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Das Kuratorium Arnau e.V.
berichtet:
Fortschritte in Arnau im Jahre 2009
Wir
haben stets nach dem Grundsatz gearbeitet, die Voraussetzungen für unsere
Tätigkeit sowohl mit der örtlichen Verwaltung als auch mit den Arbeitskräften
vor Ort zu klären. Das ist ein zeit- und auch nervenaufreibendes Unterfangen,
denn oft genug klaffen vertragliche Vereinbarung und örtliche Praxis
auseinander.
Insbesondere beim Einsatz deutscher Handwerker ist die vorherige
Klärung der Arbeitsgenehmigung von ausschlaggebender Bedeutung. Im laufenden
Jahr haben wir uns daher mit der Leitung des Königsberger Denkmalschutzes sehr
intensiv auseinandergesetzt und nach langwierigen Verhandlungen unser Ziel
weitgehend erreicht. Das Denkmalschutzamt wollte nämlich ausschließlich eine
russische Firma für die Arbeiten an der St. Katharinenkirche lizenzieren, die
nach unserer Auffassung zu teuer und auch nicht kompetent genug war. Die
komplizierten Maurerarbeiten im kommenden Jahr und die weiteren
Sicherungsmaßnahmen an den Fresken / Seccos können daher von deutschen Kräften
ausgeführt werden, die wir benennen. Naturgemäß wird dies in Abstimmung mit dem
Königsberger Denkmalschutz sowie mit einer kompetenten Firma für Restaurierung
in St. Petersburg stattfinden.
Zum
Verständnis der Situation muss noch angeführt werden, dass die Kirche seit 2008
Museumsstatus besitzt und durch das Königsberger „Museum für Geschichte und
Kunst“ verwaltet wird. Mit dessen Direktor, Dr. S.A. Jakimov, hat das
„Kuratorium Arnau“ ein sehr gutes Einvernehmen. Geschützt wird der Gesamtkomplex
der Kirche durch einen umlaufenden Wellblechzaun von 1,80 m Höhe und einer
örtlichen Aufsicht. Dadurch werden Vandalismus und Diebstahl verhindert. Der
Status entzieht die Kirche auch dem Anspruch der russisch orthodoxen Kirche,
deren Begehrlichkeit sich sogar auf den Königsberger Dom erstreckt. Damit
wir bei dieser Konstruktion nicht ins Hintertreffen geraten, haben wir sowohl
mit dem Museum als auch mit der Gebietsverwaltung am 18.07.2008 einen auf zehn
Jahre befristeten Vertrag über die Zusammenarbeit abgeschlossen, der uns
explizit als gleichberechtigten Partner anerkennt und uns in allen Fragen
gleichwertiges Mitspracherecht einräumt.
Der offizielle
Status als Museumskirche führt außerdem zu einem erfreulichen touristischen
Zuspruch, denn zahlreiche Broschüren und Faltblätter weisen auf die Möglichkeit
eines Besuches hin und erklären die Bedeutung der Kirche. So konnten wir an
einem Tag im Juli gleich vier Reisebusse mit Besuchergruppen begrüßen.
Erfreulich ist außerdem, dass die Kirche zugleich von vielen interessierten
Einzelpersonen besucht wird. Da wir in diesem Jahr insgesamt mehr als zwei
Monate ortsanwesend waren, konnten wir immer wieder sachkundige Führungen
anbieten. Vordringlich ist jetzt die Erstellung einer neuen
zweisprachigen Informationsbroschüre, denn es wurde laufend danach gefragt.
Im
vergangenen Jahr wurde der nur noch als Ruine vorhandene Nordeingang / Paradies
mit einer riesigen Schutzhaube versehen. Unsere Planung für das laufende Jahr
sah eigentlich vor, mit dem Wiederaufbau des Nordeingangs zu beginnen, aber es
war uns unmöglich, die dafür erforderlichen Mittel aufzuschließen. So
beschäftigten wir uns lediglich mit den umfangreichen planerischen und
logistischen Voraussetzungen. Wir gehen dabei streng nach denkmalsgerechten
Prinzipien vor. So werden z.B. allein 12 verschiedene Typen an Formsteinen
benötigt, um ein historisch sachgerechtes Mauerwerk herzustellen. Die
Herstellung dieser Formsteine ist sehr aufwendig und teuer, und
entsprechend zogen sich die Verhandlungen mit vier Ziegeleien durch das ganze
Jahr hin.
Die Baupause nutzten wir
allerdings, um Statik und Fundament der Nordwand, die uns Sorgen bereitete, zu
prüfen. Hier hatte man von russischer Seite aus bereits einige Rekonstruktionen
vorgenommen, aber wir waren der Ansicht, dass weitere Arbeiten nur nach einer
eingehenden bautechnischen Prüfung vertretbar seien. Die Diagnose fiel zu
unserer Erleichterung positiv aus. Dafür stellten wir jedoch an der Südwand
erhebliche Mängel fest, die im Jahr 2010 beseitigt werden müssen. So sind die
Stützen der südlichen Außenwand (Contreforces) derart marode, daß sie weitgehend
abgetragen und erneuert werden müssen.
