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Wo ein Wille … Ein Kommentar von Manfred Maurer ES ist doch einigermaßen beschämend, daß sich eine österreichische Staatsbürgerin an ein deutsches Gericht wenden mußte, um dort diplomatischen Schutz durch die Bundesrepublik Deutschland, ihrem Wohnsitzland, einzuklagen. Es mag schon sein, daß es rechtlich seine Ordnung hatte, als die Dame vor zweieinhalb Jahren im Wiener Außenamt mit ihrem Ersuchen um Unterstützung im Ringen um eine Rehabilitierung in der Tschechischen Republik abgewiesen wurde. Da die österreichische Staatsbürgerschaft zum Zeitpunkt des „Schadensereignisses“ wie die Vertreibung im Beamtendeutsch euphemisiert wird, Voraussetzung für die Gewährung diplomatischen Schutzes ist, haben die meisten Sudetendeutschen keine Chance, auch wenn sie seit Jahrzehnten Österreicher sind. So kann sich der Staat einfach aus einer Affäre ziehen, die - wie sich aus einem ebenfalls abschlägigen Bescheid des Berliner Außenamtes schließen läßt - einen erheblichen diplomatischen Flurschaden anrichten könnte. ZU HINTERFRAGEN ist allerdings die im Wiener Außenamt formulierte Begründung, warum man Vertriebene in ihrem Ringen um Rehabilitierung - es geht, wohlgemerkt, nicht um materielle Entschädigungsforderungen - nicht unterstützen kann. Das diplomatische Schutzrecht lasse keine Einflußnahme auf die Gesetzgebung eines Staates zu. Das hätte vielleicht bis vor zehn Jahren noch halbwegs plausibel geklungen. Spätestens seit dem EU-Beitritt der Tschechischen Republik ist die Frage, ob die nationale Gesetzgebung von außen beeinflußt werden kann, klar beantwortet. Ein Großteil der nationalen Gesetze fußt mittlerweile auf Beschlüssen, die auf europäischer Ebene getroffen worden sind. Es gibt auch zahlreiche Fälle, in denen ein oder mehrere Staaten Einfluß auf die Gesetzgebung eines anderen Staates zu nehmen versucht haben. Der Wegfall des Bankgeheimnisses für Ausländer in Österreich ist unter anderem auf eine - noch dazu ohne Rücksicht auf diplomatische Flurschäden - vorgetragene Forderung der deutschen Bundesregierung zurückzuführen. Man erinnert sich auch noch an die Kavallerie, die der seinerzeitige Finanzminister Peer Steinbrück 2009 gegen die Schweiz in Stellung gebracht hatte. „Wir müssen nicht nur das Zuckerbrot benutzen, sondern auch die Peitsche" hatte der SPD-Politiker damals gemeint. Weil es um viele Milliarden ging, die der deutsche Fiskus heimholen wollte, darf die diplomatische Erde auch schon einmal ein bißchen verbrannt werden. WENN ES ALSO um etwas geht, dann ist es in Europa heute durchaus üblich, danach zu trachten, daß bestimmte Interessen in der nationalen Gesetzgebung anderer Staaten Berücksichtigung finden. ABER WORUM geht es bei Sudetendeutschen, die nicht einmal Entschädigung, sondem nur die Wiederherstellung ihres durch die Beneš-Dekrete kollektiv beschädigten Rufes fordern? Es geht, materiell gesehen, um nichts. Es geht einfach nur um die Ehre. Und dafür soll sich ein ganzer diplomatischer Apparat in Bewegung setzen? Damit ein paar alte Leute ihren Frieden haben, die das Gerede von der „Wertegemeinschaft Europa“ noch ernst nehmen? JA, ES GIBT sicher (völker)rechtliche Argumente, um die Verweigerung des diplomatischen Schutzes zu begründen. So, wie sich immer eine juristische Begründung findet. wenn man etwas tun oder lassen will. Wenn man aber etwas unbedingt erreichen will, dann finden sich auch Mittel und Wege, um zum Ziel zu gelangen. Hätte die Rehabilitierung unschuldiger Opfer von Nachkriegsverbrechen eine hohe politische Priorität, müßten sich weder in Berlin noch in Wien Spitzenbeamte juristische Spitzfindigkeiten einfallen lassen, um der Untätigkeit ein formales Fundament zu geben. UND WARUM SOLLTE es zu dem in Berlin befürchteten „diplomatischen Flurschaden" kommen, wenn zwei EU-Mitglieder von einem anderen eine angemessene Behandlung für ihre Staatsbürger - egal ob Österreicher oder Deutsche - einfordern? Es ist wohl nicht unangemessen, Menschen, die als Kinder unter das Kollektivschuldprinzip gestellt wurden, heute in aller Form zu rehabilitieren. Anderswo, zum Beispiel in Serbien, ist das mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Wer fürchtet sich also warum davor, von Tschechien einzufordern, was eigentlich längst europäischer Standard geworden ist? Vielleicht geht es ja auch gar nicht um Angst, sondern vielmehr um Ignoranz. Das wäre dann aber noch schlimmer. Dieser Kommentar von Manfred Maurer erschien in
der Sudetenpost Folge 7 vom 3. Juli 2014.
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