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"Man kann nicht ständig auf einem
Buhmann eine Politik aufbauen"
Publizistin Hirsch zur deutsch-polnischen Annäherung
Moderation: Jürgen König
Die Publizistin und Polen-Expertin Helga Hirsch hat die die Beilegung
des Streits zwischen Deutschland und Polen über das Zentrum gegen Vertreibungen
als "wunderbaren Kompromiss" bewertet. Die Einigung sei für beide Seiten positiv,
sagte Hirsch.
Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Gespräch.
Jürgen König: Es wurde gestern gesagt, der Name Erika
Steinbach habe bei den Gesprächen in Warschau keine Rolle gespielt. Das kann man
sich gar nicht vorstellen, wenn man bedenkt, wie schlecht gelitten der Name Erika
Steinbach in Polen war und vermutlich auch noch ist. Glauben Sie das?
Hirsch: Ich denke, dass der Name tatsächlich nicht
gefallen ist. Und ich denke, dass es auf der Einsicht beruht, man kann nicht ständig
auf einem Buhmann eine Politik aufbauen. Irgendwann ist Schluss. Also irgendwann
muss man wieder auf die Fakten sich beziehen und zu einem Kompromiss kommen, der
für beide tragbar ist. Ich denke, in diesem Streit, der ja nun sieben Jahre gedauert
hat, im Jahre 2000 wurde das Zentrum gegen Vertreibung gegründet. Dann war 2005
als Konkurrenz das sogenannte Netzwerk in Warschau gegründet, was nie funktioniert
hat und jetzt, wie gesagt, kommt es erst nach sieben Jahren zur Einigung. Aber was
es gebracht hat, glaube ich, dass wir beide die Wahrnehmung vom anderen geändert
haben, denn für die Polen war es schwer zu akzeptieren, dass sich die Deutschen
sich als Opfer sehen werden, ohne die Polen als Opfer zu sehen.
Und ich meine, das müssen wir schon selbstkritisch annehmen, wir haben zwar in unserer
ganzen Selbstreflexion und auch in der Selbstkritik es gelernt, den Holocaust als
negativen Gründungsmythos sogar zu akzeptieren. Aber die anderen Nationen, die gelitten
haben, und dazu ist Polen die erste, die am meisten gelitten hat, wenn man es im
Verhältnis zur Bevölkerungszahl sieht, haben wir als Opfer nicht wahrgenommen. Und
Sie werden sich erinnern: Das ist nun schon ein berühmtes Beispiel: Wenn der deutsche
Staatspräsident den Warschauer Aufstand und den Aufstand im Ghetto miteinander verwechselt,
dann war das für die Polen bitter.
Und was jetzt aber ausgemacht ist, und insofern finde ich das sehr schön, die Deutschen
werden sich beteiligen an der Restauration der Westerplatte, wo der Krieg ausgebrochen
ist, und im Jahre 2009, wenn der 70. Jahrestag des Kriegsausbruchs ist, soll da
eine Feierlichkeit schon unter diesen neuen Bedingungen stattfinden. Und die Deutschen
werden sich auch beteiligen an dem Museum, was nun geplant ist, auf dem Werftgelände
in Danzig. Das ist natürlich ein schöner historischer Ort, wahrscheinlich gleich
neben dem künftigen Solidarnosc-Museum - ein Museum über Kriege und Frieden im 20.
Jahrhundert.
König: Glauben Sie, dass in der polnischen Bevölkerung
auch schon ein Gefühl dafür da ist oder die Erkenntnis durchdringt, dass wir Deutschen
die Polen, wie Sie es eben geschildert haben, auch als Opfer wahrnehmen können inzwischen?
Hirsch: Es gibt ganz deutliche Unterschiede in Polen.
Und zwar durch die vielen Kontakte in den ehemals deutschen Ostgebieten. Durch die
vielen Reisen von Vertriebenen ist da über Jahrzehnte, denke ich, ein Vertrauen
und auch ein Wissen gewachsen auf beiden Seiten. Auch die Deutschen haben da gesehen,
dass Polen aus Ostpolen vertrieben worden sind. Und das Bezeichnende ist, und das
fand ich sehr ermutigend, die ganze politische Kampagne von Jaroslaw Kaczynski als
Regierungschef, die ja sehr antideutsch war, hat in diesen Gebieten keine Folgen
gezeigt. (…)
Das vollständige Gespräch mit Helga Hirsch können Sie
als MP3-Audio nachhören.
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