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Tschechien: Brisante Knochenfunde könnten
„totes Recht“ beleben WIEN - An nicht weniger als 145 Orten in Tschechien hat der Volksbund deutscher Kriegesgräberfürsorge (VDK) in den vergangenen Jahren die sterblichen Überreste von insgesamt 5.500 Deutschen ausgegraben. Der Großteil der Gebeine stammt von gefallenen Wehrmachtssoldaten. Gar nicht so wenige aber auch von Zivilisten, die unmittelbar vor und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bei tschechischen Racheaktionen umgebracht worden sind. 473 zivile Opfer hat der VDK namentlich identifizieren können. Sie werden zusammen mit den Soldaten am 11. September auf einem Friedhof im westböhmischen Eger (Cheb) beigesetzt. Die tragischen Schicksale haben die Politik bislang nicht sonderlich interessiert, obwohl die Gebeine auch von Massakern zeugen. Die Regierungen in Berlin und Wien sind sich mit jener in Prag einig darin, sich den Blick in die Zukunft nicht zu sehr von Schandtaten der Vergangenheit verstellen zu lassen. Doch zu Wochenbeginn hat die tschechische Polizei selbst ein höchst brisantes Massengrab entdeckt: Nahe der Gemeinde Dobrenz (Dobronin) bei Iglau (Jihlava) wurden in zwei Meter Tiefe mehrere Skelette geborgen (MAZ berichtete). Zwischen 12. und 19. Mai 1945 – also nach Kriegsende – waren hier 15 Deutsche von Tschechen massakriert worden. Nun ermittelt die Polizei in dem Fall. Die DNA-Spuren der Gebeine werden mit den genetischen Codes von in Deutschland lebenden Verwandten der Opfer überprüft, um die Identität festzustellen. Eine weitere traurige Nachkriegsepisode wäre dann mit der spät erlangten Gewissheit abgeschlossen. Brisant könnte der Fall allerdings werden, wenn die Vermutung des zuständigen Ermittlers Michal Laska zutrifft: „Wir haben einen ganzen Umkreis von möglichen Tätern überprüft. Einer von ihnen lebt noch.“ Sollte der mutmaßliche Mörder tatsächlich noch leben, steht der tschechischen Politik eine Nagelprobe ins Haus. Denn es ist fraglich, ob der Verdächtige überhaupt einer Strafverfolgung zugeführt werden kann. Denn jede an sich strafbare Handlung gegen Deutsche war nicht nur nicht verboten, sondern sogar per Gesetz explizit für straffrei erklärt worden. Am 8. Mai 1946 hatte der damalige tschechoslowakische Präsident Edvard Benes (Benesch) das entsprechende Gesetz unterzeichnet, welches im Paragraph 1 folgendes festlegt: „Eine Handlung, die in der Zeit vom 30. September 1938 bis zum 28. Oktober 1945 vorgenommen wurde und deren Zweck es war, einen Beitrag zum Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zu leisten, oder die eine gerechte Vergeltung für Taten der Okkupanten oder ihrer Helfershelfer zum Ziele hatte, ist auch dann nicht widerrechtlich, wenn sie sonst nach den geltenden Vorschriften strafbar gewesen wäre.“ Ähnliche Gesetze gibt es zwar auch in anderen Ländern, die unter dem Nazi-Terror zu leiden hatten, die tschechische „Spezialität“ ist aber die lange Schonfrist: Sie endet nicht mit der Befreiung von den Nazis, also im Mai 1945, sondern erst am 28. Oktober. Sinn und Zweck der Frist war es, alle im Zuge der Vertreibung der Sudetendeutschen verübten Verbrechen von jeglicher Strafverfolgung auszuschließen. Sollte dieses Gesetz nun, 65 Jahre nach Kriegsende, noch einmal zur Anwendung kommen, hätte die tschechische Politik Erklärungsbedarf. Denn bislang hat Prag die Forderung nach einer Aufhebung der Benes-Dekrete stets mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass diese ohnehin „totes Recht“ seien und nicht mehr angewendet würden. Sollte sich der mutmaßliche Täter auf das so genannte Straffreistellungsgesetz berufen, wird die Prager Regierung wohl Farbe bekennen müssen.
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