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Debatte um Ostpreußen-Angebot Der ehemalige sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow hat bestritten, dass die sowjetische Führung im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands die Rückgabe des Königsberger Gebietes angeboten habe. Damit reagierte er auf einen entsprechenden Bericht des „Spiegel“ vom 21. Mai. Der sowjetischen Führung werde damit etwas zugeschrieben, „an was sie niemals gedacht hat“, erklärte Gorbatschow nun. Er wollte aber nicht ausschließen, dass der im „Spiegel“ als Mittelsmann erwähnte Generalmajor Geli Batenin im Auftrag seiner politischen Gegner aktiv geworden sei, um später ihn „zu beschuldigen, dass er angeblich die Interessen Russlands verrate“, sagte der Friedensnobelpreisträger und machte sich damit die vom „Spiegel“ selbst angebotene Deutung für die (als solche offenbar nicht zu bestreitende) Gesprächsanfrage Batenins zu eigen. Batenin selbst kann man nicht mehr befragen, er ist seit einigen Jahren tot. Zur Zeit der 2+4-Verhandlungen habe er keinen engen Kontakt zur Sowjetführung gehabt und daher auch nicht für sie sprechen können, so Gorbatschow. Die Wortmeldung ist insofern ernst zu nehmen, als Gorbatschow in einer anderen großen Streitfrage über die Wiedervereinigung keine Scheu hatte, gegen die nahezu geschlossene Meinung der politischen Klasse in Berlin Position zu beziehen: Als die Regierung Kohl noch landauf landab erklärte, Moskau habe die „Unumkehrbarkeit“ der Enteignungen der Jahre 1945 bis 1949 in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone zur Bedingung der deutschen Einheit gemacht, widersprach Gorbatschow klar und öffentlich. Nimmt man allerdings die jetzige Wortmeldung unter die Lupe, so fällt auf, dass Michail Gorbatschow hier etwas dementiert, was gar nicht behauptet worden ist. Laut „Spiegel“ hat Batenin nämlich nicht die „Rückgabe“ des Gebiets angeboten, sondern Verhandlungen über deren Zukunft gesucht. Auch die der Landsmannschaft Ostpreußen bekannt gewordenen Sondierungen aus Moskau über Ostpreußen hatten einen Verkauf gegen eine hohe Summe, nicht aber eine Rückgabe des Landes zum Gegenstand. Das vom „Spiegel“ 1999 eher beiläufig vermeldete Rückkauf-Angebot aus der Regierungszeit von Boris Jelzin ist von diesem „Dementi“ Gorbatschows ohnehin nicht berührt (siehe auch Kommentar). Schönes Dementi Von dem englischen Autor John B. Priestley stammt das Bonmot „Unter einem Dementi versteht man in der Diplomatie die verneinende Bestätigung einer Nachricht, die bisher lediglich ein Gerücht gewesen ist.“ Eben daran erinnert nun die Wortmeldung Michail Gorbatschows, seine Regierung habe keineswegs die Rückgabe des Königsberger Gebietes erwogen. Wäre am entsprechenden „Spiegel“-Bericht Ende Mai wirklich nichts dran, dann hätte ein politischer Profi wie Gorbatschow wohl auf jede Stellungnahme verzichtet. Noch bemerkenswerter ist, dass das „Dementi“ haarscharf an der Behauptung vorbeizielte. Laut „Spiegel“ wollte Moskau damals Verhandlungen über die Zukunft der Region, und Gorbatschow betont, seine Regierung habe an eine Rückgabe „niemals gedacht“. Ein klassisches „Priestley-Dementi“! Überzeugend erscheint die Deutung der russischen „Nesawissimaja Gaseta“: Moskau sei es 1990 vor allem um die Maximierung der deutschen Kredite und Zahlungen gegangen. Von daher sei es „nicht ausgeschlossen, dass Teile der Moskauer Führung Verhandlungen über die Rückgabe zumindest als Testballon wagen wollten“, so das Blatt. In dieser Zeitung war eben das schon im Jahre 1991 zu lesen.
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