Erdbeben mit Erdrutsch
Wahltriumpf der PiS in Polen – Deutsche Minderheit besorgt
Ein Erdbeben hat Polen erschüttert. Die Stimmung hat sich total verändert.“ – So sieht es Bernard Gaida, Vorsitzender des VdG, des Verbandes der deutschen Bevölkerungsgruppe in Polen. Aus der Parlamentswahl am vergangenen Sonntag ist die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Parteichef Jaroslaw Kaczynski und Spitzenkandidatin Beata Szydlo als Siegerin hervorgegangen und hat sogar die absolute Mehrheit im Sejm, dem polnischen Parlament, gewonnen. Die liberalkonservative Bürgerplattform der bisherigen Regierungschefin Ewa Kopacz musste erdrutschartige Verluste hinnehmen.
Die PiS hatte im Wahlkampf die Asylpolitik der Europäischen Union scharf kritisiert. Eine Zwangsquote zur Aufnahme von Asylsuchenden, wie sie Brüssel und die deutsche Bundesregierung fordern, lehnt die Partei strikt ab. Das kam bei den polnischen Wählern, die ebenso besorgt wie ratlos auf die Zustände im deutschen Nachbarland blicken, ebenso gut an wie die Forderung nach einer moralischen Erneuerung des Staates, einer selbstbewussteren Außenpolitik und dem Ausbau des Sozialstaates.
Für die deutsche Volksgruppe mit ihren mehreren hunderttausend Angehörigen hat der PiS-Wahlsieg möglicherweise bittere Konsequenzen. Noch gut in Erinnerung ist eine Kaczynski-Rede vor einigen Jahren im schlesischen Oppeln, als der PiS-Parteichef frontal die deutsche Volksgruppe angriff. Sie habe „viel zu viele Rechte“, schimpfte er. Bernard Gaida bemüht sich unterdes um Schadensbegrenzung: „Wir sollten jetzt nicht in Panik geraten. Eine 180-Grad-Wende wird es auch von der PiS nicht geben“, hofft er. - FH
Vergangene Zukunft
Hat die Deutsche
Minderheit bei der Parlamentswahl Schadensbegrenzung betrieben?
von Edmund Pander
Vor 30 Jahren warf der Kinoerfolg „Zurück in die Zukunft“ einen Blick darauf, wie die Welt am 21. Oktober 2015 aussehen sollte. Weltweit feierten Science-Fiction-Anhänger den magischen Tag, und mancher verdrehte die Augen, dass das schon alles 30 Jahre her sein soll. Wen wundert es da, dass die Deutsche Minderheit in der Republik Polen ihrem 25-jährigen Gründungsmythos besonders frönt? Doch für die deutsche Volksgruppe in der Republik Polen scheint die Zukunft weiterhin vergangen zu bleiben. Hatte sie bei der ersten freien Wahl nach der sogenannten Wende noch sieben Mandate im Sejm errungen, so war der Umfang bis zur letzten Legislaturperiode auf einen Sitz im Parlament geschrumpft. Und erst die Prognosen des späten Sonntagabend befreiten die Deutschen von der Sorge, auch noch diesen einen Platz zu verlieren.
Dieser könnte nun ohnehin letztmalig errungen sein, denn bei der aus der Wahl als Siegerin hervorgegangenen Kaczynski-Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), welche die absolute Mehrheit der Mandate errang, konnte man auch im Wahlkampf immer wieder vernehmen, dass es mit der Befreiung von Minderheiten von einer Prozenthürde zu Ende gehen solle. Dabei war der Plural Minderheiten doch eigentlich überflüssig. Denn schon seit den 90er Jahren profitierten nur noch die deutsch optierenden Oberschlesier von dieser Möglichkeit.
