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Oder-Neiße-Linie - Der Stettiner Zipfel „ Verzicht ist Verrat", so tönte die SPD auf dem Deutschlandtreffen der Schlesier 1963, und ein Wahlplakat dieser Partei aus den fünfziger Jahren zeigte Deutschland sogar in den Grenzen von 1914. Auf CDU-Plakaten hieß es „Oder-Neiße-Grenze niemals!" und „Das ganze Deutschland soll es sein. Zum ungeteilten Vaterland durch die CDU", selbstverständlich ein Vaterland in den rechtmäßigen Grenzen. Mit dem „Zwei-plus-Vier-Vertrag" vom 12. September 1990, dem „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze" vom 14. November 1990 („Grenzbestätigungsvertrag") und dem Austausch der Ratifikationsurkunden am 16. Januar 1992 wurde angeblich auch völkerrechtlich auf die ostdeutschen Gebiete verzichtet, obwohl mit diesen Verträgen keine Gebiete abgetreten, sondern nur eine Grenze bestätigt und ein Gewaltverzicht ausgesprochen wurden.Da das Deutsche Reich nach mehreren nicht widerrufenen Urteilen des Bundesverfassungsgerichts nicht untergegangen, rechtsfähig, jedoch nicht handlungsfähig ist, konnten von der Bundesrepublik Deutschland auch keine Gebiete abgetreten, sondern es konnte nur eine Grenze bestätigt werden, und so sehen einige Völkerrechtler die Oder-Neiße-Gebiete weiterhin als zu Deutschland gehörig an, so auch RA Prof. Dr. jur. Hans-Werner Bracht in „Die Völkerrechtslage des vereinten Teil-Deutschlands nach dem 3. Oktober 1990" und RA Dr. jur. Hannes Kaschkat in „25 Jahre Grundvertragsurteil - Das Deutsche Reich besteht fort" („Das Ostpreußenblatt", 8. August 1998).Nach der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis 2. August 1945 wurde mit dem Potsdamer Protokoll Ostdeutschland in den von den Siegermächten willkürlich festgelegten Grenzen vom 31. Dezember 1937 polnischer und russischer Verwaltung unterstellt. Das am 22. März 1939 völkerrechtswirksam in das Deutsche Reich zurück gekehrte ostpreußische Memelgebiet wurde entgegen dem Völkerrecht der Litauischen Sozialistischen Sowjetrepublik angeschlossen. Nach Abschluss des Zwei-plus-Vier-Vertrages sollte Ostdeutschland für die Bundesrepublik Deutschland nicht nur von sofort an, sondern rückwirkend bis zur Verabschiedung des Potsdamer Protokolls Ausland sein. Alles Für und Wider außer acht lassend, hätten die Oder-Neiße-Gebiete frühestens 1992 für die Bundesrepublik Deutschland Ausland sein können, wenn überhaupt. Jetzt aber sollten die ostdeutschen Gebiete durch Anordnung des Bundesministeriums des Innern mit dem von 1989-1991 amtierenden Minister Wolfgang Schäuble rückwirkend vom 2. August 1945 an Ausland sein, wobei sich auf eine Grenze berufen wurde, wie sie auf der Potsdamer Konferenz als Verwaltungsgrenze festgelegt wurde. Wenn nun Wolfgang Schäuble meinte, dass rückwirkend ab dem 2. August 1945 die ostdeutschen fremdverwalteten Gebiete als Ausland anzusehen wären, dann stellt sich zwangsläufig die Frage, ob das erst nach der Potsdamer Konferenz von Polen annektierte Gebiet davon ausgenommen werden sollte. Natürlich sollte es nicht, aber dann stimmt das Datum 2. August 1945 nicht mehr. Was ist mit Swinemünde und der Insel Wollin, die gemäß dem Potsdamer Protokoll zwar polnischer Verwaltung unterstellt, aber erst im Oktober 1945 Polen übergeben wurden? Wie verhält es sich demnach mit Stettin westlich der Oder, von dem Polen