Er formte Preußens Generalstab
Karl von Grolmann unterstützte Scharnhorst in der
Militär-Reorganisationskommission und Blücher bei Belle-Alliance
von Manuel Ruoff
Der preußische Militärreformer Karl von Grolman war von einer enormen Prinzipienfestigkeit, Konsequenz und Rigorosität, um nicht zu sagen Radikalität, im Denken und Handeln. Mit dem Generalstab schuf er Moltke das Instrument, um an der deutschen Einigung maßgeblich mitzuwirken, die ihm selber zu erleben nicht mehr vergönnt war. Er starb vor 170 Jahren im 67. Lebensjahr.
„Er huldigt nur dem Verstande und ehrt von den Gemütskräften nur die Willenskraft“, sagte August Neidhardt von Gneisenau, ein weiterer Großer der preußischen Reformbewegung, über ihn. Diese Willenskraft kommt schon darin zum Ausdruck, dass der am 30. Juli 1777 in Berlin geborene Preuße sich bereits als Kind gegen die Fortsetzung der Familientradition entschied. Im Gegensatz zu seinem Vater, der als Obertribunalpräsident und Mitautor des Allgemeinen Landrechts in der Justiz erfolgreich Karriere machte, und seinem Großvater mütterlicherseits, der Kriminalrat war, wurde Karl bereits als 14-Jähriger Soldat. Beim Militär fand er seine Berufung. Mit Enthusiasmus ging er in seinem Beruf auf und erfuhr entsprechende Resonanz.
Die für Preußen katastrophal endende Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt machte er als Adjutant des Feldmarschalls Wichard von Möllendorf mit. Es folgte eine Verwendung als Adjutant des Befehlshabers des Feldheeres, Friedrich Ludwig Fürst zu Hohenlohe-Ingelfingen. Dessen ruhmlose und auf die preußische Moral verheerend wirkende Kapitulation bei Prenzlau brauchte er nicht mitzuerleben, da er vorher als Kurier zu seinem König Friedrich Wilhelm III. entsandt worden war. Im weiteren Verteidigungskampf Preußens gegen das überlegene napoleonische Kaiserreich bildete Grolman mit seiner Entschlossenheit und Tapferkeit eine ruhmreiche Ausnahme. Für sein Verhalten in dem Gefecht bei Soldau vom 26. Dezember 1806, in dem er schwer verwundet wurde, erhielt er den Orden Pour le Mérite.
Nach dem Krieg, dessen Verlust auch er nicht hatte abwenden können, wurde er in Gerhard von Scharnhorsts Militär-Reorganisationskommission berufen. Er war nicht nur im vorausgegangenen Vierten Koalitionskrieg positiv aufgefallen, sondern kannte Scharnhorst auch von der „Militärischen Gesellschaft“ her. Als Mitglied der Reorganisationskommission und der Untersuchungskommission, die das Verhalten der Offiziere während des Krieges zu prüfen und zu beurteilen hatte, sowie als für Personal- und Disziplinarangelegenheiten zuständiger Abteilungsdirektor des 1808 geschaffenen Kriegsministeriums half er mit der Schärfe seines Verstandes bei der Suche nach den Ursachen für die Niederlage und mit seiner unerbittlicher Strenge wie „rücksichtslosen Wahrheitsliebe“, um mit dem preußischen Reformer Hermann von Boyen zu sprechen, bei der Verfolgung der Schuldigen.
Diese Arbeit am Schreibtisch befriedigte ihn jedoch nicht. Er wollte mit der Waffe in der Hand gegen Napoleon kämpfen und das war nach dem Tilsiter Frieden von 1806 zumindest vorerst nicht mehr möglich. Als sich dann 1809 Österreich gegen Bonaparte erhob, nutzt er die Gelegenheit und wechselte von preußische in österreichische Dienste. Doch noch im selben Jahr endete auch dieser Fünfte Koalitionskrieg mit einem Sieg Napoleons.
