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Antideutscher Affekt lebt In diesem November kulminiert an der Moldau das Projekt „Smireni 2016 Versöhnung“. Das Programm ist ärmlich: zwei Podiumsdiskussionen, ein Konzert, eine Ausstellung. Das war’s zu den Vertreibungen Deutscher, die vor 70 Jahren ihr offizielles Ende fanden: Am 26. Oktober 1946 ging aus Karlsbad der letzte Zug mit vertriebenen Deutschen ab, was hohe Politiker unter Innenminister Václav Nosek mit einem Festakt im Stadttheater würdigten. Der Stalinist Nosek, von dem das Wort überliefert ist: „Slawenhass gehört zur deutschen Natur“, war der eigentliche Scharfmacher der Vertreibungen, die er nun lobte: Sie seien von den „großen Verbündeten“ gebilligt und von internationalen Beobachtern in ihrer Korrektheit kontrolliert worden. Das Werbeplakat der derzeitigen „Versöhnungsshow“ verweist mit einem (erweiterten) historischen Foto auf damalige Realität: Deutsche, Frauen mit kleinem Hakenkreuz auf der Stirn, Männer mit großem auf dem Rücken, warten auf ihre Abschiebung, über ihnen eine Sprechblase „Smireni 2016 Versöhnung“. Zusammenhänge kennt der 1975 geborene und gerade wiedergewählte Präsident der „Versammlung deutscher Vereine in Böhmen, Mähren und Schlesien“, Martin Dzingel: Die deutsche Diskriminierung begann nach Kriegsende mit den Benesch-Dekreten, die „uns eine Kollektivschuld anlasteten“. Benesch pries sie 1947 im Parlament als Freibrief gegen Deutsche: „Die anerkannte Kollektivschuld ermöglichte uns, die Deutschen zu vertreiben und die Vertreibung moralisch damit zu begründen, dass Sudetendeutsche ein Verbrechervolk sind und zu Recht für alle Zukunft aus unserem Land ausgesiedelt werden.“ Was Deutschen dann geschah, haben Historiker wie Tomás Stanek (1996) und Katerina Nova (2012) dokumentiert: „wilde“ Vertreibungen 1945: 766.049; „organisierte“ Vertreibungen 1946: 2.165.135; getötete Deutsche: 250.000; verbliebene Deutsche: 300.000. Letztere mussten ab 1953 20 Prozent Sondersteuern zur „Erneuerung der Tschechoslowakei“ zahlen und ihren Besitz abgeben. Ab 1968 konnten sie „gegen Zahlung Zehntausender Kronen ihre Ausreise beantragen“. Damit kein Deutscher zurückkäme, ließ die Regierung 34.000 leer stehende deutsche Häuser und hunderte Ortschaften niederwalzen. Die Nosek-Benesch-Sicht der Vertreibungen gefällt den meisten Tschechen auch nach 70 Jahren noch. Im Mai 2015 erkundete eine Repräsentativumfrage ihre Denkweise: keine Eigentumsrückgabe an Deutsche (82 Prozent), Vertreibung war unvermeidlich (70 Prozent) und gerecht (61 Prozent), Entschuldigung bei Deutschen unnötig (66 Prozent). Da gibt es wenig zu versöhnen, weiß Dzingel. Sein 1992 gegründeter loser Bund von 23 Vereinen und zehn Begegnungsstätten wird fälschlich oft als Vertretung der Deutschen angesehen. Anders als Deutsche in der Slowakei, Polen oder Rumänien haben die noch 19687 Deutschen (2014) in Tschechien, der Rest von einst 3,5 Millionen, keinen Status als „Minderheit“, ihr Bund wird zu 70 Prozent von Berlin finanziert. Anderes wie in Prag die ausgezeichnete „Grundschule für deutsch-tschechische Verständigung“ samt „Thomas-Mann-Gymnasium“ sind Eigenleistung „der deutschen Minderheit“. Der antideutsche Affekt der Tschechen ist selbstschädigend verfestigt: 8.000 deutsche Firmen in Tschechien suchen vergeblich deutschkundige Arbeitskräfte, 700 deutsche Stipendien stehen bereit, 88 Millionen EU-Bürger sprechen Deutsch, die meistgesprochene Sprache in der EU – alles uninteressant für tschechische „Patrioten“. 800 Jahre Koexistenz sind verdrängt, selbst deutsche Mitbürger verdienen keine Entschädigung erlittenen Unrechts. Sie waren „nie gleichberechtigt, sind es bis heute nicht“, weiß Dzingel. Auf 1.277 Kilometer grenzt Tschechien an
deutschsprachige Länder, die besorgt den Zerfall der dank Textil- und
Glasindustrie einst reichen Region verfolgen. Sie wird menschenleerer, die
Arbeitslosigkeit ist um ein Viertel höher, das Bildungsniveau niedriger als
anderswo. Nur bei Kriminalität und Wahlvoten für Kommunisten, die antideutsche
Feindbilder propagieren, liegt sie vorn.
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