Dabei wären die deutschen Oberschlesier eigentlich ein Kernklientel der PiS. Konservativ und katholisch. Doch gerade in der Woiwodschaft Oppeln, wo sie regional eine politische Macht sind, kann die PiS ihre betont antideutsche Attitüde nicht ablegen. Zuletzt hatte deren Kandidat Bartlomiej Markowski beim „kulinarischen Herbstjahrmarkt“ der Minderheitsgliederung „Verein Schlesischer Landfrauen“ in Krappitz einen Auftritt eines deutsch singenden Duos rüde mit den Worten gestört: „Hier ist Polen“. Dass die jungen Musiker kein polnischsprachiges Stück in ihrem Repertoire hatten, konnte oder wollte er gerade in Wahlkampfzeiten nicht hinnehmen. Die Deutschsprachigkeit hat als Abgeordneter der Minderheit bislang Ryszard Galla verteidigt, der selbst öffentlich kaum ein deutsches Wort spricht.
Aber im Grunde gibt es in der Republik Polen die Konkurrenz zwischen Rechts und Links ohnehin kaum mehr. Die Bewegung um den Rockmusiker Pawel Kukiz, der es auf etwa neun Prozent der Stimmen brachte, bedient ebenso antideutsche Reflexe. Und vermutlich hätte sich Markowski in Krappitz wohl eher über ein Lied wie „Heil Sztajnbach“ (Stinbach) aus dem Munde von Pawel Kukiz gefreut. Da Kukiz als gebürtiger Patschkauer im Oppelner Land quasi Lokalmatador ist, konnte der Sänger, der das Warschauer Establishment gerne als „Statthalter Merkels“ bezeichnet, im westlichen Oberschlesien mit über zwölf Prozent der Stimmen besonders auftrumpfen. Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe war bestenfalls noch die Frage interessant, ob Janusz Korwin-Mikke mit seiner skurrillen monarchieaffinen Rechts-Bewegung noch haarschaft in den Sejm einzieht.
Apropos Verein Schlesischer Landfrauen. Auch deren Vorsitzende Maria Zmija-Glombik ist nicht mehr deutschsprachig, jedoch mit dem Niedergang der deutschen Kultur unzufrieden. Sie wagte es, für die auf 23 Prozent abgestürzte bisherige liberale Regierungspartei Bürgerplattform (PO) zu kandidieren und – aus Sicht der offiziellen Minderheit schlimmer – Ryszard Galla der politischen Untätigkeit zu bezichtigen.
Der von langer Unterdrückung der Oberschlesier geprägte und an Angela Merkel angelehnte Stil des politischen Moderierens, bis die eigentliche Botschaft versandet, ist in Oppeln quasi Minderheitsdoktrin. Im Regionalparlament blieben die Deutschen stets zahnlos, da völlig absehbar war, dass sie sich am Ende doch wieder erbarmten und der erstaunlicherweise gerade in Oppeln antideutschen PO ihre Koalitionsunterstützung garantierten. So blieb man berechen- und ausspielbar. Weit schwerwiegender ist hingegen ein anderes Manko: Die deutsche Wahlliste ist ein Spielgelbild der Verhältnisse in der Woiwodschaft Oppeln geworden, wo die Deutschen sich durch diese Politik Positionen sicherten. Hingegen sind die Deutschen in der mit zahlreichen Großstädten weit bedeutenderen Woiwodschaft „Schlesien“ eine gesellschaftliche Marginalie. Während die Oppelner Deutschen sich zunehmend politisierten, suchten die marginalisierten und eher rein kulturell orientierten Deutschen in Ratibor, Gleiwitz oder Kattowitz den Schulterschluss mit der national offenen Autonomiebewegung, die manche intellektuelle Querdenker in ihren Reihen hat und für die Jugend attraktiv ist. Doch auch hier machte die Minderheit oft eine unglückliche Figur. Anna Ronin etwa wurde als Moderatorin des deutschsprachigen Jugendradiosenders zuletzt als ernstzunehmende Bewerberin um das Ratiborer Stadtpräsidentenamt aufgebaut. Sie scheiterte nur knapp, als ihre Wurzeln diskutiert wurden. Nach außen betonte sie ihre Herkunft. Das klang dann jedoch gar nicht mehr nach deutscher Volksgruppe, sondern so: polnisch, schlesisch und europäisch.
Linksparteien, außer der eher partikularen
Bauernpartei, werden dem neuen Sejm erst gar nicht mehr angehören. Das Bild
vervollständigt nun nur noch die neue, wirtschaftliberale „Nowoczesna“ (Modernes
Polen).
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