Union Gießerei: Die Anlage von Oberlaak im Jahre 1891

Als in Königsberg Lokomotiven gebaut wurden
1828 gilt als Gründungsjahr der Union Gießerei –
Die Weltwirtschaftskrise trieb das Unternehmen in den Konkurs

Der Ursprung der Union Gießerei ist in einer frühen Silberschmelze in Königsberg auf dem Grundstück der Straße Butterberg 3 zu suchen. Schon zu Zeiten Friedrichs des Großen (1764) wurde auf diesem Anwesen eine Silberraffinerie betrieben. Richtig los ging es dann allerdings erst, nachdem sich der aus England zugewanderte Gießereifachmann Charles Hughes in eine wohlhabende Königsberger Kaufmannsfamilie eingeheiratet hatte.

Im Jahre 1826 erwarb Charles Hughes’ Ehefrau Maria Theodora Christine für 700 Taler das Anwesen im Königsberger Stadtteil Laak. Als gesichert gilt, dass Hughes die Silberschmiede bereits 1825 betrieb. Das kleine Unternehmen hatte mit erheblichen finanziellen Problemen zu kämpfen, die der Techniker allein nicht bewältigen konnte. Seine Heirat mit Maria Theodora Christine Schnell war ein Glücksgriff, denn sie war die Schwester des erfolgreichen Königsberger Kaufmanns Gustav Schnell. Der wiederum konnte seine Schwager Karl August Dultz und Friedrich W. Laubmeyer überzeugen, mit ihm zusammen die Gießerei zu übernehmen. Die drei hatten nicht nur Geld, sondern auch wirtschaftlichen Weitblick. Mit dem Beitritt dieser drei Familien im Jahre 1828 wurde ein entsprechender Vertrag geschlossen, der allgemein als Gründungsdatum für die Union-Gießerei angesehen wird, obwohl die Bezeichnung erst in einer 1845 verfassten Urkunde auftaucht.

Während Hughes die technische Leitung behielt, kümmerten sich Laubmeyer und Dultz um die kaufmännischen Belange. Obwohl Schnell in diesen Unterlagen nicht erwähnt wird, dürfte seine Rolle eine entscheidende gewesen sein.

Vorerst gab es nichts zu verdienen. Die Anteilseigner schossen Jahr für Jahr beträchtliche Summen zu, ohne jedoch die Hoffnung an eine Zukunft der Firma zu verlieren. Schnell befasste sich mit dem Güteraustausch zwischen Russland, England und Deutschland. Dabei konnte er sich auf eine von seinem Vater in der Seestadt Pillau gegründete Segelschiffsreederei stützen. Seine Handels- und Wirtschaftsbeziehungen dürften ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass die Union-Gießerei langsam gesundete. 1846 hatte Ostendorff die technische Leitung übernommen. Unter seiner Führung nahm der Betrieb den Bau von Dampfmaschinen und -kesseln auf. Das muss ungefähr um 1850 herum gewesen sein. Ostendorff war nicht mehr der Jüngste. Als er 1869 die Borsig-Werke in Berlin besuchte, machte ihn der Geheimrat August Borsig auf einen erst 28 Jahre alten Ingenieur aufmerksam, der sich durch Fleiß, Interesse und Tüchtigkeit besonders ausgezeichnet hatte. Ostendorff griff sofort zu und verpflichtete Emil Radok als Oberingenieur für die Union-Gießerei in Königsberg.

Radok war 1840 in Kaladey in Böhmen geboren und hatte die Schulen in Budweis, Linz und Prag besucht. Im Wintersemester 1858/1859 trat er in die Deutsche Technische Hochschule zu Prag ein und studierte Maschinenbau. 1862 erhielt er als Bester das „Gertner’sche Reisestipendium“, das laut Stiftungsurkunde „für die vorzüglichsten Studierenden des Polytechnischen Landesinstitutes von Prag“ bestimmt war. An das Stipendium knüpfte sich die Bedingung, dass die Stipendiaten sich in einem hervorragenden Industriepunkt des Auslandes längere Zeit niederlassen.