Mit Hilfe der „Gemeinschaft
evangelischer Ostpreußen“ (GeO) und der „Ostseebrücke e.V.“ in Kiel haben wir in
diesem Jahr drei Räume in dem Glöcknerhaus käuflich erworben, das der Kirche
unmittelbar benachbart liegt. Wir werden damit der erste Verein mit Sitz in
Deutschland sein, dem nach langem Bemühen der Eintrag in das Königsberger
Grundbuch gelingt. Die Räume sollen zur Unterbringung von Besuchern und zur
Lagerung von Materialien genutzt werden. Auch könnten hier den Bedürfnissen
älterer Besucher nach einer Erfrischung und Ruhe entsprochen werden, so bereits
geschehen bei einer Besuchergruppe aus München. Auch könnten die Räume in
Zukunft als Unterkunft für die Restauratorinnen dienen, die sich mit der
Wiederherstellung der Fresken / Seccos befassen. Fernziel ist die Einrichtung
eines kleinen Museums in diesen Räumen. Hier bleibt in Zukunft noch viel zu tun.
Vom
7.-14. Juli 2009 kam eine Schülergruppe aus Minden zum Arbeitseinsatz nach Arnau.
Fahrt und Aufenthalt wurden durch großzügige Spenden ermöglicht. Ursprünglich
sollte die Gruppe mit ihren Lehrpersonen in
dem drei Kilometer entfernten Fort „Freiherr vom Stein“ untergebracht werden.
Durch anhaltende Regengüsse waren die Räume jedoch feucht geworden, so daß das
Glöcknerhaus als Quartier gewählt wurde, was sich als Glücksfall entpuppte, denn
hier war man vollkommen sein eigener Herr. Da der Mieter jedoch erst einen Tag
vorher ausgezogen war und ein unbeschreibliches Chaos hinterlassen hatte,
mussten die Räume erst mühsam bewohnbar gemacht werden. Dann aber erwiesen sie
sich als ideale Unterbringung, denn man konnte z.B. jeden Morgen bei strahlendem
Sonneschein ein Bad im nahe gelegenen Pregel nehmen und die Mahlzeiten in
der Laube vor dem Haus genießen. Mit ihrem Einsatz zeigten die Schüler, dass die
heutige Jugend wesentlich besser ist als ihr Ruf: Mit Begeisterung reparierten
sie die Fenster, setzten die Drainage wieder in Gang, befreiten die Grabstätte
Theodor von Schöns von Wildwuchs, räumten im Umkreis der Kirche auf und
versuchten, den Friedhof etwas in Ordnung zu bringen. Letzteres war ein
herzbrechendes Vorhaben, denn einige Gräber waren frisch aufgebrochen, und die
Gebeine lagen verstreut herum. Ergänzt wurde die Arbeit durch den Besuch einer
Oberschule in Neuhausen, einen Besuch der Kurischen Nehrung und eine
Stadtführung in Königsberg. Insgesamt war der Einsatz der Schüler ein
anhaltender Lernprozess, den alle ausnahmslos mit Freude durchliefen. Die
Berichte zuhause waren so begeistert, dass sich einige Eltern beim „Kuratorium
Arnau“ bedankten.
Unmittelbar vor Wintereinbruch
wurden von uns die letzten Arbeiten an der Kirche im November 2009 ausgeführt:
Von einer Hebebühne aus wurden die Steine im oberen Bereich der Contreforces
abgetragen und die betreffenden Stellen mit einer dicken Plane eingekleidet.
Nunmehr kann die Kirche geschützt überwintern.
Es sei noch erwähnt, dass auf
unser Insistieren hin das unweit der Kirche gelegene Herrenhaus Preußisch Arnau,
in dem Theodor von Schön bis zu seinem Tode 1856 lebte, unter Denkmalschutz
gestellt wurde. Die Frage der Restaurierung ist noch offen, und wir bemühen uns,
die alten Baupläne in den Archiven aufzufinden.
Wir haben das Projekt Arnau
bisher mit Diplomatie, Verantwortungsbewusstsein und fachlichem Können betrieben
und meinen, die bisherigen Ergebnisse stellen uns kein schlechtes Zeugnis aus.
Wir sind entschlossen, das Vorhaben in diesem Sinne weiterzuführen und freuen
uns über jede Form der Hilfe, nicht zuletzt über die Mitgliedschaft im
„Kuratorium Arnau“.
Auch der Schüleraufenthalt in Arnau soll seine
Fortsetzung finden. Die begeisterten Berichte der Mindener Schüler über ihre
Abenteuer in einer bis dahin unbekannten Welt haben Neugierde und auch Interesse
bei anderen geweckt. Im Sommer werden daher wieder 14 Jugendliche für eine Woche
in drei Räume des Glöcknerhauses einziehen. Unter fachkundiger Anleitung eines
handwerklich ausgebildeten Lehrers werden sie die Räume weiter renovieren und
die Einrichtung eines kleinen Museums vorbereiten.
Inzwischen ist der Kampf um die Kirche in vollem
Gange. Auch wir bringen scharfe Waffen zum Einsatz. Über Verlauf und Ausgang
werden wir Sie ausführlich informieren. Die „Süddeutsche Zeitung” wird ausserdem
in den nächsten Tagen einen detaillierten Bericht von Dr. Bert Hoppe über die
Lage bringen.
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Quelle:
Ein Beitrag von Walter T. Rix, erschienen
in:
Unser schönes Samlan, Samländischer Heimatbrief
der Kreise Fischhausen
und Landkreis Königsberg / Pr.,
186 Folge, 2/2010, Seite 51-54
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