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Auch Karlsruhe kann nicht mehr helfen Da Bundesregierung und Bundestag ihre Zustimmung zum Euro-Rettungsschirm gegeben haben, können dessen künftige Geldgeber auf diese Zusage bauen, auch wenn das Bundesverfassungsgericht nachträglich sein Veto einlegt. Klaus Regling hat es eilig. Mit der Ratifizierung durch das italienische Parlament wäre der Rettungsschirm für notleidende Euro-Staaten Ende dieses Monats „operabel“. Damit könnten sich Länder dort Geld zu geringeren Zinsen leihen, als sie der freie Kapitalmarkt von Staaten verlangt, deren Kreditwürdigkeit Risse bekommen hat. Der Deutsche Regling ist Chef der „Europäische Finanzstabilisierungs-Fazilität“ (EFSF), auch „Euro-Rettungsschirm“ genannt. Die in Luxemburg ansässige Institution verwaltet den 440 Milliarden-Anteil, den die Euro-Staaten an dem Fonds tragen. 27 Prozent oder 123 Milliarden Euro kommen allein von Deutschland. Hinzu kommen 60 Milliarden von der Europäischen Kommission und 250 Milliarden Euro des Internationalen Währungsfonds (IWF). An beiden ist Deutschland als eines der finanzstärksten Mitglieder von EU und IWF abermals stark beteiligt.
Bei den Finanzzusagen handelt es sich formal um Bürgschaften, für welche die Länder im Falle eines Kreditausfalls geradestehen. Die Fonds besorgen sich das Geld zunächst selbst am Kapitalmarkt. Von dort kamen zuletzt schlechte Nachrichten. Um die dafür zu zahlenden Zinsen möglichst gering zu halten, muss der EFSF ein Bonitätsbestnote AAA erreichen. Hierfür fordern Rating-Agenturen eine Übersicherung des Kreditrahmens von 120 Prozent. Das heißt: Das Gesamtvolumen des EFSF soll 20 Prozent über der Summe der ausgegebenen Kredite liegen. Damit verringert sich der tatsächliche Kreditrahmen von 440 auf 366 Milliarden Euro. Wer gehofft haben sollte, dass die jüngsten Verfassungsklagen den EFSF noch stoppen, wird eine Enttäuschung erleben. Einer der Kläger, der Staatsrechtler Karl-Albrecht Schachtschneider, zerstreute gegenüber der PAZ falsche Hoffnungen: „Das Bundesverfassungsgericht wird sich viel Zeit lassen und vielleicht in einem Jahr entscheiden.“ Erhebliche Zahlungen an schwächelnde Euro-Staaten würden dann längst geleistet worden sein. Selbst wenn die Karlsruher Richter die deutsche Beteiligung am „Rettungsschirm“ dann für verfassungswidrig erklären sollten (was die Kläger für im Grunde unumgänglich halten), würden die Richter laut Schachtschneider Gesichtspunkte des „Vertrauensschutzes“ ins Feld führen. Dies bedeutet: Bundesregierung und Bundestag haben das Recht, internationale Verträge zu schließen. Handeln sie dabei gegen das Grundgesetz, dann kann ihnen der abermalige Abschluss eines bestimmten Vertrages zwar untersagt werden. Die ausländischen Vertragspartner des alten Vertrages jedoch genießen „Vertrauensschutz“, sie haben Deutschland gegenüber also das Recht, auf die Vertragstreue Berlins zu vertrauen. Somit wäre auch im Falle eines Erfolgs der Klage laut Schachtschneider ausgeschlossen, dass der deutsche Anteil „rückabgewickelt“ würde. Zumal eine solche Rückabwicklung ohnehin den ganzen Rettungsschirm zum Einsturz brächte. Laut Vertrag ist der Schirm erst operabel, wenn 90 Prozent der Bürgschaften zusammen sind. Daher wäre das Ausscheren eines kleinen Landes wie der Slowakei kaum mehr als ein kosmetischer Störer gewesen, doch ohne Deutschlands 27 Prozent hätte es den Schirm nie gegeben. Ganz anders jedoch sähe es im Falle eines Klageerfolges für die Zukunft aus. Danach wäre der Weg zu weiteren Rettungsschirmen verbaut. Dies kann Optimisten, die an die langfristigen Aussichten der Rettungskandidaten am Mittelmeer glauben, nicht erschüttern. Anders die Pessimisten. Die Stimmen verstummen nicht, die den Euro für ein goldenes Gefängnis für ehemalige Weichwährungsländer halten, in welchem sie nie und nimmer wettbewerbsfähig werden könnten. Für sie gilt als ausgemacht, dass diesem Rettungsschirm immer neue folgen werden. Zu ihnen zählt auch Kläger Schachtschneider, der das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur „Schicksalsstunde für die Währungsunion“ erklärt hat. Verwirft das Gericht die Klage, wäre der Weg frei für eine „Transferunion“, in der, so viele Experten, vor allem Deutschland, die Niederlande, Österreich und Finnland die Lastesel wären, die für die anderen mit aufzukommen hätten. Nimmt Karlsruhe hingegen die Klage an und stoppt alle weiteren Rettungsschirme, dann ist nach Meinung vieler die erste südeuropäische Staatspleite in Sichtweite. Ob die mit der Gewährung von Krediten verbundenen Sparauflagen von den begünstigten Ländern auch umgesetzt werden, erscheint nach dem vergangenen Wochenende mehr denn je als fraglich. Dieser Tage sind die Verhandlungen zwischen Ungarn, der EU und dem IWF über die Gewährung der letzten Tranche eines 2008 vereinbarten Hilfskredites abgebrochen worden. Statt sich vereinbarungsgemäß energisch um die Begrenzung seiner Defizite zu kümmern, habe Budapest soziale Wohltaten unters Volk gestreut. Inwieweit die Regierungen an der Südflanke Europas prinzipienfester sind oder für den eigenen Machterhalt auch lieber wie Ungarn vorgehen, bleibt offen. Doch dies könnte zur Existenzfrage der EU in ihrer heutigen Gestalt werden.
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