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Das altpreußische Weiberfest

 


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Das altpreußische Weiberfest

von Wilhelm Gaerte

Um das Jahr 1283 hatte der deutsche Ritterorden den östlichsten Stamm der Preußen, die Sudauer, unterworfen. Viele Bewohner des dortigen Landesteiles, die sich nicht vor dem Kreuze beugen wollten, fanden ein Asyl im benachbarten litauischen Gebiet. Etwa 1500 Sudauer, die das Christentum annahmen, verpflanzte der Orden nach dem Nordwestwinkel des Samlandes, der von den Angesiedelten den Namen „Sudauischer Winkel“ erhielt.

Wie eine alte Chronik (Henneberger, Erclerung der Preußischen größeren Landtaffel 1595) erzählt, erhielt der einst in jener Gegend beamtete Bernsteinmeister Johann Furchs den Besuch einiger Freunde. Furchs hielt auf glänzende Aufmachung. Den Gästen zu Ehren gab daher der Bernsteinmeister ein Fest, dessen Höhepunkt ein Tanz von geschmückten sudauischen Weibern bildete. Es waren ihrer zehn. Bevor sie aber den Tanz begannen, stellten sie die Bedingung, die Tonne Bier, die ihnen der Bernsteinmeister zugesagt hatte, vor dem Tanze austrinken zu dürfen. Ihre Bitte wurde gewährt, und mit Leichtigkeit bezwangen die zehn sudauischen Frauen das immerhin reichliche Maß des berauschenden Trunkes. „Ihre Männer aber mußten solches mit beschwertem Gemüt von ferne anschauen, Darüber erhob sich nicht wenig Freude mit seltsamem Tanzen, Singen und Entblößung ihrer Haare, die sie gleich den Ohren abgeschnitten und trieben auch sonst allerlei wunderliche Possen.“

Daß dieses merkwürdige Geschehnis für das besagte Fest ein improvisiertes Einzelereignis darstellt, kann man nicht annehmen. Dafür hat es eine zu bestimmte Form und Gestalt mit augenscheinlich feststehenden Einzelbegebenheiten. Nach dem Bericht vollzog sich die Vorführung in folgenden Stufen: Zunächst wurde getrunken, um in „Stimmung“ zu kommen, dann erst begann ein seltsames Tanzen. Ob dieses von dem erwähnten Gesang begleitet oder ob das Singen ein besonderer Teil der Aufführung war, steht dahin. „Allerlei wunderliche Possen“ wurden außerdem getrieben, und das Ganze spielte sich in ausgelassenem Frohsinn ab, was bei der Menge des genossenen Bieres verständlich erscheint. Bemerkenswert sind noch zwei weitere Erwähnungen: Die Männer der Weiber schauen von ferne zu und die Weiber entblößten ihre Haare.

Wir dürfen feststellen, daß es sich um einen reinen Weibertanz und Gesang im berauschten Zustand mit teilweiser Entblößung und allerlei Possen handelte. Nach allem kann man auf das Brauchtum im altpreußisch-sudauischen Volke schließen, das eine traditionelle Weiberfeier in einigen wesentlichen Zügen widerspiegelt. Daß ein solches Verhältnis wirklich vorliegt, beweisen die Weiberfeste, die noch heute im Ostbaltikum in Übung sind.

Solche Feiern sind nach Loorits aus der Gegend um den Peipus-See an den Ufern des Narva-Flusses und ferner südlich des Peipus-Sees im Kreis Petschus bei den dort lebenden Russen bekannt. Aber auch bei den estnischen, griechisch-orthodoxen Setukesen, steht der Brauch in voller Blüte; in Lettland dagegen sind nur noch spuren davon erhalten. Eine wie große Verbreitung das Fest sicherlich im übrigen Rußland haben mag, dafür zeugt die Erwähnung der Feier für den Kaukasus und die Gegend von Saratov an der Wolga.

„Dieses Fest gehört nicht zu jenen, die überall an denselben Tag gebunden sind, sondern die Zeit der Feier ändert sich je nach Dorf oder Landstrich und hängt von örtlich bedingten Umständen ab“. Erwähnt werden als Tage der Begehung des Weiberfestes der St. Georgtag (23. April), der Eliastag, der Blasiustag (11. Februar), vornehmlich die Woche vor der Fastenzeit zu den großen Fasten. Gewöhnlich findet die Feier nur einmal im Jahre statt. „In einigen Dörfern wird das Weiberfest sogar mehrere Male im Jahr gefeiert, wenigstens einmal im Winter zur Weihnachts- oder Fastnachtszeit und ein zweites Mal im Sommer“.