zwar schon nach zwei vergeblichen Anläufen im Juli 1945 endgültig Besitz ergriff, aber nach dem Wortlaut des Potsdamer Protokolls nicht zu den polnischer Verwaltung unterstellten Gebieten gehört? Soll nun der sog. Stettiner Zipfel mit Neuwarp, Ziegenort und Pölitz für das Bundesinnenministerium kein Ausland sein, weil es westlich der von den Konferenzteilnehmern festgelegten Verwaltungsgrenze liegt? Für dieses Gebiet trifft der 2. August 1945 keinesfalls zu. Doch wie kam es dazu, dass das heutige polnische Staatsgebiet westlich über die Oder hinaus greift und zusätzlich ca. 750 qkm unter polnische Verwaltung gestellt wurden, ein Gebiet so groß wie der Stadtstaat Hamburg oder fast ein Drittel des Saarlandes? Mit dem Londoner Protokoll wurden die Besatzungszonen festgelegt Der Entstehung des Stettiner Zipfels waren Beschlüsse des polnischen Nationalrats (1942), die Konferenz von Teheran (1943), das Londoner Protokoll mit der Festlegung der Besatzungszonen (1944) und die Konferenz von Jalta (1945) vorausgegangen. In Jalta wurde beschlossen, dass die endgültige Westgrenze Polens erst mit einem Friedensvertrag festgelegt werden soll. Eine von der Sowjetunion im Januar angefertigte Karte zeigte Stettin und seine unmittelbare Umgebung als dem vorgesehenen polnischen Verwaltungsgebiet zugehörig an. Von den Westmächten wurde der sowjetisch-polnischen Forderung nicht widersprochen. Nach dieser Karte zu urteilen war nicht vorgesehen, das östliche Usedom mit Swinemünde aus dem Bereich der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) herauszunehmen, jedoch ging dies aus dem geheimen sowjetisch-polnischen Grenzvertrag vom 27. Juli 1944 zwischen der Sowjetregierung und dem Polnischen Komitee zur Volksbefreiung hervor. Am 5. Juli 1945 wurde Stettin endgültig von Polen besetzt Mit dem Potsdamer Protokoll wurde der Grenzverlauf mit einer Linie westlich von Swinemünde festgesetzt, bezog aber aus nicht bekanntem Grund Stettin westlich der Oder nicht mit ein. Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich Stettin hat es nicht gegeben. Es bestand Einigkeit darüber, dass Stettin unter polnische Verwaltung gestellt werden sollte, und vom 28. April bis 17. Mai 1945 hatte sich Polen in Stettin erstmals festgesetzt. Nachdem die Polen Stettin wieder verlassen mussten, erhielten sie am 9. Juni von den Russen die Erlaubnis nach Stettin zurückzukehren, aber schon am 19. Juni mussten der spätere erste Stadtpräsident Piotr Zammba und seine Operationsgruppe Stettin wieder verlassen. Am 5. Juli wurde Stettin endgültig von Polen besetzt und am 10. Juli bei der Auflösung Groß-Stettins durch die sowjetische Militärverwaltung eine vorläufige Demarkationslinie um die Stadt gezogen, die drei Alt-Stettiner Stadtteile auf deutscher Seite beließ. Ohne Rücksprache mit den Westmächten kam es am 21. September 1945 in Schwerin zu dem sowjetisch-polnischen Grenzabkommen für den Bereich Swinemünde-Greifenhagen, mit dem zwischen dem 4. und 8. Oktober die Grenze festgelegt wurde. Am 19. November 1945 ging der sog. „Stettiner Zipfel" in polnische Verwaltung über.Da jedoch schon vor dem 19. November polnische Dekrete für dieses Gebiet ergingen, ist davon auszugehen, dass der Stettiner Zipfel schon früher von Polen besetzt wurde, zumal auch Swinemünde und die Insel Wollin am 6. Oktober 1945 polnischer Verwaltung unterstellt