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 Schilderstreit zwischen Bozen und Rom  | 
      
       
      
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 Südtiroler Landeshauptmann: 
Namen sind "Teil unserer Kultur und unserer Geschichte" 
 
Luis Durnwalder im Gespräch mit Christoph Heinemann | 
   
 
   
   Luis Durnwalder, 
Landeshauptmann von Südtirol, hat im Streit um einsprachige Hinweisschilder in 
der Region den Wunsch der örtlichen Bevölkerung nach deutschen Flurnamen für 
Wiesen oder Wälder bekräftigt. Die italienische Zentralregierung in Rom verlangt 
von der Autonomieregion, auch italienische Namen auszuzeichnen. 
Christoph Heinemann: 
Wenn sich Angela Merkel in diesen Tagen in Südtirol auf Wanderschaft erholt, 
wird sie die Hinweistafeln vermutlich nicht benötigen. Man darf davon ausgehen, 
dass spätestens die Personenschützer der Bundeskanzlerin wissen, welche Wege die 
Regierungschefin zu ihrem Ziel wählen muss. Aber vielleicht freut sich Angela 
Merkel ja über die Wegweiser in deutscher Sprache, obwohl sie die Ferien ja in 
Italien verbringt. Diese auf den ersten Blick harmlosen Tafeln bilden im 
übertragenen Sinne Steine des Anstoßes: Zwischen Bozen und Rom verschärft sich 
der Ton. Die Regierung in Rom hat gedroht, die italienische Armee werde die 
deutschsprachigen Hinweise entfernen. Der Südtiroler Landeshauptmann Luis 
Durnwalder schließt nicht gänzlich aus, die österreichische Regierung 
einzuschalten und damit den in der Autonomieregelung für Südtirol vorgesehenen 
Schutzmachtmechanismus in Gang zu setzen. Erst 1992, nach konfliktreichen etwa 
45 Jahren, hatte Österreich den Streit um Südtirol gegenüber der italienischen 
Regierung offiziell für beigelegt erklärt. Am Telefon ist jetzt Luis Durnwalder, 
der Landeshauptmann von Südtirol. Guten Morgen! 
 
Luis Durnwalder: Guten Morgen! 
 
Heinemann: Herr Durnwalder, wieso stören 
Wegweiser in deutscher Sprache die Politiker in Rom? 
Durnwalder: 
Ja, das verstehe ich selber nicht. Sie wissen ja, dass es so war: Bis 1919 waren 
wir ja bei Österreich als Südtirol. Und dann war die Zeit des Faschismus, und 
damals hat es gestört, dass wir Deutsch sprechen und eine deutsche Kultur haben, 
eine deutsche Geschichte und Tradition. Und deswegen hat man auch die deutschen 
Namen abgeschafft, die Schreibnamen, aber auch die Vornamen, und auch die 
Flurnamen und die Gemeindenamen. Die sind alle durch italienische Namen ersetzt 
worden. Die deutschen sind außer Kraft gesetzt worden und italienische sind 
eingeführt worden. Nach 1945 hat man wieder die deutschen Namen geduldet, und es 
hat dann geheißen, als wir eine Autonomie bekommen haben, dass wir die deutschen 
Namen wieder einführen können mit der Pflicht zur Zweisprachigkeit. Deswegen 
sind wir einverstanden, dass in Südtirol die Gemeinden und Katastralgemeinden in 
beiden Sprachen aufscheinen, auch die großen Berge und Flüsse, das heißt, dass 
sie sowohl deutsche als auch italienische Namen tragen. Nicht einverstanden sind 
wir aber, dass die Flurnamen, die Wiesen und die Wälder und die Äcker und die 
Almen, dass die in italienischer Sprache aufscheinen. Wir sind der Meinung, dass 
das ein Teil unserer Kultur und unserer Geschichte ist und deswegen sagen wir, 
dass diese Namen in der ursprünglichen Form, wie sie in der Geschichte 
entstanden sind, bleiben sollten, denn das wäre eine Geschichtsfälschung. 
 
Heinemann: Nun gehört Südtirol zu Italien. 
Ist es da nicht normal, dass man Wegweiser in beiden Sprachen - keiner redet ja 
darüber, dass man auf das Deutsche verzichten müsste -, aber in beiden Sprachen 
dann beschriftet? 
 