Als Ort der Festfreude wird das Wohnhaus eines Gehöftes gewählt. Man tritt aber auch in die Öffentlichkeit hinaus und tollt sich auf der Dorfstraße, ja auch im Nachbardorf aus. „Als Festhaus werden meist größere Häuser ausersehen. Ist im Dorf ein verwitwetes Weib und hat dieses ein größeres Haus, dann wird dort meistens alle Jahre das Fest oder der Weiberkirmes begangen“. Es kommt auch vor, daß jährlich der Ort der Feier wechselt.

In manchen Berichten wird die Persönlichkeit einer Festleiterin hervorgehoben; es ist dies „die Älteste“ –mitunter ist sie noch jung an Jahren- in deren Haus das Fest abgehalten wird. Sie organisiert die Vorbereitungen, insbesondere die Sammlungen, und sieht zu, daß beim Fest alles in Ordnung vor sich geht, vornehmlich, daß jede Festteilnehmerin nicht zu kurz im Essen und Trinken kommt; sie selber trinkt nicht viel. Ihr zur Seite stehen gewöhnlich zwei „Ausrichterinnen“, „Vertrauensweiber“, welche die Getränke und Speisen von den Dorfbewohnern besorgen.

Das Weiberfest beginnt mit dem Sammelgang. „Das ältere Weib ersieht sich dann noch zwei oder drei Weiber, und sie gehen im Dorf sammeln. Ein Tuch wird schön an eine lange Stange gelegt, daraus wird die Fahne. In die Hand wird eine Glocke genommen, mit der geklingelt wird. Unterwegs wird auch gescherzt. Kommt man im hof eines Gehöftes an, dann wird geklingelt und Pferdewiehern nachgeahmt, als ob man mit einem richtigen Pferde gefahren sei“. Ein anderer Bericht: „Zu allererst, wenn die erste Versammlung abgehalten werden soll, dann ziehen sich einige unternehmendere Weiber umgewendete Pelze an, hängen sich Halsglocken um den Hals, nehmen Ofenbesen und –krücken in die Hand, manche zieht sich auch noch Hosen an, und so fangen sie an, die Weiber zusammenzubringen“. Oder: „Das Fest beginnt damit, daß ein Weib sich das Gesicht mit Ruß verschmiert, einen Pelz verkehrt anzieht, eine große Deichselglocke in die Hand nimmt, und beginnt die Gehöfte des Dorfes durchzugehen und die Weiber zum Fest zu läuten“. „Manchmal haben etliche Weiber sich als Bettler verkleidet, sich Hosenlumpen angezogen, einen Stecken in die Hand genommen und einen alten zerlumpten Sack auf die Schulter, und so sind sie ins Dorf betteln gegangen“.

Am Tage des eigentlichen Festes erscheinen die Weiber des Dorfes schön geschmückt. Sie tragen ihre Volkstrachten, „man soll auch Silber um den Hals haben“. In einem Dorf „legen sich die Weiber Putzfedern an die Stirn“. Da es sich um ein ausschließliches Weiberfest handelt, und zwar nur um ein solches verheirateter Frauen, bestehen strenge Regeln für die Abhaltung des Festes. Männer nehmen an der eigentlichen Festfreude nicht teil. „Die Männer“, heißt es, „hüten zu Hause die Kinder“. Oder: „Die Männer sehen sich natürlich den Spaß aus ehrerbietiger Entfernung an“. „Männer werden von den Weibern nicht mitgenommen außer einem Spielmann. Zusehen lassen sie freilich auch Männer wie Burschen des Dorfes und die Mädchen geben allen Schnaps und Bier“. „Desgleichen wurde es alten Jungfern nicht gestattet, den Festraum auch nur mit dem Fuß zu betreten“. Dasselbe gilt für lettländischen Brauch.

Ursprünglich wird sich wohl das Weiberfest vollständig im Geheimen abgespielt haben. Dafür zeugt der Bericht über die Feier eines Dorfes; „Was auf dem Weiberfeste getrieben wurde und wird, ist den breiteren Massen unbekannt und soll unbekannt bleiben“.

