Vier Monate vor
Unterzeichnung des 2+4-Vertrags: Dietrich Genscher, Helmut Kohl und Michail Gorbatschow (v.l.) im Juli 1990 in Moskau. - Quelle: picture alliance / AP |
Deutsche Wiedervereinigung
Als die Bundesrepublik und die DDR gemeinsam mit den Siegermächten die Wiedervereinigung verhandelten, ließen die Beteiligten das Thema Entschädigungen aus
– ein diplomatischer Erfolg Helmut Kohls.Oftmals ist das, was Verträge unerwähnt lassen, wichtiger als das, was sie sagen. So ist es mit dem Dokument, das als Zwei-plus-vier-Abkommen in die Geschichte einging. Es war kein Friedensvertrag im klassischen Sinne, sondern nannte sich
„Die internationale Regelung der deutschen Einheit“, auf Englisch „Treaty on the final Settlement with respect to Germany“. Sparsamer konnte man mit Worten nicht umgehen.Das aber hatte gute Gründe, vor allem die Abneigung der am Zwei-plus-vier-Prozess Beteiligten, Verhandlungen ins Uferlose auszudehnen, während in der realen Welt jeden Tag neue, krisenhafte Tatsachen entstanden und überdies niemand wissen konnte, wie lange die Sowjetunion eine verhandlungsgeneigte Regierung haben würde.
Nach dem 9. November 1989, als die Mauer fiel, die Landkarten Europas zwischen Oder und Maas neu gezeichnet wurden und der Eiserne Vorhang nicht mehr feindliche Welten trennte, sondern ein rostender Überrest des Zweiten Weltkriegs wurde, gab es nicht wenige Staaten
– darunter Israel, Italien und Polen –, die Ansprüche anmeldeten, bei der finalen Antwort auf die alte deutsche Frage beteiligt zu sein. Davon ist in dem völkerrechtlich bindenden Text bis auf einige allgemeine Zusicherungen des Wohlverhaltens und des wechselseitigen Wohlwollens nicht viel geblieben.Die Grenzfrage steht ganz am Anfang des Vertrags
Nur Polen gewann besondere Erwähnung mit der Zusicherung aller Beteiligten, die polnische Westgrenze würde zugleich die deutsche Ostgrenze sein. Mit anderen Worten, die Oder-Neiße-Grenze aus der Hinterlassenschaft des Zweiten Weltkriegs sollte auf immer und ewig gelten. Wie wichtig den vier Siegermächten die mit der Gestalt Deutschlands eng verbundene polnische Grenzfrage war, zeigt sich auch darin, dass sie im Vertrag ganz am Anfang abschließend geklärt wurde:
„
Artikel 1 Absatz 2: Das vereinte Deutschland und die Republik Polen bestätigen die zwischen ihnen bestehende Grenze in einem völkerrechtlich verbindlichen Vertrag.Artikel 1 Absatz 3: Das vereinte Deutschland hat keinerlei Gebietsansprüche gegen andere Staaten und wird solche auch nicht in Zukunft erheben.“
Der überaus knappe Text der
„Regelung“ verrät, dass alle Beteiligten darin einig waren, den Kreis der Teilnehmer auf das unbedingt Nötige zu begrenzen: Die vier Mächte, die seit 1945 Rechte und Verantwortlichkeiten über „Deutschland als Ganzes“ ausübten, und die beiden deutschen Staaten. Bundeskanzler Helmut Kohl tat alles, die damals virulente Frage nach Reparationen – fantastische Summen wurden da genannt – unter Kontrolle zu halten.Angst vor unendlichen Verhandlungen
Kohl stellte sicher, dass diese Frage gar nicht erst in den öffentlichen Raum gelangte. Die Nichterwähnung der Reparationsfrage, wie überhaupt die zügige Verhandlung überaus komplizierter Gestaltungsfragen, gehört zu den Meisterleistungen der Diplomatie, wie sie nur selten erreichbar sind.
Dieser stille Konsens der an
„zwei plus vier“ beteiligten Mächte geschah nicht allein wegen der Wirkung auf das deutsche Publikum, sondern noch mehr in Bezug auf die schlechthin nicht eingrenzbaren internationalen Folgen, hätte man das Wort Reparationen in Vertragssprache gebracht. Die Verhandlungen, so die damalige Befürchtung, würden ins Unendliche gedehnt.Schon allein die Zahl der bei Kriegsende 1945 mit Deutschland im Krieg befindlichen Staaten könnte dazu führen, dass es keine Einigung gibt. Und das mitten in der Weltkrise, die der Zusammenbruch des Sowjetimperiums ausgelöst hatte und die noch lange nicht zu Ende war. Alle Beteiligten waren sich einig, dieses Gefäß der Pandora geschlossen zu halten.
Die im
Zwei-plus-vier-Vertrag eigens vorgesehene Regelung mit der Sowjetunion
hatte mit Reparationen nichts zu tun, sondern betraf die Kosten des Abzugs der
Roten Armee in Richtung Russland in den kommenden vier Jahren.
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