Grolman gelang die Flucht in das mit dem Habsburgerreich verbündete England. In Spanien wurde immer noch beziehungsweise schon wieder mit britischer Unterstützung militärischer Widerstand gegen Bonaparte geleistet und so ging Grolman 1810 als Kämpfer der Legion extranjera, einer Art Fremdenlegion der dortigen Armee, nach Spanien. Dort kämpfte er als Bataillonskommandeur gegen Napoleon. 1812 gehörte er zu den Verteidigern Valencias gegen die französische Belagerer. Bei dessen Eroberung geriet er in französische Kriegsgefangenschaft. Er wurde nach Frankreich verbracht. Während seiner Zeit in Spanien wurde Grolman zum Anhänger der konstitutionellen Monarchie – was ihn in den Augen preußischer Reaktionäre zum Jakobiner und Demokraten werden ließ.
In Frankreich gelang ihm noch in eben jenem Jahre 1812 die Flucht in die benachbarte Schweiz. Von dort reiste er mit falscher Identität über Bayern nach Jena, wo er ein Geschichtsstudium aufnahm. Zeitgleich mit dem Seitenwechsel Preußens am Ende von Bonapartes Russlandfeldzug kehrte Grolman nach Preußen und in dessen Armee zurück. Wieder war Grolman mit Engagement bei der Sache. Sein Einsatz bei der Völkerschlacht bei Leipzig brachte ihm das Eichenlaub zum Pour le Mérite.
Im Gegensatz zu den Österreichern, die im metternichschen Geiste Frankreich als Großmacht erhalten sehen wollten, trat nun Grolman mit Gneisenau und Gebhard Leberecht von Blücher dafür ein, den bei Leipzig geschlagenen Franzosenkaiser bis in sein eigenes Land zu verfolgen und dort niederzukämpfen. Die Preußen setzten sich in diesem Punkte gegen die Österreicher durch und der Krieg wurde bis zu Napoleons Kapitulation fortgesetzt.
Als Bonaparte 1815 von Elba nach Frankreich zurückkehrte, gehörte Grolman zusammen mit Gneisenau und Blücher zu jenen, die Napoleons Karriere endgültig beendeten. Während Blücher das Kommando über die preußischen Truppen führte, war Gneisenau sein Generalstabschef und Grolman sein Generalquartiermeister. Es war nicht zuletzt die logistische Leistung des Generalquartiermeisters Grolman, welche die Preußen noch rechtzeitig genug auf dem Schlachtfeld von Belle-Alliance erscheinen ließ, um die Entscheidung zu bringen.
Nach den napoleonischen Kriegen leitete Grolman unter dem preußischen Reformer und Kriegsminister Boyen das 2. Departement des Kriegsministeriums. In dieser Funktion baute Grolman den preußischen Generalstab auf, widmete sich dessen Organisation und Ausbildung. Neben der Beteiligung an der preußischen Heeresreform unter Scharnhorst und der Niederringung Bonapartes nach dessen Rückkehr von Elba unter Blücher ist sein konstituierendes Wirken als erster preußischer Generalstabschef die dritte große Leistung Grolmans von historischer Bedeutung.
Wie sein Minister wurde auch Grolman ein Opfer der Reaktion, die nach den napoleonischen Kriegen wieder ihr Haupt erhob. Ganz im Sinne Scharnhorsts hatten sich die beiden preußischen Reformer für ein Volk in Waffen, den Bürger in Uniform und damit für die Landwehr eingesetzt, während die Reaktion diese Errungenschaft der Befreiungskriege zugunsten des traditionellen auf den König eingeschworenen und von Berufssoldaten geführten stehenden Heeres zurückdrängen wollte. Der König schlug sich auf die Seite der Reaktion und Grolman nahm mit seinem Minister Boyen deshalb im Jahre 1819 den Abschied.
Auf Betreiben des Prinzen August von Preußen wurde Grolman jedoch 1825 reaktiviert. Nachdem er die 9. Division in Glogau kommandiert hatte, wurde er schließlich Nachfolger des 1831 verstorbenen Gneisenau. 1832 erst interimistisch und 1835 dann offiziell und definitiv wurde ihm das Kommando über das V. Armeekorps in Posen übertragen. In Posen war es denn auch, wo Karl von Grolman am 15. September 1843 starb.
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