Jungvermählte spielen auf dem Weiberfest eine besondere Rolle, haben bestimmte Pflichten und erhalten besondere Ehrung aus einem Grunde, dessen öfters Erwähnung getan wird: „Nach der Tradition geht auch hier die ´Einsegnung´ der jungen Frauen, die sich im Jahr vorher verheiratet haben, vor sich. Diese werden gar nicht unter die Frauen gerechnet, bevor sie eine dreifache Portion Schnaps und Aether hingelegt haben. Das Fest vollzieht sich zur Begleitung eigenartiger ´Einsegnungsbräuche´, bei denen die junge Frau beweisen muß, daß sie es den alten im Trinken und Tanzen gleich zu tun imstande ist. Die sonst so schamhafte Setukesenfrau wird keck, und im Tanze hebt sich der Rock höher als gewöhnlich“. Oder: „Auch diejenigen Weiber, die das erste Mal mit den Weibern Schnaps trinken, d. h. die Jungvermählten, welche erst in diesem Jahr in die Dorfgemeinde aufgenommen worden sind, bringen allein ein Liter Schnaps, den ´Jungvermähltenschnaps´“. „Die Jungvermählten sind scheu, sie sind zum ersten Mal auf dem Fest. Im zweiten Jahr haben sie schon größere Rechte, und sie werden nicht mehr als Jungvermählte betrachtet, und dann haben sie auch das Recht, alles zu tun“. Von anderen Dörfern heißt es: „Eine Jungvermählte wird geehrt, mit einem Schemel unter Hurrarufen emporgehoben und sofort zur Gesellschaft gezählt.“. „Welche erstmalig zum Weiberfest kamen (die Jungvermählten), wurden unter Hurra hochgehoben, sie aber stellen dafür einen Liter Schnaps“. In einem Dorf muß die Jungvermählte „der Bierverteilerin einen Gürtel geben, einen Gürtel an den Schemel und einen Gürtel auf den Tisch, oder da stellen die Jungvermählten der reicheren Gehöfte Handschuhe“.

Die einzelnen weiteren Begebenheiten des Weiberfestes sind Essen, Trinken, Tanzen, Singen und Possentreiben. Zunächst das Essen: Alles, was von den Dorfgenossen eingesammelt oder was die einzelnen Frauen mitgebracht haben, wird durch die Ordnerin, die Wirtin, unter die Teilnehmerinnen verteilt, so daß niemand zu kurz kommt. Quas und Piroggen (Fleischpasteten) sind Hauptgerichte. Schon vor dem Essen wird getrunken Bier und Schnaps (Aetherschnaps), „damit das Essen besser gehe“. Bier haben die Weiber gewöhnlich eigens zu Fest selbstgebraut. Kennzeichnend für das Fest ist die Unmäßigkeit im Trunke. So heißt es: Bier wird gebraut etwa einen Eimer für jedes Weib“. „Die Weiber nötigen einander um die Wette und da mußt du schon aus Not trinken“. „Nach dem Fest sind die Weiber so krank, daß sie nicht mehr aufzustehen vermögen“. Oder ein anderer Bericht: „Nun feiern sie freilich an manchem Ort das Fest zwei oder gar drei Tage. Am ersten Tag trinken sie, am zweiten gehen sie ´den Kopf heilen´ (= den Kater vertrinken). Da heilen sie nun den Kopf so lange, bis sie wieder berauscht werden... Am dritten Tag gehen die Haupttrinkerinnen für sich dorthin... Bei manchem Weibe brüllt das Vieh vor Hunger, die Wirtin aber steht aufrecht auf einem Faß“.

Es dauert nicht allzulange Zeit, dann erfaßt die Weiber im Rausch toller Taumel und beschwingt heben sie die Beine im Tanze, der mehr einem Hüfen gleicht. Vielfach wird der kleinrussische Kasatschok getanzt. Aber „von allen Tänzen und Hüpfen der beste ist ´Der Setukese´“. „Den ´Setukesen´ tanzen die Weiber etwa in dieser Weise: Sie gehen zu Vieren im Kreise und fangen an; die Tanzschritte sind sehr kurz, eher könntest du sagen, halbe Hüpfer. Ist ein halber Kreis um, dann dreht sich jede auf ihrer Stelle zweimal um, das eine Mal nach der einen Seite, das andere Mal nach der anderen Seite, nur alle in derselben Weise. Und dann geht wiederum das Hüpfen weiter, die Beine erheben sich gleichzeitig eines hinter dem anderen. Aber die Schritte sind kurz und niedrig, dem Geräusch nach geht der Tanz in dieser Weise: Züchka, züchka, züchka... Dieser Tanz hier ist ein Frauentanz, die Mädchen tanzen den ´Setukesen´ wenig oder gar nicht“. „Getanzt wird der ´Setukese´ einfach nach dem Munde“, d. h. man singt dazu.