wurden. Der im Norden Stettins liegende Stadtteil Pölitz (am 15. Oktober 1945 wurde die Stadt Pölitz eingemeindet) mit seinem Umland wurde wegen eines von den Sowjets zu demontierenden Hydrierwerkes erst am 28. September 1946 polnischer Verwaltung übergeben und war bis dahin eine deutsche Enklave. Die Bevölkerung in diesem Gebiet betrug 14.000 bis 15.000 Personen. Für die Demontagearbeiten wurden 15.000 bis 16.000 Zwangsarbeiter aus Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt. Nicht in polnischer Hand waren zu der Zeit der Stettiner Hafen und drei Wohnquartiere von bei den Sowjets arbeitenden Stettinern, die bei den Deutschen die Bezeichnung „Russischer Sektor" erhielten.Weitere Vereinbarungen Bereits während der Potsdamer Konferenz beabsichtigte Polen, sich den Stettiner Zipfel anzueignen. Beendet wurde die Grenzfrage zwischen der DDR und der VR Polen erst mit dem Görlitzer Abkommen vom 6. Juni 1950, das die einen Monat zuvor in Warschau geführten Verhandlungen mit der „Markierung der festgelegten und bestehenden Grenze zwischen Deutschland und Polen" abschloss, sowie einigen weiteren geringfügigen Grenzkorrekturen. Aber auch hier gab es Unklarheiten. „Bemerkenswert am Abkommen von Görlitz ist, dass die Grenzbeschreibung in Artikel 1 der Formulierung des Potsdamer Protokolls folgte, das also westlich der Oder liegende Stettin erneut nicht erwähnte" (Michael A. Hartenstein). Auf das Görlitzer Abkommen beruft sich der "Zwei-plus-Vier-Vertrag" von 1990, wo hingegen bei den „Ostverträgen" von 1970 die Grenze nach dem Potsdamer Protokoll zugrunde gelegt wurde. Auf das Görlitzer Abkommen folgte das Frankfurter „Protokoll über die Ausführung und Markierung der Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen" vom 27. Januar 1951, und am 11. Juni 1951 gab es in geringem Umfang die letzte Veränderung der Grenzlinie zwischen Mecklenburg, wie das Land Mecklenburg-Vorpommern seit 1947 hieß, und dem polnisch verwalteten Pommern. Am 5. November 1947 hatte Polen weiteres Gebiet westlich der Oder besetzt, das aber auf Druck der Sowjetunion wieder zurückgegeben werden musste. Es betraf einen Landstreifen bei Schwedt an der Oder mit einer Länge von 50 km, der sich bis zu 10 km ins Land hinein erstreckte. Von Polen war die gesamte Stettiner Bucht mit den Inseln Usedom und Wollin und ein Landgebiet westlich der Oder bis zur Peenemündung einschließlich der gesamten Uckermark, ja teilweise sogar ganz Vorpommern mit der Insel Rügen gefordert worden und darüber hinaus ein „Sicherheitsstreifen" bis zu 10 km Tiefe von Forst an der Neiße bis Greifenhagen an der Oder. Auch der westlich der Neiße gelegene Hauptteil von Görlitz sollte polnisch werden, wie dann auch ganz Frankfurt polnisch geworden wäre. Wohlgemerkt, polnische Forderungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg, nach Unterzeichnung des Potsdamer Protokolls erhoben wurden. Am 22. Mai 1989 wurde mit einem bilateralen Vertrag zwischen der VR Polen und der DDR die Abgrenzung der Seegebiete in der Oderbucht endgültig festgesetzt.Quellen: „Die Oder-Neiße-Linie bei Stettin", Richard Breyer; „Die deutschen Staatsgrenzen", DanielErasmus Khan; „Die Geschichte der Oder-Neiße-Linie, Michael H. Hartenstein; „Mecklenburg-Vorpommern, die Stadt Stettin ausgenommen", Bernd Aischmaim
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