Wahlrecht nur Makulatur
Viele Auslandsdeutsche wurden von Bundestagswahl ausgeschlossen

Seit der Änderung des Bundeswahlgesetzes im Frühjahr dürfen sich Deutsche im Ausland umfassend und unabhängig von ihrer Meldeadresse an Bundestagswahlen beteiligen (siehe PAZ 35/2013). Allein in Polen betrifft dies rund 150.000 Angehörige der deutschen Volksgruppe, welche die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Zur Teilnahme an der Wahl müssen sie sich in den Konsulaten oder Botschaften der Bundesrepublik in das Wählerverzeichnis eines bundesdeutschen Wahlkreises eintragen lassen, zu dem eine besondere Beziehung glaubhaft gemacht werden muss. Doch die Hoffnung der Deutschen in den Vertreibungsgebieten, zukünftig an der politischen Willensbildung in der Bundesrepublik mitwirken zu können, wurde enttäuscht. Denn die Zulassung als Wähler liegt ganz im Ermessen der deutschen Kreiswahlbehörden. Diese nutzten ihren Ermessensspielraum jedoch überwiegend restriktiv, so dass viele Auslandsdeutsche von der Teilnahme an der Bundestagswahl ausgeschlossen blieben.

Auslandsdeutsche sind wahlberechtigt, wenn sie nach dem vollendeten 14. Lebensjahr mindestens drei Monate ununterbrochen in Deutschland gelebt haben und dieser Aufenthalt nicht länger als 25 Jahre zurückliegt. Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese Regel im Juli 2012 jedoch für nichtig, da es in der Tatsache, dass die Wahlberechtigung von Auslandsdeutschen allein von einem früheren dreimonatigen Aufenthalt in der Bundesrepublik abhängig gemacht werde, eine Verletzung des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl sah. So seien selbst jene wahlberechtigt, die Deutschland bereits im Säug-lingsalter verlassen hätten, während andere, die typischerweise mit den politischen Verhältnissen hierzulande vertraut und von ihnen betroffen seien, weil sie beispielsweise als Grenzgänger in Deutschland arbeiteten, nicht wählen dürften. Daraufhin ergänzte der Gesetzgeber das Bundeswahlgesetz um die letzte Formulierung, so dass Auslandsdeutsche nun auch wählen dürfen, „wenn sie aus anderen Gründen persönlich und unmittelbar mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik vertraut geworden und von ihnen betroffen sind“. Dazu heißt es in den Erläuterungen des Gesetzgebers, die erforderliche Vertrautheit müsse „im Einzelfall persönlich aufgrund eigener Erfahrung und unmittelbar erworben worden sein“. Als eine der Personengruppen, bei denen dies angenommen werden kann, werden Auslandsdeutsche genannt, „die durch ihr Engagement in Verbänden, Parteien und sonstigen Organisationen in erheblichem Umfang am gesellschaftlichen Leben hierzulande teilnehmen“.

Wann diese Kriterien erfüllt sind, legen die Wahlbehörden jedoch ausschließlich selbst fest. So wurde beispielsweise in Gelsenkirchen der Antrag eines in Organisationen der deutschen Volksgruppe besonders engagierten Oberschlesiers zurückgewiesen. Auch Bruno Kosak, einer der führenden politischen Vertreter der Deutschen in Oberschlesien, durfte nicht wählen. Die Mitglieder des deutschen Chors im oberschlesischen Kosel, die eine rege Patenschaft mit der Chorgemeinschaft Papenburg pflegen, scheiterten ebenfalls mit ihrem Antrag. Die Verbände der deutschen Minderheit in Polen fordern eine Nachbesserung des Wahlgesetzes, zumindest aber eine Verordnung des Bundesinnenministeriums, in der eindeutig festgelegt ist, welche Voraussetzungen ausreichen, um unmittelbar und persönlich von den politischen Verhältnissen in Deutschland betroffen und damit wahlberechtigt zu sein. - J.H.

Quelle:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt Ausgabe 43/13, 26.10.2013