Man vollführt aber auch noch besondere Scherztänze. Man tanzt das „Großmutter-Dirndl“, „wo alle gebückt im Kreise sind, die Hände unterm Gesäß der vorderen und gesungen wird;´Hatzuch! Hatzuch! Großmutter-Dirndl´“. „Auch tanzen die Weiber dort noch einen Tanz. Das ist so: eine steckt ihren Kopf zwischen den Beinen der anderen hindurch und umfaßt mit den Händen die Beine, diejenige aber, zwischen deren Beinen der Kopf durchgesteckt worden ist, neigt sich über jene und umfaßt mit den Händen deren Gesäß. Dann gehen sie durch das Zimmer: die eine hebt die andere an den Füßen empor, die andere wiederum am Gesäß, dann ist es wie ein Hüpfen“.

In zwei Fischerdörfern am Peipussee begegnet man dem Singspiel folgender Art: „Nach dem Schmaus bilden die Frauen einen bootartigen Kreis, wobei ihre Anführerin quasi den Steuermann darstellt; dabei singen sie Lieder und markieren durch ihre schunkelnden Bewegungen das Schaukel des Bootes“. Oder: „dann fing das Fest an. Die Frauen setzten sich auf der Straße eine der anderen gegenüber, als ob sie eine Boot bildeten und fingen an zu singen“. Was es mit dem Elsterntanz auf sich hat, wird leider nicht berichtet.

An Liedern, die beim Tanz, Spiel und den Gängen durchs Dorf gesungen werden, sind die Weiberfeste nicht arm. Entsprechend dem Grundcharakter der Feier strotzen die meisten Gesänge von Anspielungen oder derbrohen Offenheiten, die sich aufs Geschlechtsleben beziehen. Das in einem Dorf am häufigsten gesungene Lied mag hier folgen:

„Ich war zu einem Fest, zu einem Schwätzlein,
und ich habe dort nicht Honig getrunken und nicht Sirup.
Sondern jungen, süßen Schnaps hab ich getrunken,
süßen Schnaps, alles Kirschenschnaps.
Ich habe nicht aus dem Spitzglas getrunken, nicht aus dem Teeglas.
Ich Junge habe aus dem vollen Eimer getrunken,
aus dem vollen Eimer über dem Rand vom Boden.
Auf den Hof ging ich, habe nicht geschwankt,
ich habe mich an der Schnur der Tür festgehalten.
Du mein Schnürlein, halte du mich, mich arme Trinkerin.
Wenn mich nur das Schwiegerväterlein nicht bemerken
und das Schwiegermütterlein nicht sehen würde.“

Im Rauschtaumel werden auf den Weiberfesten mancherlei Possen getrieben. Man vermummt und verkleidet sich. „Wenn man sich berauscht hat, dann macht man sich zur Königsfrau, zur Komödiantin, man zieht sich Burschenkleider an und tut, was jemand eben noch verstehen mag“. Das ausgelassene Treiben der Frauen richtet sich vornehmlich gegen den Mann, der ihnen begegnet. „Wenn ein Mann mit den Weibern zusammentrifft, dann tun die Weiber hundert Wunder mit dem Mann“. Ihm werden die Hosen heruntergerissen, Schnee in die Hosen getan, das Gesäß mit „Pfeffer gesalbt“ und anderes mehr. Von dem Weiberfest eines Dorfes heißt es: „Sind die Weiber bereits berauscht, dann werden sie toll. Dann darf niemand durchs Dorf gehen. Wenn zufällig ein ´Wilder´ (= Mann aus dem Innern Estlands) oder ein Russe vorüber geht, dann ist die Weiberschar ihm auf dem Buckel. Manche reißen die Männer nieder, manche klettert auf und setzt sich aufs Pferd, und der Mann mag zusehen, wie er davonkommt. Wenn aber irgend ein Heufuder durchzieht, dann wird es einfach umgestoßen. Die Weiberschar zieht durchs Dorf, sie schlagen auf den Schneewehen Purzelbäume, durchwaten alle vorhandenen Wasserlachen und machen dumme Streiche, wie es eben jeder versteht“.