So ging Radok nach Berlin zu Borsig und bearbeitete im allgemeinen Maschinenbau Entwürfe für Dampfmaschinen, Werkzeugmaschinen, Anlagen von Mühlen und so weiter. Sein bedeutendstes Werk aber war der Bau des ersten Schwimmdocks in Deutschland, mit dessen Ausführung er von Geheimrat Borsig betraut wurde. Radok lieferte hierfür sämtliche Zeichnungen und Berechnungen und leitete den Bau, der 30 Monate in Anspruch nahm. In Swinemünde besichtigte der Landesherr das Dock und sprach seine Bewunderung über das jugendliche Alter des Bauleiters aus, der damals erst 27 Jahre zählte.

Bei Union 1917 mit der Fabriknummer 2315 gebaute Preußische T 14

Als im Herbst 1869 die letzten Abrechnungen erledigt waren, wechselte Radok nach Königsberg zur Union Gießerei. In jenem Jahr erhielt Ostendorff in Anbetracht seiner hervorragenden Leistungen auf dem Gebiet des Maschinenbaus den Charakter des königlichen Kommerzienrates.

1876 musste Ostendorff von seinem Krankenzimmer mit ansehen, wie in der Nacht zum 7. Juni der größte Teil der Fabrik eingeäschert wurde. Im selben Jahr ernannte Ostendorff Radok und seinen Sohn Arthur zu Prokuristen. Das Haus war bestellt, er konnte beruhigt die Welt verlassen.

Als 1899 die Ablieferung der 1000. Lokomotive gefeiert wurde, war das ein sehr stolzer Tag für die Union Gießerei. Das Tempo steigerte sich vor allem im neuen modernen Werk im Königsberger Stadtteil Contienen beträchtlich. Dank des lukrativen Lokomotivenbaus stand das Unternehmen so gesund da, dass es 1881 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, seine Aktien nicht einmal zur Zeichnung freigab, denn das Kapital von 1.080.000 Mark war schon vorhanden.

Contienen bei Königsberg i. Pr., 29.12.1922, Aktie über 1000 Mark,
Reichsbankschatz-Lochentwertung.

1910 erlag in Berlin der inzwischen zum Kommerzienrat ernannte Radok einem tückischen Leiden. Er muss sich bei seinen Untergebenen allgemeiner Wertschätzung erfreut haben, denn an seinem Begräbnis nahmen alle Angestellten und Arbeiter teil. Es bildete sich ein Trauerzug von solcher Ausdehnung, wie ihn Königsberg bis dahin und auch später nicht wieder gesehen hat.

Nach seinem Tod übernahmen die Oberingenieure Georg Panck und Paul Fischer zugleich mit dem Regierungsbaumeister a. D. Max Hartung die Leitung des Werks. Die Probleme der Union Gießerei begannen erst nach dem Ersten Weltkrieg. 1921 war die Verlagerung der Gießerei und der Maschinenbau-Abteilung von der Oberlaak nach Contienen abgeschlossen.

1924 geriet das Unternehmen plötzlich in Not, vor allem weil auch die neu geschaffene Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft kaum noch Aufträge ins ferne Ostpreußen vergab. Subventionen durch das Reich konnten die notleidenden Betriebe im Osten noch eine Weile über Wasser halten. Die Wirtschaftskrise ab Oktober 1929 bereitete jedoch allen Hoffnungen ein Ende. Im Januar 1930 ging das Unternehmen in Konkurs.

Erhalten blieb die Werft in Contienen, denn das Reich hatte sie so lange unterstützt, dass bei einer Schließung des Werftbetriebes ostwärts von Stettin kein Reparatur- und Dockbetrieb mehr bestanden hätte. Die Vereinigung mit der ohnehin schon fast im Reichsbesitz befindlichen Schichau AG lag nahe, wurde aber zunächst noch nicht vollzogen. Erst 1933 wurde aus der Union-Gießerei die Schichau-Werft Königsberg, der Schiffbau ging bis Kriegsende weiter, und sie existiert immer noch, wenn auch heute unter russischer Leitung.  -  E.B.

Quellen:
Foto und Aktie: Archivmaterial;
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt Ausgabe 45/13, 09.11.2013