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 Historiker Tomasz Szarota: 
 "Steinbach soll eigenes Museum bauen" 
Das Interview führte 
Gabriele Lesser
 Warschau - Bei der Besetzung des Rats der Stiftung Flucht, Vertreibung, 
Versöhnung sieht Deutschland die Versöhnung mit Polen als das zentrale Anliegen 
an. Der polnische Historiker Tomasz Szarota hält das Konzept allerdings für 
überholt.  
 
Herr Szarota, sind Sie sehr verbittert?  
 
Verbittert? Nein, gar nicht. Wieso das denn?  
 
Sie wollten an einem Museumsprojekt in Berlin mitarbeiten, das sich die 
Versöhnung zum Ziel gesetzt hat: Flucht, Vertreibung, Versöhnung. 
 
Ja, ich wollte zeigen, dass wir Polen uns durchaus in das Schicksal derjenigen 
Deutschen hineinfühlen können, die 1945 ihre Heimat im Osten verloren haben. Die 
zu den letzten Opfern Hitlers gehören und für den Krieg bezahlen mussten, den 
die Deutschen selbst begonnen hatten. 
 
Warum haben Sie dann das Handtuch geworfen?  
 
Ich habe nicht das Handtuch geworfen! Mir ist nur klargeworden, dass es bei dem 
Projekt gar nicht um die Versöhnung mit den Polen geht. Diese Phase haben wir ja 
auch längst hinter uns gelassen. Nein, es geht um die Versöhnung der Deutschen 
mit sich selbst. In Deutschland gibt es Menschen, die bis heute das Gefühl 
haben, als Flüchtlinge und Vertriebene in eine kalte Heimat gekommen zu sein. 
Sie fordern von der Mehrheitsgesellschaft Mitleid ein. Da kann ich als Pole 
nicht helfen. Das müssen die Deutschen schon unter sich ausmachen. 
 
Aber Sie wurden doch als Pole eingeladen. Also geht es den Deutschen nicht 
doch um die deutsch-polnische Versöhnung? 
 
 Ich dachte das zunächst auch. Hans Ottomeyer, der Direktor des Deutschen 
Historischen Museums, dachte das sicher auch, als er mich im Juli 2009 bat, 
Mitglied des wissenschaftlichen Beraterkreises zu werden. Schließlich wissen 
alle, dass ich mich mein ganzes Leben lang für die Versöhnung mit den Deutschen 
eingesetzt habe. So wie auch schon meine Mutter und meine Großmutter. Dabei war 
das nicht selbstverständlich. Die Deutschen erschossen gleich zu Kriegsbeginn 
meinen Vater, so dass ich ihn nie kennen gelernt habe. Ich bin in den Ruinen von 
Warschau aufgewachsen. Schon als Kind wusste ich, dass die Deutschen 
fünf bis 
sechs Millionen polnische Staatsbürger ermordet hatten. Dennoch habe ich Deutsch 
gelernt, bin Spezialist für den Zweiten Weltkrieg und die deutsch-polnischen 
Beziehungen geworden. 
 
Wann kamen Sie zu der Auffassung, dass es bei der Stiftung gar nicht um die 
deutsch-polnische Versöhnung geht?  
 
Auf der ersten Sitzung des Beirats. Bis auf die Publizistin Helga Hirsch kannte 
ich dort niemanden. Es war kein einziger Wissenschaftler da, weder von den 
jüngeren noch von den älteren, mit denen ich bisher zusammengearbeitet hatte. 
 
Das muss ja noch nichts heißen. 
 
In diesem Fall doch. Denn in diesem neunköpfigen Kreis sitzen lauter Deutsche, 
die auch dem wissenschaftlichen Beirat des Zentrums gegen Vertreibungen 
angehören, die also dem Bund der Vertriebenen nahe stehen. Sogar Hans Mayer, der 
Vorsitzende des wissenschaftlichen Beraterkreises, ist offizieller Unterstützer 
des BdV-Zentrums. Ebenso Krisztian Ungvary oder Peter Becher. Da sitzt kein 
einziger Forscher, der sich kritisch mit dem verqueren Geschichtsbild, den 
überhöhten Opferzahlen oder der braunen Vergangenheit vieler BdV-Funktionäre 
(1) 
beschäftigen würde. Es ist einfach so: Die Stiftung ist ein Klon des Zentrums 
gegen Vertreibungen. 
 
Und Sie wollten nicht das Feigenblatt sein?  
 
Genau. Mit dem Versöhnungskonzept des BdV, der 
Charta der deutschen 
Heimatvertriebenen vom 5. August 1950, kann ich nichts anfangen. Darin 
verzichten die Flüchtlinge auf Rache und Vergeltung. So als hätten sie ein Recht 
auf Rache. Dabei haben die Deutschen den Krieg begonnen. 1945 mussten Deutsche 
und Polen ihre Heimat im Osten verlassen - als Folge des von den Deutschen 
angezettelten Krieges.  
 
Wie soll es jetzt weitergehen?  
 
Die Deutschen haben sich mit dieser Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung in 
eine Sackgasse manövriert. Ob mit Steinbach oder ohne - das Museum wird Schaden 
in den deutsch-polnischen Beziehungen anrichten. Vor allem als staatliches 
Museum. In der heutigen Situation wäre es am besten, der Forderung von Steinbach 
nachzugeben und die Stiftung aus dem Verbund mit dem Deutschen Historischen 
Museum herauszunehmen. Soll doch der BdV sein eigenes kleines Museum in Berlin 
bauen! 
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Anmerkung der ODF-Moderation: 
1. Dazu hat 
Frau Steinbach hat in einem Interview ausführlich Stellung  genommen: Der 
BdV hatte keine überdurchschnittlich hohen Anteil an Leuten mit 
NS-Vergangenheit, jedoch gab es überdurchschnittlich viele Widerständler. 
Diskutieren Sie diese Meldung in 
unserem Forum 
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Weitere Informationen zur Zeitgeschichte: 
Grenzenlos: 
Das Dilemma der Republik 
Polen im internationalen System der Zwischenkriegszeit 
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