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Kein Ende der Debatte Mit Skepsis haben viele Konservative und auch diese
Zeitung die Tätigkeit der Historikerkommission der Stadt Dresden verfolgt, die mehr
Klarheit in die seit Jahrzehnten umstrittene Frage der Opferzahl bei der Zerstörung
der Stadt im Februar 1945 bringen sollte. Doch das Ergebnis enthält positive Überraschungen. Auch der Hinweis im Abschlussbericht der Kommission, dass von etwa 17.000 in Dresden stationierten deutschen Soldaten nur etwa 100 zu Tode kamen, spricht eine deutliche Sprache: 99,6 Prozent der Opfer waren Zivilisten, Nichtdeutsche aus fast 20 Nationen, vor allem Zwangsarbeiter und (auch britische!) Kriegsgefangene waren darunter. Auch die neue Arbeit kann die Debatte um die Opferzahl in Dresden nicht abschließen – dies würde auch dem Prinzip der wissenschaftlichen Forschung widersprechen, die immer offen für neue Argumente und Schlussfolgerungen sein muss. Und doch hat die Kommission eindrucksvolle und nachprüfbare Argumente zur Klärung vorgetragen. Beispielsweise steht nun fest, dass viele Kilometer Akten über die Bewältigung des katastrophalen Luftangriffes erhalten geblieben sind und dass die schwer getroffene Verwaltung der Stadt, wenn auch unter Schwierigkeiten, nach der Zerstörung Dresdens im Prinzip weiter funktionierte.
in Beispiel: Die Verbrennung Tausender geborgener Leichen auf dem Dresdner Altmarkt ab dem 25. Februar 1945, abgebildet auf der Seite 1 dieser Zeitung vom 13.02.2010, ist eine unbestreitbare Tatsache. Wahr ist aber auch, dass diese Toten zuvor gezählt wurden, die Asche von genau 6.865 auf dem Altmarkt Eingeäscherten wurde am 5. März auf dem Dresdner Heidefriedhof bestattet. Durchaus wurde versucht, die Getöteten vorher zu identifizieren. Auch bei schwer verbrannten Leichen gelang dies oft, denn man kannte ja ihren Bergungsort, konnte mit Vermisstenmeldungen vergleichen. Überzeugend sind die Vergleiche des Angriffs auf Dresden mit den anderen besonders mörderischen Flächenbombardements deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg, insbesondere denen auf Hamburg, Darmstadt und Pforzheim, wo ebenfalls Feuerstürme entfacht wurden, in denen jeweils deutlich über 10.000 Menschen starben (siehe unten). Offen bleiben zwei alte Streitthemen. Wurde Dresden nach dem Luftangriff noch von Tieffliegern heimgesucht? Hier erklärt die Kommission, dass (angeblich) weder britische noch deutsche Quellen entsprechende „Einflüge“ erwähnen, konzediert aber eine große Zahl gegenteiliger Zeitzeugenberichte insbesondere für den 14. Februar. Höchst unsicher bleibt zweitens die Frage, wie viele Ostflüchtlinge sich am Tag des Angriffs im Stadtgebiet aufhielten und im Inferno des Luftangriffs starben (siehe unten). Ein Schwerpunkt der Kommission war die namentliche
Erfassung der Getöteten und Vermissten. Nun sind immerhin 24.900 Tote der insgesamt
acht Luftangriffe auf Dresden namentlich registriert. Licht und Schatten Zu den überzeugendsten Ergebnissen der Dresdner
Kommission gehören die für jederman im Internet abrufbaren Stadtpläne mit der
genauen Lokalisierung der Bergungsorte der Luftkriegstoten. Dass solche Karten
überhaupt erstellt werden konnten, belegt, dass die geborgenen Opfer eben doch
nicht ohne Weiteres bestattet oder eingeäschert wurden, sondern akribisch und
zum Teil sogar mehrfach registriert wurden. Die entsprechenden Akten sind
erhalten und die daraus erstellten Karten entsprechen plausibel dem jeweiligen
Zerstörungsgrad, vor allem aber der Bebauungsart der entsprechenden Stadtteile:
In geschlossen bebauten Vierteln waren die Verluste maximal, in offen bebauten
waren sie selbst dann weit geringer, wenn diese dennoch komplett zerstört
wurden. Weniger überzeugend erscheinen die Ergebnisse bei der alten Streitfrage,
wie viele Ostflüchtlinge (fast ausnahmslos Niederschlesier) sich am 13. Februar
1945 in der Stadt aufgehalten haben. Eine auch nur annähernde Feststellung
„erwies sich als unmöglich“, so die Kommission, weil entsprechende Unterlagen
nicht erhalten seien. Die Historiker schätzen dann eine weite Spanne von einigen
Zehntausend bis maximal 200.000, wobei Zeitzeugenberichte durchweg von einer
„sehr geringen“ Zahl an Flüchtlingen im jeweiligen Wohnumfeld sprächen. Hier ist
ein Fragezeichen angebracht, weil die Kommission Zeitzeugenberichten in einem
anderen Streitpunkt − den Tieffliegerangriffen − weit weniger glauben wollte.
