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Im Streit um die Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach hat einer ihrer Stellvertreter, der Sozialdemokrat Albrecht Schläger, ein Machtwort der Kanzlerin gefordert. Nach Ansicht Schlägers ist die Debatte über die Rolle Steinbachs im Beirat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung" überflüssig. Die CDU-Bundestagsabgeordnete habe in den elf Jahren ihrer Präsidentschaft eine hervorragende Rolle gespielt. Das sei „Versöhnung pur", sagte Schläger unter Verweis auf Steinbachs Erfolge in Tschechien und Ungarn. Außenminister Guido Westerwelle lehnt die Berufung Steinbachs mit Rücksicht auf Kritik aus Polen weiterhin ab.
Statistik im Handumdrehen einen der vordersten Plätze erobert. Erstaunlich! Dagegen war die Große Koalition geradezu ein Profi-Team, bei dem man wusste, woran man war. Jetzt haben wir eine Koalition, in der die Kanzlerin sich nicht mehr aufs Moderieren beschränken darf, weil sie sich auf die Professionalität ihres Partners nicht verlassen kann. Denn die FDP, die ihren Wahlerfolg all denen verdankt, die sicher sein wollten, die Große Koalition abzuwählen, die führt sich auf wie die Truppe, der Joschka Fischer einst das schöne Toskana-Wort zurief „Avanti, dilettanti!“. Auch in diesem Fall geht das mit dem faulen Fisch am Kopf los, also bei Guido Westerwelle. Der enorme Erfolg bei der Bundestagswahl, die Erfüllung eines langgehegten Traums hat bei dem Mann anscheinend einen solchen Stoß von Glückshormonen ausgelöst, dass Sinne und Vernunft darunter gelitten haben. So beschäftigt war und ist er mit dem persönlichen Projekt, in des großen Genschers Fußstapfen zu treten, dass er vergisst, wofür er wirklich gewählt und ins Amt gekommen ist: als Vizekanzler seine Truppe zu nützlicher und verantwortlicher Arbeit fürs Volk anzuhalten und als Außenminister nicht das Außen, sondern Deutschland zu vertreten. Und da hat sich der Lehrling im Auswärtigen Amt höchstpersönlich einen der schlimmsten Patzer der neuen Regierung geleistet. Dass er bei seiner Jungfern-Reise nach Warschau meinte, er tue dem Frieden, der Versöhnung, dem polnischen Nachbarn und vor allem sich selber einen Gefallen, wenn er den deutschen Vertriebenen vom Ausland her einen Fußtritt verpasse, das war schändlich und von einer politischen Dummheit, dass Genscher sich verbitten muss, für so was als Vorbild genannt zu werden. Westerwelle hat aus einer Art geckenhafter Eitelkeit auf dem falschen Fuß Hurra gerufen und nun kommt er nicht mehr auf die Beine, sondern eiertanzt weiter – was er versucht, als Standfestigkeit auszugeben. Westerwelle hat der Versöhnung schwerst geschadet, weil er noch nicht mal im eigenen Land dazu die Fähigkeit hat. Die Stiftung, um die es geht – um einen Sitz von 13 in deren Beirat, der ausdrücklich den Vertriebenen reserviert ist –, die ist die Erfindung der jetzt verfemten Frau Steinbach. Ihr, die auch die gewählte Vorsitzende der Vertriebenen ist, diesen Sitz verweigern zu wollen, weil extremistische und unversöhnliche Chauvinisten in Polen Rabatz gemacht hatten, das ist eine Verachtung des Leids auch der deutschen Vertriebenen. Das ist solch ein politischer Murks, dass man sich sogar in Polen verwundert die Augen reibt. Frau Steinbach hat recht, die peinliche Vorstellung der Fehlbesetzung im Auswärtigen Amt nicht durch Verzicht abzusegnen. Westerwelle muss zur Vernunft kommen. Die hat er ja mal in der Opposition gehabt. Vor 6 Jahren sagte er wörtlich über Steinbachs Zentrum gegen Vertreibungen: „Ich verstehe nicht, warum der Bundeskanzler und der Außenminister den Sorgen der Nachbarn nicht entgegentreten, sondern die Debatte noch unverantwortlich anheizen. Das Engagement für das Zentrum ist selbstverständlich alles andere als erzkonservativ und revanchistisch.“ So ist es. Kann es sein, dass Westerwelle nicht nur das Gedächtnis verloren hat?
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