Auf dem Programm des Festes steht zuweilen auch der „Spazierritt“, zu dem die Pferde des ganzen Dorfes hochgemacht werden. Man klettert aufs Pferd, auch wenn es an den Wagen gespannt ist, und jagt davon.

Die Schranken- und Hemmungslosigkeit kennt in einigen Dörfern keine Grenzen. So sagt ein Bericht: „Zur Festzeit kennen die Weiber keine Scham (der Alte verbot, das aufzuschreiben, das sei häßlich, den großen Herren lohne es sich nicht, solch einen Scherz aufzuschreiben“. Oder ebenda: „Manchmal gehen auch etliche Männer hin und geben von sich aus Geld für Getränke, aber das geschieht selten. Jener muß dann den Weibern zu Gefallen sein“.

In verschiedenen Berichten über das russische und estnische Weiberfest ist die Rede von Verkleidungen in Männertracht. Solche kommen innerhalb der eigenen dörflichen Weibergemeinschaft vor. Einen höchst bemerkenswerten Zug hinsichtlich der Burschenverkleidung enthält folgender Bericht: „Ist man schon eine Zeitlang im fremden Dorf gewesen und hat gesungen, dann macht man sich auf den Rückweg. Dann kleiden sich die geleitenden Weiber in Burschenkleider und ziehen sich Pelze mit nach außen gekehrter Fellseite an, der Mund wird mit Ruß verschmiert –wie alte Teufel sehen sie aus- und so wird man unter Singen und Jauchzen abgeschickt“.

Andere Bräuche an solchen Weiberfesten beziehen sich auf Hochzeit und Geburt. So wird „Hochzeit gespielt“, wie ein Bericht aussagt: „Am zweiten Tag verkleiden wir uns, ´feiern Hochzeit´. Wir nehmen eine Droschke (die Frauen spannen sich selbst als Pferde davor), setzen den Bräutigam mit der Braut, Freunde und Freundinnen hinein, und die anderen Frauen gehen hinterher und singen Hochzeitslieder“. Nachgeahmt wird auch das Schwangersein dadurch, daß sich manche als „dickbäuchige Frau“ verkleidet. Andere Gebräuche bewegen sich auf derselben Linie. „Wenn ein Weib keine Kinder hat, fangen die Weiber zu hexen an: Sie bringen jenes Weib ins Schweinelager, und größtenteils ist es auch richtig gegangen: das Weib bekommt ein Kind. Oder manche hat wiederum viele Töchter und will, es solle etwa ein Sohn werden, tun die Weiber dasselbe“. Oder: „Auf einem Weiberfest hat sich die Aufmerksamkeit der betrunkenen Weiber auf eine unfruchtbare Frau konzentriert, die viele Jahre vergeblich auf ein Kind gewartet hatte. Die Hausfrau, als Leiterin des Weiberfestes, hatte zum besten dieser Frau ein langes Beschwörungslied improvisiert, das von der ganzen Gesellschaft im Chor versweise wiederholt und in welchem die Jungfrau Maria angefleht worden war, „die Läden der Frau loszulassen und die Löcher der Frau zu öffnen“. Trunkenen Mutes hatten sie die Frau ganz entkleidet und versucht, ihr Gebrechen zu ´heilen´ ... Und das größte Wunder, daß das einfache Weib bis ins Innerste seiner Seele rührte, war gewesen, daß die Frau im darauffolgenden Jahr schwanger geworden und einem Sohn das Leben geschenkt hatte“. Auch auf folgende Weiseversuchten die Weiber Kindersegen herbei zu locken: „Welch ein Weibe kinderarm ist oder überhaupt keine Kinder hat, so wird diese mitten im Zimmer aufrecht auf einen Schemel gestellt, und die anderen Weiber knien sich alle auf dem Boden nieder und beten zu Gott. Es wird in dieser Weise gesungen, wenn sie auf den Knien sind:

´Gott, gib vier Beine zu Füßen
zwei Köpfe zu Häupten
Ofen hilf! Oberofen, lindere die Not!´

(Fußnote: In der Lagerstätte auf dem Ofen bringen die Frauen alle Kinder zur Welt)

Haben sie ausgebetet, dann wird das Weib mit dem Schemel dreimal emporgehoben... Meistens zieht das Weib natürlich ihre Kleider aus, bevor sie auf den Schemel steigt. So erbittet man unfruchtbaren Weibern Kinder“.

