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Expansion mit den Deutschbalten Das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg will jüngeres Publikum anlocken. Konrad Badenheuer sprach mit dem neuen Direktor, Dr. Joachim Mähnert, über die Pläne. PAZ: Sie sind seit dem 1. April im Amt. Was ist Ihre Bilanz nach gut 100 Tagen? Mähnert: Es ist eine erfolgreiche Zwischenbilanz. Die Leitung des Hauses ist eine interessante Herausforderung, die ich mit Engagement und Freude angehe. Auch die hochprofessionelle, überzeugende Mannschaft ist froh, daß das Museum wieder einen Leiter hat. PAZ: Die Stelle war über vier Jahre vakant... Mähnert: Leider, die Vakanz ist vielerorts zu merken, und auch meine Einstellung verzögerte sich um acht Monate, die uns jetzt schmerzlich bei erforderlichen Reformschritten fehlen. Nachdem nun die Entscheidung gefallen ist, verstummte zum Glück auch die kritische Begleitmusik in einigen Medien. PAZ: Gab es politische Motive? Mähnert: Zu Hintergründen vor meinem Stellenantritt kann ich mich nicht äußern. Generell ist das Thema Vertreibung mit allem, was damit zusammenhängt, natürlich auch politisiert. Die öffentliche Hand als Zuwendungsgeber gibt uns grob die Richtung unserer Arbeit vor. Die Regierung legt die Rahmenkonzeption fest, nach der Museen wie das unsere nach dem Bundesvertriebenengesetz gefördert werden. Die derzeit gültige stammt noch aus dem Jahr 2000. Wir selber arbeiten aber nicht politisch, sondern auf wissenschaftlicher Basis… PAZ: Sie wollen das Museum räumlich und inhaltlich erweitern, auch, um neue Besuchergruppen anzusprechen. Mähnert: Das ist derzeit Schwerpunkt meiner Arbeit, die unter einigem Zeitdruck geschehen muß. Wir wünschen uns wichtige Entscheidungen möglichst vor der Bundestagswahl im September, denn sonst dürfte bis zur Konstituierung einer neuen Regierung wertvolle Zeit verloren gehen. Aber wir kommen gut voran. Mitte Juni hat der Stiftungsrat einstimmig eine neue Satzung beschlossen. Zu den wichtigsten Neuerungen gehört, daß künftig das Museum um eine deutschbaltische Abteilung erweitert wird. Das Museum soll aber auch darüberhinaus wachsen, die Ausstellungsfläche soll sich auf 2.700 Quadratmeter fast verdoppeln. Der Eingang des Museums wird in die belebtere Heiligengeiststraße verlegt werden, und mit einer neuen Museumskonzeption wollen wir mehr und jüngere Besucher anlocken. PAZ: Das kostet sicher eine Stange Geld? Mähnert: Die entsprechenden Anträge an die Zuwendungsgeber, Bund, Land Niedersachsen und zwei Stiftungen, sind gestellt. Nachdem beide, der Bund und das Land Niedersachsen, das neue Konzept mit großer Zustimmung aufgenommen haben, gehe ich natürlich mit dem gebotenen Optimismus an die Arbeit. Wir bekommen hoffentlich − erstmals seit Jahren wieder − eine Millioneninvestition in das Ostpreußische Landesmuseum. PAZ: Alles schon in trockenen Tüchern? Mähnert: Entschieden ist nichts. Aber ein stimmiges Finanzkonzept liegt vor, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Natürlich bleiben in den heutigen Krisenzeiten manche begründbare Wunschvorstellungen zunächst noch Visionen. Dennoch kann man wohl sagen, daß mit der neuen Satzung, der neuen Konzeption und der Besetzung der Leiterstelle der Gordische Knoten jetzt durchhauen ist. PAZ: Was sind die wichtigsten Neuerungen in der Museumskonzeption? Mähnert: Wir wollen das Bild Ostpreußens modernisieren und stärker als bisher positiv besetzen. Damit wollen wir auch die Brücke schlagen zur jüngeren Generation. Bisher endete die Ausstellung im Jahre 1945 − künftig schauen wir bis in die Gegenwart. Die Aufnahme sovieler Menschen hatte viele Auswirkungen auf Niedersachsen und Lüneburg... PAZ: Wie stark nahm hier die Bevölkerung infolge der Vertreibung zu? Mähnert: Um etwa 40 Prozent. Wir wollen der Vertreibung sozusagen auch ein niedersächsisches Gesicht geben: Ganze Stadtteile sind neu entstanden, was man gut an den Straßennamen ablesen kann. Die Veränderungen betrafen konfessionelle Zusammensetzung, Alltagskultur, Dialekte, auch die berufliche und soziale Zusammensetzung der Bevölkerung. Bedeutende Unternehmen der Region wurden von Ostpreußen gegründet. All das soll zusätzlich künftig im Museum thematisiert werden, weil gerade die Nachgeborenen hier dazu viele Fragen haben. Zudem behandeln wir künftig auch die Zeit nach 1945 in unseren Bezugsregionen, also in Polen, Rußland und den baltischen Ländern. PAZ: Früher hätte man gesagt „in den Vertreibungsgebieten“? Mähnert: Wir reden um das Thema Vertreibung nicht herum, aber spätestens durch das Zusammengehen mit den Deutschbalten ist das Wort „Bezugsregion“ passender, weil die Deutschen aus Estland und Lettland ja nicht in der Weise wie die Ostpreußen vertrieben wurden, womit ich aber natürlich nicht sagen will, daß sie damals freiwillig gingen. Die Erweiterung des Fokus um diese beiden Länder ist mit Mehraufwand verbunden, eröffnet uns aber auch Zugang zu neuen Kooperationspartnern und Fördermöglichkeiten. PAZ: Mit Ostpreußen assoziieren viele vor allem dunkle Seen, Pferde und Jagd. Aber es gab auch ein sozialdemokratisches und jüdisches Ostpreußen, ein Ostpreußen der frühen Biolandwirtschaft. Findet das im Ostpreußischen Landesmuseum künftig statt? Mähnert: Wir wollen auf alle Fälle in vielfältiger Form die Besucher auch überraschen und Vorurteile hinterfragen. Aktuell zeigen wir eine Ausstellung über Umweltkooperationsprojekte mit dem Königsberger Gebiet. Dabei ist die Deutsche Bundesstiftung Umwelt ein wichtiger Kooperationspartner für uns. Das hätte es früher so wohl nicht gegeben und geht sicher in die von Ihnen angesprochene Richtung.
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