Durnwalder: Ja, wir sind einverstanden, dass 
die Hinweise wie zum Beispiel "See" auch "lago" heißt, wie zum Beispiel 
"Schutzhaus" "rifugio" heißt oder "Steig" "sentiero", das heißt, das alle diese 
Begleitnamen in beiden Sprachen aufscheinen sollten. Aber der ursprüngliche Name 
wie zum Beispiel "Obereggen", das soll "Obereggen" bleiben und nicht "San 
Floriano". Das heißt: Man hat früher unter dem Faschismus einfach die deutschen 
Namen abgeschafft und hat italienische Begriffe hingestellt, und wir sagen: Das 
lassen wir uns nicht gefallen, es sollten die Namen verwendet werden, die 
bereits auch in den von den Italienern selbst in deutscher Form vielfach 
verwendet werden. Zum Beispiel mich hat er übersetzt "Durnwalder" in "Durnariselva" 
- ich heiße halt Durnwalder und nicht Durnariselva! Oder zum Beispiel in meiner 
Heimatgemeinde "Ried" hat er "Novale" übersetzt. Alle Bevölkerungsschichten 
sagen halt Ried, und ich sehe nicht ein, dass wir jetzt sollten einen Begriff, 
der im Jahr 1923 erfunden worden ist, das heißt Novale, offiziell jetzt als 
Namen verwenden sollten. Wir sind einverstanden, Gemeinden zweisprachig, 
Katastralgemeinden zweisprachig, Flüsse und große Berge zweisprachig; wir sind 
auch einverstanden, dass die zusätzlichen Begriffe, die irgendetwas aussagen wie 
See und der Steig und Straße, das dort in beiden Namen angeführt wird, denn das 
sind Hinweise. 
 
Heinemann: Wenn man sich mal in die andere 
Seite hineinversetzt, Herr Durnwalder: Müssen einsprachige deutsche Wegweiser 
oder Flurnamen in Rom nicht wie eine Provokation wirken? 
 
Durnwalder: Ja, schauen Sie: In Rom wissen 
sie hundertprozentig nicht, wo Honigberg ist oder wo Ried ist oder wo Obereggen 
ist oder Reinswald oder Durnwald und so weiter. Ich bin halt der Auffassung, 
dass die örtliche Bevölkerung sagen sollte, wie ein Ortsteil heißt. Der Bauer, 
der sagt, wie sein Feld heißt, oder die örtliche Bevölkerung, wie dieses Gebiet 
innerhalb einer Gemeinde heißt. 
 
Heinemann: Herr Durnwalder, ist Umberto 
Bossi, der Chef der in Rom mitregierenden regionalistischen Partei Lega Nord, 
für Sie ein Verbündeter? Bossi betont ja immer wieder die Eigenständigkeit, zum 
Beispiel in der lombardischen oder venezianischen Sprache und Kultur. 
 
Durnwalder: Schauen Sie, es sagt ein 
italienisches Sprichwort: "Tra il dire e il fare c'è die mezzo il mare", 
zwischen dem Sagen und den Tun ist das Meer dazwischen, und so ist es halt auch 
bei Bossi. Bossi will zum Beispiel Bergamo in Bergem umwandeln, oder Bossi will 
zum Beispiel, dass die einzelnen Gemeinden entscheiden, wie die einzelnen Orte 
und so weiter heißen, will wieder die alte Geschichte, Geschichtsnamen 
einführen. Ja, nur was uns betrifft, da scheint er halt, dass er etwas anderes 
möchte, oder jedenfalls nicht dafür eintritt, dass auch bei uns mit gleichem Maß 
gemessen wird. 
 
Heinemann: Nun hat der italienische 
Regionalminister Raffaele Fitto angedroht, deutschsprachige Hinweistafeln von 
der Armee sogar entfernen zu lassen, falls Sie, falls die Regierung von 
Südtirol, nicht tätig werde. Wie reagieren Sie auf diese Ankündigung? 
 
