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Rothäute an Neumanns Lagerfeuer Der Verzicht Erika Steinbachs auf die Berufung in
den Stiftungsrat des Vertriebenenzentrums in Berlin hat nicht ausgereicht, um
die politischen Gegner des Projekts zu befriedigen. Sie versuchen offenbar
weiterhin, das ganze Vorhaben zu Fall zu bringen und die Erinnerung an die
Vertreibung aus dem politischen Diskurs der Bundesrepublik auszulöschen. In das Dickicht der taktischen Winkelzüge und Finten um die Stiftung hat der Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland im Stiftungsrat, Salomon Korn, eine Schneise der Klarheit geschlagen. Er forderte die Neuausrichtung der Stiftung. Wenn dort das Thema Vertreibung „nicht im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg und dem nationalsozialitischen Menschheitsverbrechen“ dargestellt werde und zudem die NS-Vergangenheit früherer (meist in den 1950er Jahren aktiver) BdV-Funktionäre aufgeklärt werde, werde er sein Amt als Mitglied des Stiftungsrates ruhen lassen und eventuell der Zentralrat als Ganzer das Gremium verlassen. „Wir werden keine Alibifunktion ausüben“, erinnerte Korn an das legitimierende Potenzial der Mitwirkung des Zentralrates, ließ aber keinerlei Kenntnisse beispielsweise am Umgang Polens und der Tschechoslowakei mit jüdischem Eigentum und jüdischen kulturellen Hinterlassenschaften in den ehemals deutschen Gebieten erkennen. Und doch hat Korn mit seiner Wortmeldung im Unterschied zu den drei bisherigen Mitgliedern im Beraterkreis Tomasz Szarota, Kristin Kaiserovà und Helga Hirsch zumindest nicht um den heißen Brei geredet, sondern den Grundsatzkonflikt klargemacht, mit dem das geplante Zentrum schon 2005 zum Projekt der Großen Koalition wurde: Während im politischen Berlin Einigkeit darüber besteht, dass das allgemeine Völkerrecht für die deutschen Vertriebenen nicht zu gelten hat, dass die an ihnen verübten Morde straflos bleiben und sie selbstverständlich keinerlei Wiedergutmachung erhalten sollen, besteht Dissens über den Sinn der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“. Die meisten Unionspolitiker wünschen sich einen Ort der zumindest moralischen Genugtuung für die Vertriebenen; Politiker von SPD und Grünen hingegen, aber eben auch Salomon Korn wollen das geplante Zentrum hingegen sogar gegen die Vertriebenen selbst ausrichten. Treffend hat dies vor wenigen Tagen „FAZ“-Herausgeber Bertolt Kohler formuliert: „Die Stiftung ... ist sowohl das Kind des Bestrebens, eine nationale Erinnerungsstätte an die Vertreibung zu schaffen, wie auch des Versuchs, eine solche zu verhindern. Treibende Kraft hinter Ersterem war Erika Steinbach.“ Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Angelika Schwall-Düren, hat diese Sichtweise vor wenigen Tagen im Kern bestätigt. Sie wurde aus Warschau (!) mit den Worten zitiert, nach Erika Steinbach selbst müsse nun auch noch ihr böser Geist aus der Stiftung verjagt werden. Mit schwarzem Humor und Sarkasmus verglich Bertolt Kohler in der „FAZ“ die Stiftung mit einem Indianerreservat. „Dort darf, wie auch schon im deutsch-tschechischen Gesprächsforum, eine Handvoll Eingeborener unter Aufsicht vieler weißer und natürlich weiser Brüder darüber palavern, ob und wie der Indianerkriege zu gedenken sei − in den Grenzen, die der derzeit ziemlich kleinmütige Große Geist der Versöhnung zieht. Den Rothäuten war es nicht einmal erlaubt, selbst zu bestimmen, wen sie an Neumanns Lagerfeuer schicken. Denn als das ganze Projekt nicht mehr zu verhindern war, musste als sichtbares Zeichen an Polen wenigstens Erika Steinbachs Kopf fallen. An dieser Enthauptung beteiligte sich sogar noch der deutsche Außenminister.“ Dies war die Ausgangslage, unter der sich zu Wochenbeginn der Stiftungsrat traf, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Natürlich kam wenig heraus. Immerhin sollen die Gremien „neu formiert“ und die „inhaltliche Arbeit fortgesetzt und konkretisiert“ werden. Dazu hat der Rat den Direktor der Stiftung, Prof. Manfred Kittel, gebeten, bis zum Herbst Eckpunkte für die Konzeption der geplanten Dauerausstellung vorzulegen. Außerdem wurde neben Kittel und Andreas Kossert, dem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Stiftung, Michael Dorrmann als Kurator der Stiftung neu bestellt. Zitat: „Damit stehen der Stiftung auch die personellen Ressourcen bereit, um die vor ihr liegende inhaltliche und gestalterische Auseinandersetzung mit ihrem schwierigen Thema leisten zu können. Außerdem soll die Grundsanierung des Deutschlandhauses vorangetrieben werden. Wichtig schließlich die geplante Änderung des Stiftungsgesetzes. Dessen Novelle sei „eingeleitet“, um beispielsweise die beschlossene Vergrößerung des Stiftungsrates umzusetzen, und solle noch bis zur Sommerpause abgeschlossen werden. Bleibt die Frage, wer der neue Kurator ist und ob er das ganze, im Grundansatz mehrdeutige Zentrumsprojekt im „schwarzen“ oder im „roten“ Sinne versteht. Michael Dorrmann ist promovierter Historiker und wurde 1968 in München geboren. Hervorgetreten ist er durch eine Reihe von Ausstellungen und den zugehörigen Buchpublikationen, die aber eine direkte politische Einordnung nicht zulassen. Dorrmann ist weder ein erklärter Gegner noch ein bekannter Unterstützer des zentralen Anliegens der deutschen Vertriebenen, also der Versöhnung auf der Grundlage der historischen Wahrheit und des Völkerrechts. Immerhin heißt eine der von ihm zuletzt gestalteten Ausstellungen „Raub und Restitution“. Aber dabei ging es „natürlich“ nur um den Umgang mit jüdischem Eigentum in der NS-Zeit und danach.
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