Insgesamt sei maximal eine „niedrig vierstellige Zahl“ an Flüchtlingen in der
Stadt umgekommen. Hier ist die Unsicherheit aber erkennbar groß, obwohl die
Kommission die beste Quelle für diese Frage, die Unterlagen der Heimatortskartei
für Schlesien, genutzt hat. - K.B. Wirkung von
Feuerstürmen Die gezielte Entfachung von Feuerstürmen war ein Eckpfeiler der britischen Luftkriegsstrategie im Zweiten Weltkrieg. Schon bald merkte der verantwortliche Oberkommandierende Arthur Harris, dass die Herbeiführung von Bränden Luftangriffe weit zerstörerischer werden ließ als das bloße Abwerfen von Sprengbomben. Die mörderische Strategie, die selbst den Amerikanern lange missfiel, wurde erstmals im März 1942 in Lübeck angewendet und danach laufend verfeinert, etwa durch die immer perfektere Mischung von Brand- und Sprengbomben. Der „Idealfall“ im Kalkül der britischen Strategen war die Entfachung eines Feuersturms, also eines so starken Stadtbrandes, dass ein konzentrischer Orkan entstand, der dem Feuer von allen Seiten her Sauerstoff zuführte und ihn dadurch verstärkte. Physikalisch handelt es sich dabei um den bekannten Kamineffekt mit positiver Rückkopplung zwischen aufsteigender und nachströmender Luft. Allerdings erfordert die Entfachung von Feuerstürmen viele Voraussetzungen und „gelang“ den Briten im gesamten Luftkrieg gegen deutsche Städte trotz aller Mühe nur gut zwei Dutzend Mal, darunter am 29. August 1944 in Königsberg. Im Hundertfach angegriffenen Berlin mit seiner eher lockeren Bebauung entstand dagegen nur einmal ein Feuersturm. Um die mörderische Wirkung noch zu steigern, verwendeten die Briten Sprengbomben mit Zeitzündern. Letzteres zwang die Menschen nach Ende der Angriffe noch etwa eine halbe Stunde im Schutzraum zu verbleiben, um nicht von Splittern zerfetzt zu werden. Der Clou: Wenn anschließend die Einzelbrände sich zu möglichst starken Großbränden oder gar einem Feuersturm vereinigt hatten, drohte den Menschen, die nun die Keller verlassen mussten, weil ihnen der Sauerstoff ausging, der Tod in den Flammen. Die diabolische Grausamkeit dieser Art der Kriegsführung, die übrigens bereits gegen das damalige Völkerrecht, insbesondere gegen die Martenssche Klausel verstieß, hat allerdings auch zu Irrtümern über Feuerstürme geführt. So existiert die Vorstellung, dass im Keller unter einem Feuersturm kein Überleben möglich gewesen wäre, weil zu hohe Temperaturen, Sauerstoffmangel oder absinkendes Kohlendioxid dies nicht zugelassen hätten. Alle diese Faktoren haben in der Tat Zigtausende
Menschen getötet, deren Keller oder Schutzraum den Bomben standhielt. Und doch
haben selbst unter den schlimmsten Feuerstürmen die meisten Menschen im Keller
überlebt. Der schwerste Luftangriff auf eine deutsche Stadt war neben dem auf
Dresden die Zerstörung Hamburgs Ende Juli 1943. Von den bis zu 45.000
Luftkriegstoten der Hansestadt starben allein etwa 30.000 in der Nacht vom 27.
auf den 28. Juli 1943, als weite Teile der Stadt (mit Zentrum östlich und
südöstlich der Innenstadt) im Feuersturm untergingen. Allerdings lebten in den
verwüsteten Stadtteilen über 400.000 Menschen, die weitaus meisten haben also
doch überlebt. - K.B.
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