Wenn ein ostpreußischer Firmenname erlischt
Der Traditions-Juwelier Bistrick schloss sein Geschäft in Baldham
Der
Name war noch immer mit Königsberg verbunden, wenn auch das Stammhaus in Trümmer
gefallen war, aber im bayrischen Baldham lebte er weiter: Walter Bistrick. Er
stand für die schönen Dinge des Lebens, für Schmuck, Gold- und Silberwaren sowie
vor allem für Uhren. Wie ich werden viele Königsberger ihre erste Uhr aus dem
Juweliergeschäft am Roßgärter Markt bekommen haben wie mein Bruder seine
Alberten und meine Schwester ihre Silberbestecke. Es war eben gute Tradition,
bei Bistrick zu kaufen, der Name stand für Qualität und Erlesenheit – Kriterien,
die auch für das Juweliergeschäft galten, das nach der Vertreibung aus der
zerstörten Heimat im bayerischen Baldham aufgebaut wurde. Nun musste Juwelier
Wolfgang Bistrick die Rollgitter für immer herunterlassen. Damit endet eine
erfolgreiche Firmengeschichte, die über 120 Jahre von der Gründung in der damals
friedvollen Kaiserzeit über zwei Weltkriege, Vertreibung und Neubeginn in
schwerer Nachkriegszeit in das elektronische Zeitalter führt, das viele
traditionsreiche Einzelhandelsgeschäfte zur Aufgabe zwingt.
Und nun auch Walter Bistrick. Der Name blieb uns
Ostpreußen vertraut, denn er stand auch nach der Vertreibung für heimatlichen
Schmuck, mit dem wir uns verbunden fühlten, vor allem mit Bernsteinkreationen
oder Alberten. Und für die vielen Aktivitäten, die der heimatvertriebene
Juwelier Arnold Bistrick, Sohn des Firmengründers, für die Dokumentation der
ostpreußischen Wirtschaft geleistet hat und denen sich auch sein Sohn Wolfgang
verpflichtet fühlte. Die Geschichte der Familie Bistrick ist mit Ostpreußen so
eng verbunden, dass sie ein ganzes Kapitel Heimatgeschichte füllen könnte.
Begonnen hatte es im Jahr 1893, als der Uhrmacher
Walter Bistrick mit in Berlin und Bonn erworbenen Kenntnissen in seine
Heimatstadt Königsberg zurückkehrte und auf dem Vorderrossgarten 35/36 eine
eigene Firma gründete, die sich bald zu einem angesehenen Unternehmen
entwickelte. Die Lage an dem zentral gelegenen Roßgärter Markt mit seinem
wachsenden Einzugsgebiet war günstig. In den Friedensjahren vor dem Ersten
Weltkrieg entstand hier ein lebhaftes Geschäftsviertel, in dem das
repräsentative Haus Bistrick als Fachgeschäft für Uhren sowie Gold- und
Silberwaren einen hervorragenden Platz einnahm. Und weit über Königsberg hinaus
bekannt wurde, denn die Firma Walter Bistrick zählte bald zu einem der sechs
größten Uhrenfachgeschäfte des Deutschen Reiches. Nach dem Tod des
Firmengründers, der auch Gründer und Vorsitzender des ostpreußischen
Uhrmacherverbandes gewesen war, übernahm 1927 seine Familie – Bruder Rudolf,
Witwe Martha sowie die Söhne Rudolf und Arnold – die Firma und führte sie so
erfolgreich weiter, dass in der Poststraße mitten im pulsierenden Geschäftsleben
der Stadt eine moderne Filiale gegründet wurde. Der Zweite Weltkrieg zerschlug
dann alles, was die Familie gemeinsam aufgebaut hatte. Stammhaus und Filialbau
fielen den Bomben zum Opfer, Martha Bistrick starb den Hungertod, Rudolf fiel
bei der Verteidigung seiner Heimatstadt. Nur Arnold überlebte mit seiner
Familie, sein Sohn Wolfgang war damals fünf Jahre alt. Arnold Bistrick gab nicht
auf, begann nach dem Krieg mit dem geretteten „Familienkapital“ von 15 Gramm
Gold die Firma in Hamburg weiter zu führen, siedelte nach Stuttgart über,
versuchte in München Fuß zu fassen und fand schließlich im nahen Baldham einen
geeigneten Laden als Firmensitz für das Unternehmen, das weiter den Namen seines
Gründers trug: „Walter Bistrick“.
Und nun ist auch dieser als einer der letzten
Firmennamen auf dem Bahnhofsvorplatz von Baldham erloschen. Fast ein halbes
Jahrhundert hat Wolfgang Bistrick, den sein Vater schon 1958 zum Teilhaber
gemacht hatte, das Juweliergeschäft geführt und dabei nie seine ostpreußischen
Kunden vergessen, denn er nahm die
Alberten-Herstellung wieder auf und fühlte
sich auch mit seinem Bernsteinschmuck der angestammten Heimat verpflichtet.
Dafür sei dem 73-Jährigen Dank gesagt, der es nun etwas ruhiger angehen möchte.
Dass die Familientradition weiter geführt wird, wenn auch auf andere Weise,
dafür sorgt einer seiner Söhne: Thomas Bistrick wurde Juwelier und ist in der
für Deutschland zuständigen Geschäftsführung eines renommierten Schweizer
Unternehmens verantwortlich für den Einkauf von weltbekannten Uhrenmarken. Und
das wäre wohl ganz im Sinne seines Urgroßvaters Walter Bistrick gewesen. R.G.
Diese Netzseiten sind optimiert für
1024x768 oder höher und 24 Bit Farbtiefe sowie MS-Internet Explorer 11.x
oder höher.
Netscape ab 7.x oder andere Browser mit Einschränkungen verwendbar. - Soundkarte
für Tonwiedergabe erforderlich.