Durnwalder: Ja, erstens mal glaube ich 
nicht, dass er das wirklich tun würde, und zweitens weiß ich ganz genau - und 
das können Sie auch nachfühlen: Wenn heute wirklich die Polizei oder das Heer 
kommen würden und diese alten Schilder wegnehmen würden und andere hingeben 
würden, dann würden die nicht lange stehen, denn die Ortsbevölkerung würde halt 
wahrscheinlich die dann entfernen. Wobei ich noch einmal sage: Auch wir haben, 
das heißt, der Alpenverein hat einen Fehler gemacht, dass in den letzten Jahren 
die italienischen Beinamen wie "sentiero", das heißt Steig oder Straße und so 
weiter, nicht übersetzt worden ist. Das muss gemacht werden und dafür stehe ich 
auch ein. 
 
Heinemann: Was erwarten Sie von der 
österreichischen Regierung? Ist das jetzt schon ein Fall für die Schutzmacht, 
die im Autonomiestatut ja als solche definiert ist? 
Durnwalder: 
Ich glaube nicht. Zunächst einmal sollten wir streiten und sollten wir uns 
bemühen, eine Einigung zu finden. Ich habe ein Angebot unterbreitet und ich 
hoffe halt, dass man doch so vernünftig ist und dass man nicht heute noch mit 
faschistischen Methoden irgendeine Kultur und Tradition und Geschichte 
auslöschen möchte, sondern dass man Verständnis hat, so wie es auch in Auster 
ist. Dort sind die einzelnen Flurnamen alle in Französisch oder auch in Julisch 
Venetien sind sie vielfach Slowenisch und vielfach Ladinisch, und ich glaube, 
dass das eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Ich habe immer Respekt, wenn 
ich irgendwo hinkomme und sehe: Dort sind halt diese in irgendeiner Form 
geprägten Namen. Das ist ein Teil der Geschichte, und Europa ist ja dann schön, 
wenn eben die Vielseitigkeit auch zum Ausdruck kommt. 
 
Heinemann: Das heißt, Sie glauben nicht, 
dass die Regierung Berlusconi eine Italianisierung Südtirols anstrebt? 
 
Durnwalder: Ich weiß, dass da die Gelüste 
da wären. Aber ich glaube, dass die Zeiten nicht mehr da sind. Wir leben in 
Europa und ich glaube, in Europa sollte halt die Verschiedenheit der Kulturen 
doch immer noch zum Ausdruck bringen. 
 
Heinemann: Aber im Ernstfall schließen Sie 
es nicht aus, dass Sie die Schutzmacht in Wien, dass Sie Österreich anrufen 
würden? 
 
Durnwalder: Das würde erst dann der Fall 
sein, wenn wir wirklich sehen, dass es hart auf hart geht, das heißt, dass man 
wirklich dann uns etwas wegnehmen würde, was uns durch die Erfahrung und die 
geschichtliche Entwicklung heilig geworden ist. Das heißt, ansonsten bin ich der 
Meinung, dass man nicht wegen jeder Kleinigkeit zum armen Österreich laufen 
sollte, sondern erst dann, wenn unsere Verhandlungen und unsere Kräfte nicht 
mehr in der Lage sind, dies zu lösen. 
 
Heinemann: Herr Durnwalder, das 
Autonomiestatut für Südtirol galt lange und gilt noch als Modell für die 
Befriedung regionaler Konflikte. Hat sich dieses Statut bewährt? 
 
Durnwalder: Das hat sich sehr bewährt und 
Sie wissen ja, Südtirol war in den 60er-Jahren Armenkammer, das heißt, Südtirol 
hat überhaupt nichts gehabt. Wir waren arm, und ich habe vor zwei drei Tagen zum 
Beispiel die jüngste Statistik bekommen, dass wir das höchste 
Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner haben von ganz Italien. Das heißt: Durch die 
Autonomie haben wir die Möglichkeit gehabt, dass wir eine Politik betreiben 
können, die auf unsere Verhältnisse Rücksicht nimmt, die uns arbeiten lässt, die 
uns was machen lässt. Wir haben 2,8 Prozent Arbeitslose und wir haben einen 
gewissen Lebensstandard, das heißt: Die Autonomie hat uns die Möglichkeit 
gegeben, mit zu entscheiden und auch mit zu verantworten. Und wenn die 
Bevölkerung fleißig ist, dann geschieht halt etwas, und das ist die Frucht der 
Autonomie. 
 
Heinemann: Luis Durnwalder, der 
Landeshauptmann von Südtirol. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören! 
 
Durnwalder: Ich danke Ihnen, auch schönen 
Tag und auf Wiedersehen! 
  
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