Der Förderung weiblicher Fruchtbarkeit mittels sympathetischer Bräuche dienen auch folgende Sitten: „So sah ich, wie ein Weib den ersten Becher Bier leer trank und den Rest, der im Glase verblieb, auf ihrem Kopf ausklopfte... Ein anderes Weib goß sich vor dem Biertrinken ein wenig auf den Schoß und trank erst dann ihr Glas leer“. Oder: „Manche ziehen sich weiße Kleider an, verkleiden sich als Doktor oder Hebamme und gehen um, vielleicht hat jemand Bauchweh“.

Noch von anderen, oft derben „Scherzen“, die auf den Weiberfesten getrieben werden, erzählen die Berichte, so von der „Hundehochzeit“, oder dem Brauch: „die Sau zum Eber führen“.

Nachdem die einzelnen Begebenheiten des Weiberfestes durchmustert sind, wie sie laut Berichten sich hier und dort noch heute im Baltikum abspielen, kann ein genauer Vergleich mit dem sudauischen Fest- und Tanzspiel angestellt werden. Zunächst darf als gleichlautend mit den baltischen Gepflogenheiten hervorgehoben werden, daß die sudauische Vorführung eine ausschließliche Angelegenheit von verheirateten Frauen war. Die Erwähnung der Männer, die von ferne dem Schauspiel beiwohnten, beweist diese Tatsache zur Genüge. Aber auch „die Entblößung ihrer Haare, die gleich den Ohren abgeschnitten“, zeugt hierfür. Denn nur verheiratete Frauen trugen bei den Sudauern die Haare im Kurzschnitt. Am abend des Hochzeitstages wurde nämlich der Braut nach alter Sitte diese Veränderung vorgenommen: „Wenn die Braut soll zu Bett gehen, im Tantz kommt ihrer Freund einer und schneidet ihr das Haar ab.“ Einen „Bubikopf mit Pagenschnitt“ tragen nach Hussels Angabe in seinen Topogr. Nachrichten II auch alle verheirateten Frauen am Peipussee, vornehmlich im Koddaferschen. Dort wird dem jungen Weibe am Morgen nach der Hochzeitsnacht das Haar abgeschnitten und ihr ein besonderes Band vor die Stirn gebunden. Die Änderung der Haartracht der jungen Frau war, wie die Vergleichung lehrt, eine altindogermanische, ebenso auch wie eine finno-ugrische Sitte, wenn auch nicht immer mit einem Haarschnitt verbunden. Das Mädchen ließ das Haar frei fliegen, in Locken, Zöpfen und dgl. m., der jungen Frau wurde es schlicht gescheitelt und unter ein Tuch, Band, Netz einen Schleier oder eine Haube getan. Auch nach altgermanischer Sitte durfte die verheiratete Frau das Haar nicht lose tragen, sondern mußte die Frauenbinde, „daz gebende“, anlegen. Sie tat es gewöhnlich am Morgen nach der Brautnacht selbst, oder es geschah auch durch die Mutter. Von der Zeremonie der Handlung rührt heute noch die Bezeichnung „unter die Haube kommen“ her. Diese Kopftücher bzw. Hauben hatten sich offensichtlich die sudauischen Weiber abgerissen und dadurch ihre Haare entblößt. Diese teilweise Entblößung scheint unter den baltischen Völkern gerade bei den Gelagen eine Gepflogenheit gewesen zu sein. Das Nationalepos der Esten, Kalewipoeg, überliefert bei der Schilderung der Schmauserei mit dem finnischen Schmied:

„Weiber warfen ihre Hauben
Jungfrauen ihre furcht beiseite“

und weiter

„Weiber ohne Hauben schrieen,
Männer ohne Mützen brüllten“

Auch in den Berichten über das baltische Weiberfest ist mitunter von Entblößung die Rede. So heißt es von den Letten: „Bei diesem Fest habe man manchmal sogar die Kleider abgeworfen“; und von den estnischen Sekutesen: „Die Freiheit in Wort und Tat nimmt im Laufe des Essens und Trinkens immer größere Ausmaße an und schließlich im teilweisen Abwerfen der Kleider ihren Höhepunkt erreicht“.

