu verbinden. Nehmen wir nur als aktuelles Beispiel die vom Deutschen Historischen Institut in Warschau mitverantwortete Wanderausstellung „Größte Härte ... Verbrechen der Wehrmacht in Polen September/Oktober 1939“, deren erklärter Zweck es ist, den Beginn des „Vernichtungskriegs“ der Wehrmacht auf den 1. September 1939 vorzudatieren. Sie will das „deutsche Wahrnehmungsszenario vermeintlicher geschichtlicher Realität (in) eine Ordnungsfolge nach den Prinzipien von Ursache und Wirkung (...) bringen“, und zwar „als Zeichen moralischer Wiedergutmachung“. Die Erforschung der Geschichte wird als geistig-moralische Reparationsleistung verstanden und damit als Wissenschaft verabschiedet. Das läßt sich auf zahlreiche andere Gebiete des geistigen und kulturellen Lebens übertragen. Sollte diese arme, dumme Bundesrepublik doch noch irgendwann Gelegenheit haben, ihre geistige Situation zu begreifen, wird sie aus Scham und Verzweiflung einen Nervenzusammenbruch erleben, der dem der DDR nach dem Mauerfall in nichts nachsteht. _________________________
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