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Bodenreformaffäre durch Schlamperei verursacht Wie sauber wird in Brandenburger Behörden gearbeitet? Diese Frage stellt sich angesichts der Bodenreformaffäre. Denn: Die „sittenwidrige Praxis“ (Urteil des Bundesgerichtshofs) bei der Übertragung der Grundstücke von Bodenreformprofiteuren auf das Land scheint (PAZ berichtete mehrfach) durch Schlamperei mitverursacht worden zu sein. Und: Diese Praxis gab es nur in Brandenburg. Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel hat nicht sich selbst, sondern Dritte als Treuhänder eingesetzt, wenn die Erben eines Grundstücks nicht ermittelbar waren. Die haben dann verhindert, daß dies Grundstück schnurstracks in den Besitz des Landes übergeht. Aus alten Parlamentsunterlagen geht hervor, daß das Land Brandenburg in sehr vielen Fällen zu spät mit der Klärung der Eigentumsverhältnisse begonnen hat – erst im Mai 2000, obwohl sie schon Anfang der 90er Jahre hätte aktiv werden müssen. Hier liegt wohl der Schlüssel zu diesem Skandal. Die Verjährungsfrist für die ungeklärten Eigentumsfälle nach der deutschen Vereinigung betrug nämlich zehn Jahre, also bis zum 2. Oktober 2000, 24 Uhr. So blieben seit Mai 2000 nur fünf Monate, in denen das Land seine Ansprüche nach Prüfung anmelden konnte. Das trauten sich die Beamten wohl nicht zu, also übertrugen sie reihenweise Bodenreform-Grundstücke einfach ohne Prüfung auf das Land Brandenburg. Den Beweis dafür liefert eine Anfrage der PDS-Fraktion im Mai 2000. Damals verwies die Landesregierung auf 60000 Prüfvorgänge. Von denen seien 5000 damit geendet, daß das Land das Grundstück erhalten habe, hieß es damals in Potsdam. Im März 2001 indes hatte sich das Land statt dessen stolze 14500 Grundstücke angeeignet. Die Differenz scheint aus den rund 10000 strittigen Fällen zu bestehen, deren Aneignung der Bundesgerichtshof jetzt für ungültig erklärt hat. Die Behörden waren überfordert mit der Aufgabe, die Eigentumsverhältnisse in so kurzer Frist zu klären. Derart kurz fiel die Frist aber nur aus, weil die Behörden selbst zu lange untätig gewesen waren. Zunächst hatte Brandenburg neun Firmen beauftragt, die bereits seit 1996 die strittigen Fälle untersuchen sollten. Sie erhielten dafür insgesamt neun Millionen Euro. Der Vertreter einer dieser Firmen packte jetzt in der „Märkischen Allgemeinen“ aus. Matthias Wippold war damals Chef von Reno-Service, einem Fünf-Mann-Betrieb. Er beschreibt seine Auftraggeber von damals so: „Die Ämter sind zu spät aufgewacht. In den Ferien habe ich dann sogar Gymnasiasten zum Kopieren eingesetzt.“ Am Ende hatte Wippold 40 Leute beschäftigt, die als Hilfsarbeiter in den Ämtern die Grundstücke prüfen sollten. Er habe sich damals schon an die Landesregierung gewandt, so Wippold weiter, um sich für das „Besichtigen aller Grundstücke sowie die Recherche vor Ort“ einzusetzen. Bei einer Ortsbegehung sei andernorts oftmals der Pächter aufgefunden worden, und der habe dann zum Verpächter, den gesuchten Eigentümer also, geführt. Doch in Brandenburg kam er kaum weiter. Die Behörden hätten meistens nicht einmal gwußt, daß das Land überhaupt verpachtet ist, geschweige denn von wem an wen. Und: „Die Chance, in den uns vorliegenden Grundbüchern auf Pächter zu stoßen, war dagegen gering“, erklärte Wippold. Das brandenburgische Finanzministerium weist Wippolds Vorwurf bis heute zurück. Dabei wußten die Finanzbeamten, die letztlich hinter dieser Aneignungswelle in letzter Sekunde standen, genau, was sie tun. Wie die „Lausitzer Rundschau“ berichtet, stellte das Finanzministerium nämlich ab Mai 2000 sogenannte Freistellungserklärungen aus. Diese gingen an die Landräte, die die „Drecksarbeit“ auf dem Grundbuchamt zu verrichten hatten – nämlich die Eintragung des neuen Besitzers. In diesen „Freistellungserklärungen“ steht, daß die Landräte von Ansprüchen verschont würden, „insbesondere wegen mangelnder Nachprüfung des berechtigten Interesses des Antragstellers im Einzelfall und unzureichender Eigentümerermittlungen“. Ein Verfassungsrechtler nennt diese regierungsamtlichen Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karten eine „Anweisung zum rechtswidrigen Handeln.“ Die Landräte verließen sich auf diese Rückversicherung, die sie vor Forderungen im Falle von schwerem Fehlverhalten schützte, und schauten bei Beurkundungen nicht genauer hin. Einzig der Landkreis Teltow-Fläming, heißt es weiter, habe dieser Praxis einen Riegel vorgeschoben. Das Zustandekommen dieses Skandals, der rund 10000 Bodenreform-Grundstücke betrifft, ist also auf eine Mischung aus Schlamperei und mangelndem Interesse zurückzuführen. Denn die Behörden konnten das Grundstück nur dann auf das Land übertragen, wenn kein rechtmäßiger Eigentümer „ermittelbar“ war. Da kam den Beamten die Zeitnot offenbar ganz recht. Jetzt ist der Schaden groß, und das Land Brandenburg schaltet sogar Zeitungsanzeigen, in denen mögliche Eigentümer aufgefordert werden, sich zu melden. Ende der vergangenen Woche haben dies immerhin schon 4240 Bürger getan.
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