Ein weiterer Vergleichspunkt: Die zehn sudauischen Frauen trinken, bevor sie Tanz und Possenspiel beginnen, eine Tonne Bier aus, gewiß ein Maß, das hinreichte, um sie in beschwingten Taumel zu versetzen. Bei den Baltischen Weiberfesten liegt dasselbe Verhältnis vor: Mit Tanzen, Singen und Possentreiben beginnt man erst, wenn man Alkohol in reichlichen Mengen genossen und sich so aller Hemmungsgefühle entledigt hat. Daß die altpreußische Frau an Trunkfestigkeit dem Mann nicht nachstand, ja ihn sogar übertraf, dafür liegen Zeugnisse vor. Prätorius sagt in „Preußische Schaubühne“ über die Nadrauer, welche den Sudauern benachbart waren,: „Bei Gelagen können die Weiber insgemein den Trunk mehr vertragen als die Männer“. Oder wenn es von den Gepflogenheiten bei der sudauischen jährlichen Totenfeier heißt: Die Frauen kommen den Männern vor, diese wechseln dann mit jenen ab, „bis sie nicht mehr auf den Füßen stehen können“.

Der Vergleiche mit den baltische Weiberfesten gibt es noch weitere. Wie dort hub unter den sudauischen Weibern im Rauschtaumel des Alkohols ein Singen und Tanzen an und zwar ein „seltsames“. Die Tanzfiguren müssen also von deutschgewohnten abgewichen sein; was liegt näher, als ihnen ähnliche oder gar gleiche zu vermuten, wie sie in den baltischen Frauenfeiern üblich sind.

Gerne hätte man über die „allerlei wunderlichen Possen“, welche die sudauischen Frauen außerdem trieben, etwas Näheres erfahren. Möglicherweise waren sie dem deutschen Augenzeugen unverständlich, da sie als „wunderlich“ bezeichnet werden. Die Mitteilung, daß Possenscherze ein Bestandteil der Vorführung waren, erlaubt es schon, auch hierin ein Ereignis zu sehen, das sich mit gleichen Gepflogenheiten der weiberfeste deckt. Seltsam mögen sie immerhin gewesen sein, zumal für einen nicht eingeweihten Deutschen, der den aus Frauenstimmung erwachsenen und ausschließlich zu Frauengefühlen sprechenden Handlungen fremd gegenüber stehen mußte.

Von weniger Belang ist die Mitteilung, daß die Sudauerinnen geschmückt, also in Festtracht, das Tanzspiel ausführten. Jedoch fügt auch dieser Umstand sich passend in das Gesamtbild ein und vervollständigt die Vergleichspunkte, welche die sudauische Vorführung mit den baltischen Weiberfeiern aufzuweisen hat. Alle Motive bewegen sich damit hier wie dort auf gleichlaufender Linie, soweit der Chronist uns darüber Kenntnis gibt. Es dürfte deshalb kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß das sudauische Tanzspiel, obgleich es auf den ersten Blick als vereinzeltes Tanzereignis erscheinen könnte, trotzdem vom Standpunkt völkerkundlicher Betrachtung aus der Vereinzelung herausgehoben und als ein Geschehnis volkseigenen Charakters gedeutet werden muß, das in Sitte und Brauch begründet einer tieferen Sinngebung zugänglich sein dürfte.

Daß den nordbaltischen Weiberfesten dem Ursprung nach nicht die Bedeutung einer bloßen Orgie zukommt, dürfte nach allem, was wir über Volksbräuche wissen, auf der Hand liegen. Man darf mit Sicherheit annehmen, daß ihnen eine sakrale Handlung zugrunde liegt. In einem bestimmten Motivenkomplex kommt zunächst der geheimbündische Charakter des Festes klar zum Ausdruck. Dieser spiegelt sich wider in der Verschwiegenheit über die Festvorgänge, im Fernsein der Männer und dem Verhalten ihnen gegenüber. In überschäumender Lebenskraft lassen die Frauen ihren Übermut an ihnen in mannigfacher Weise aus, wie es bei Naturvölkern unter gleichen Umständen zu geschehen pflegt. Dort mißhandeln die Mitglieder von Geheimbünden bei ihren Umzügen die Nichteingeweihten. Die Frauen fühlen sich als verschworene Mitglieder einer Kultgemeinde, was eine Entsprechung findet in dem Peko-Geheimkult der estnischen Männer. Auch die Einweihung der Jungvermählten in die Weibergemeinschaft und zwar die Zwangsmäßigkeit dieser Zeremonie zeugt für die geheimbündische Art des Weiberfestes. Das Auftreten der Frauen in Verkleidung darf ebenfalls als ein hierfür kennzeichnendes Motiv gewertet werden.

