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 Unfreiwillige Nicht-Wähler 
Deutsche Behörden 
verhindern Teilnahme deutscher Minderheit in Polen an Bundestagswahl 
Von Sabine Adler 
 Im 
vorigen Jahr hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Deutsche im 
Ausland dann wählen dürfen, wenn sie nachweisen können, dass sie mit den 
politischen Verhältnissen in Deutschland vertraut und davon betroffen sind. Das 
klingt nicht nur nach Behördenermessen - das ist es auch, wie zwei Beispiele 
zeigen. 
Angehörige der deutschen Minderheit in Polen 
machen in diesen Tagen eine unerwartete Erfahrung: Die deutsche Bürokratie 
erweist sich als unberechenbar. Das neue Bundeswahlgesetz erlaubt Deutschen im 
Ausland an der Bundestagswahl teilzunehmen, wenn sie mindestens drei Monate in 
Deutschland gelebt haben, was aber nicht länger als 25 Jahre her sein darf, oder 
wenn sie nachweisen können, persönlich und unmittelbar mit den politischen 
Verhältnissen in Deutschland vertraut und von ihnen betroffen zu sein. Dieser 
Absatz 2 im Paragrafen 12 ist neu und hat bei der deutschen Minderheit in Polen 
Hoffnungen geweckt. Die wurden, jedenfalls teilweise enttäuscht, sagt Lukasz 
Bily vom Dachverband der deutschen Minderheit: 
 
"Ich weiß von über 200 abgelehnte Anträge aus 
Kedzierzyn-Kozle, [Kandrzin-Cosel - Oppeln] 
ich weiß von sehr vielen Ablehnungen von dem Kreis Groß Strehlitz. Die genaue 
Anzahl kann ich nicht sagen, aber bis zu 1.000 könnte man schätzen." 
 
Von den rund 300.000 bis 400.000 deutschstämmigen Polen besitzen rund 150.000 
die deutsche Staatsbürgerschaft. Wie viele genau erstmals an der Bundestagswahl 
teilnehmen wollten, ist nicht bekannt, mancherorts haben sie aber offenbar in 
Gruppen Anträge gestellt auf die Aufnahme ins Wählerverzeichnis. In Papenburg in 
Niedersachsen gingen gleich 200 gleichlautende Schreiben ein. Das stieß den 
Behörden auf. Ihr Sprecher Heiko Abbas: 
 
"Wir haben diese Anträge in einem großen Paket 
Anfang August zugeschickt bekommen von einer Adresse aus Fulda. Die Anträge 
waren in ihrer Art alle baugleich sozusagen, also der Antragstext war jeweils 
identisch und dann nur noch unterschrieben von den jeweiligen Antragstellern." 
 
Derart standardisiert um die Registrierung für die Wahl zu bitten, fand man in 
der Stadtverwaltung wenig überzeugend, noch weniger offenbar, wie die 
Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen begründet wurde. Nämlich mit der 
Patenschaft, die der polnische Chor Kosel in Oberschlesien mit der 
Chorgemeinschaft Papenburg unterhält. Zu wenig, um an der Bundestagswahl 
teilzunehmen, befand man in Papenburg. Heiko Abbas: 
 
"Diese Begründung haben wir angezweifelt und auch 
nicht als tragfähig erachtet, um tatsächlich auch eine Eintragung ins 
Wählerverzeichnis zu genehmigen. Mit der Begründung, dass wir die Begründung 
nicht für tragfähig halten, dass dieser Chor, diese Chorgemeinschaft, dieser 
Austausch, den es hier gibt, eine politische Betroffenheit und auch die 
Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen hier im Wahlkreis darlegt, haben 
wir das zurückgesandt und gesagt: 'Tut uns leid, das können wir nicht 
genehmigen.' Daraufhin gab es einen Einspruch von einzelnen beim 
Kreiswahlleiter." 
 
Die Mitglieder eines Chors aus Groß Strehlitz, ebenfalls in Schlesien, machten 
genau entgegengesetzte Erfahrungen. Sie wollten sich in Bad Blankenburg in 
Thüringen registrieren lassen und hatten Glück. Als ein Chormitglied nach der 
anfänglichen Ablehnung Beschwerde einlegte, wurden alle 30 - auch fast identisch 
verfassten - Anträge vom Kreiswahlleiter positiv beschieden, denn ihm hatte der 
rege Austausch mit dem Partnerchor in Bad Blankenburg imponiert, vor allem aber, 
dass der polnische Chor mit Mitteln des Bundesinnenministeriums finanziert wird. 
Zwei so unterschiedliche Ergebnisse sind für den Sprecher vom Dachverband der 
deutschen Minderheit in Polen Beweis dafür, dass das Wahlgesetz nachgebessert 
werden muss. Lukasz Bily: 
 
"Für eine Gemeinde kann zum Beispiel nur die 
Tatsache, dass ich Verwandte habe in Deutschland schon der Beweis der 
Betroffenheit von den politischen Verhältnissen in Deutschland sein. Für die 
andere Gemeinde ist das zu wenig. Das ist eben das Problem, dass jede Gemeinde 
für sich entscheiden kann. Diese Regelung ist neu, diese abgelehnten Anträge 
sind wichtig, weil man anhand dessen mit der deutschen Regierung sprechen kann, 
damit man in vier Jahren für die nächsten Bundestagswahlen noch mal das 
Wahlgesetz ändern kann, weil man sieht, dass es nicht hundertprozentig gut 
funktioniert." 
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