Der ursprüngliche eigentliche Sinn und Zweck des Weiberfestes lag in der Erlangung der Fruchtbarkeit und somit in der Erfüllung des Lebenszweckes der Frau, der Erhaltung der Familie und Sippe. Ein umfangreicher Motivenbereich zeugt für diese ursprüngliche Bedeutung des Festes.

Ausgeschlossen von der Feier sind nämlich die unverheirateten Mädchen und die alten Jungfern, also weibliche Mitglieder der Dorfgemeinschaft, die für die Familienfortpflanzung unmittelbar nicht in Frage kommen. Beachtung verdient ferner, daß in der Ausgestaltung des Festes Verrichtungen vorliegen, die auf Hochzeit und Geburt Bezug haben; es wird „Hochzeit“ gespielt und "Arzt“ und „Hebamme“ treten auf. Tänze werden dabei unter Absingen pikanter Lieder aufgeführt, die keinen Zweifel darüber lassen, daß es sich bei der Feier des Weiberfestes ursprünglich um Erstrebung der Fruchtbarkeit gehandelt hat. Auch die pikante Behandlung der Männer spricht hierfür, die, wenn sie den Weibern in die Hände fallen, sich völlig ihren Launen unterwerfen müssen und sich nur durch Befriedigung der weiblichen Lüste loskaufen können, was in neuerer Zeit durch einen Geldtribut zum Ankauf von Schnaps abgelöst worden ist. Das sogenannte „Thomasfangen“ bei dem Weiberfest der Kleinrussen in der Nähe von Saratow, das ursprünglich auf einen „Männerfang“ zum Zwecke der Fortpflanzung hinauslief, läßt über den primären Charakter ebenfalls keinen Zweifel.

Im allgemeinen umfaßt der im Unterbewußtsein brodelnde Geschlechtstrieb, wie er sich bei den Frauenfesten äußert, Verrichtungen symbolischer Art, wozu das schon erwähnte Hochzeits- und Geburtszeremoniell gehört. Auch gewisse Bemühungen, um Fruchtbarkeit für sterile Frauen zu erzielen, sind als symbolische Akte, ja als Imitationszauber zu deuten. Wenn sich ferner Frauen als Männer verkleiden und als Repräsentanten der Männerwelt aufzutreten pflegen, dann beruht dieser Brauch wohl auf derselben Vorstellung, wonach man magische Berührung mit dem anderen Geschlecht anstrebte.

Auf Grund der vorher dargelegten Vergleichspunkte darf man auch dem vermuteten sudauischen Fest einen ursprüngliche geheimbündischen Charakter und denselben Sinn und Zweck unterstellen, wie er den nordbaltischen Frauenfeiern innewohnt.

Nunmehr noch ein Wort über den Alkohol. Ihm kam und kommt bei den Weiberfesten eine grundlegende Funktion zu: „im Rausch sah man eine übernatürliche Macht, die durch das gärende Bier oder eine andere Flüssigkeit dämonisch in den menschlichen Körper eindringt und ihn quasi in Besitz nimmt, so daß der Mensch einen ganz neuen Mut und eine ganz neue Kraft in sich fühlt, sich in Worten und Taten spontan ausdrückt und in eine Art von Ekstase gerät. eines solchen von außen kommenden Kraftzuschusses bedurfte es besonders im Winter, wenn zum Frühling die Speisevorräte knapp wurden und eine Zeit des Hungerns (im christlichen Milieu Fasten) begann. Diese Krafterneuerung ging gemeinsam vor sich, um die Potenz der ganzen Dorfgemeinschaft zu heben. So eignete sich der Alkohol als Kraftquelle für das Fruchtbarkeitsfest der Weiber“.

Hochzeitszeremonie der Prußen. (Olaus Magnus Venedig 1565)
 

Quellen:
Tolkemita-Hefte - unter Verwendung folgender Literatur:
.Loorits, Oskar, Das sogenannte Weiberfest bei den Russen und Setukesen in Estland, Sitzungsberichte der Gelehrten Estnischen Gesellschaft 1939;
.Schröder, Die Hochzeitsbräuche der Esten, 1888;
.Hussel, Topographische Nachrichten;
.Prätorius, Preußische Schaubühne, um 1700;
.Schurtz, Altersklassen und Männerbünde;
.M.J. Eisen, Estnische Mythologie – übersetzt von Ed. Erkes, 1925;


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