Erfolgreiches Wirken der deutschen
Heimatvertriebenen und ihrer Landsmannschaften
am deutsch-polnischen Versöhnungswerk dürfen nicht in Frage gestellt werden
Im Deutschen Bundestag sollte heute über den interfraktionellen Antrag von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen „25 Jahre deutsch-polnischer Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“ abgestimmt werden. Unter Verweis auf die Berücksichtigung der „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ hat die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen ihre Zustimmung zum interfraktionellen Antrag „25 Jahre deutsch-polnischer Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“ verweigert. Daraufhin war die Gesamtfraktion der SPD nicht mehr bereit, den gemeinsam bereits vereinbarten Antrag mitzutragen und der interfraktionelle Antrag wurde von der Tagesordnung der heutigen Plenarsitzung genommen.
Die Verweigerungshaltung der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, den Antrag zum 25. Jahrestag des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags mitzutragen, ist ein schwerer Affront gegen die deutschen Heimatvertriebenen.
Am 5. August 1950 bekannten sich die deutschen Heimatvertriebenen mit der Verabschiedung der Charta, nur fünf Jahre nach Kriegsende und den Gräueln von Flucht und Vertreibung, zum Aufbau eines gemeinsamen Europas und Deutschlands. Mit der verabschiedeten Charta setzte man eindrucksvoll ein Zeichen für Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Völkerverständigung, ohne dabei das Gedenken an die Vertreibung außer Acht zu lassen. Ausdrücklich heißt es in der Charta, dass die Heimatvertriebenen auf Vergeltung verzichten und die Schaffung eines geeinten Europas, in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können, sowie den Wiederaufbau Deutschlands und Europas nachhaltig unterstützen wollen.
Das schwere Schicksal der Heimatvertriebenen hat diese nie daran gehindert, die Verständigung – ganz im Sinne der Charta der deutschen Heimatvertriebenen – mit unseren Nachbarn im Osten zu suchen. Die Heimatvertriebenen haben in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche freundschaftliche Kontakte zu den Menschen aufgebaut, die jetzt in ihrer alten Heimat leben. Die Vertriebenen haben zudem beispielhaft vorgelebt, dass Verständigung mit unseren östlichen Nachbarn möglich ist. Diese Kontakte erleichtern es uns allen heute, auf dem Weg der Verständigung und Versöhnung voran zu schreiten.
Bereits im Jahre 2010 zählte der Präsident des Deutschen Bundestages, Norbert Lammert, die Charta zu einem der „Gründungsdokumente der Bundesrepublik Deutschland“ und bezeichnete sie als „wesentliche Voraussetzung ihrer vielgerühmten Erfolgsgeschichte“. Die historische Bedeutung des Dokuments liege auch darin, dass sie „außenpolitisch einen Kurs der europäischen Einigung und Versöhnung unter Einbeziehung der mittel- und osteuropäischen Nachbarn vorbereitet“ habe. Auch aus diesem Grunde hat die Berücksichtigung der „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ im nun gescheiterten Antrag ihre große Berechtigung.
Mit ihrer Verweigerungshaltung dem Antrag zum 25. Jahrestag des deutsch-polnischen Vertrags unter Bezugnahme auf die „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ aus dem Jahre 1950 zuzustimmen stellt die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen das erfolgreiche Wirken der deutschen Heimatvertriebenen und ihrer Landsmannschaften am deutsch-polnischen Versöhnungswerk insgesamt in Abrede. Dass die SPD sich dieser Haltung anschließt und dafür bereits mit CDU und CSU getroffene Vereinbarungen aufkündigt, ist höchst bedauerlich.
Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag wird sich auch weiterhin zu den bleibenden Verdiensten der deutschen Heimatvertriebenen an der Aussöhnung zu unseren polnischen Nachbarn bekennen und wird sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass diese in Geschichte und Gegenwart gültige Tatsache ihre berechtigte Würdigung erfährt.
Leider wurde der interfraktionelle Antrag „25 Jahre deutsch-polnischer Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“, der zurecht auf die guten politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, kulturellen und zivilgesellschaftlichen deutsch-polnischen Beziehungen hinweist, die es dynamisch fortzuentwickeln gilt, von einem weiteren Ereignis überschattet.
Am 31. Mai 2016 haben Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert und der Sejm-Marschall der Republik Polen, Marek Kuchciński, im Paul-Löbe-Haus die Ausstellung „Polen und Deutsche – Geschichten eines Dialogs“ über die 25 Jahre der deutsch-polnischen Partnerschaft seit Unterzeichnung des Nachbarschaftsvertrages am 17. Juni 1991 eröffnet. Die Ausstellung wurde in Verantwortung des Museums für die Geschichte Polens in Warschau erstellt.
In einem Schreiben an die Mitglieder des Präsidiums des Deutschen Bundestages und an alle Fraktionsvorsitzenden habe ich scharf kritisiert, dass bei der Darstellung des politischen Umbruchs in der damaligen Volksrepublik Polen die Rolle der freien Gewerkschaft Solidarność in einer mit wissenschaftlichen Maßstäben unvereinbaren Weise in den Hintergrund gedrängt wird. Lech Walesa, der damalige mutige Führer der Solidarność, bleibt vollständig unerwähnt. Dies ist völlig unverständlich, zumal der spätere Friedensnobelpreisträger auch im Dialog zwischen Deutschland und Polen eine herausragende Rolle spielte, wovon dessen erster Deutschlandbesuch als Staatsoberhaupt Polens im Frühjahr 1992 wie auch seine herausgehobene Rolle bei den Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag des Mauerfalls in Berlin am 9. November 2009 sehr eindrucksvoll Zeugnis ablegen.
Es dürfte außer Frage stehen, dass die Gründung der freien und unabhängigen Gewerkschaft Solidarność und der durch den – in der Ausstellung ebenfalls unerwähnten – „Runden Tisch“ im Frühjahr 1989 überhaupt erst die Voraussetzungen für eine neue Qualität im deutsch-polnischen Dialog schufen. Auf diese Mängel in der laufenden Ausstellung macht nicht zuletzt der renommierte Historiker und Leiter des Willy-Brandt-Zentrums an der Universität Breslau, Prof. Dr. Krzysztof Ruchniewicz, in seinem Blog aufmerksam.
Auch möchte ich darauf hinweisen, dass die
Solidarność schon im Moment ihrer Gründung im Jahr 1981 ein Bekenntnis zur
Verbesserung der Lage der nationalen Minderheiten in Polen abgelegt und dabei
ausdrücklich auch die deutsche Minderheit mit eingeschlossen hat — deren
Existenz damals von der kommunistischen Staatsführung noch geleugnet worden ist.
In ihrer Darstellung der polnischen Wende-Zeit des Jahres 1989 weist die
Ausstellung weitere Lücken auf; es fehlt etwa jede Erwähnung des „Runden
Tisches“, an dem sich damals Repräsentanten des kommunistischen Regimes und der
Opposition gemeinsam versammelten, um einen Übergang für das politische System
zu beraten — diese Institution sollte im Winter des Jahres 1989/1990 als Vorbild
für den runden Tisch in der DDR dienen.
Schließlich muss die Aussage der Ausstellung als „objektiv falsch“ bemängelt werden, wonach die Bestimmungen des 25 Jahre alten Freundschaftsvertrages zum gegenseitigen Schutz der nationalen Minderheiten in Polen vollständig verwirklicht sind, während dies in Deutschland nur teilweise geschehen ist. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Während deutscherseits etwa für die Einrichtung einer Dokumentationsstelle im zu renovierenden Dom Polski in Bochum auch mit Bundesmitteln haushalterische Vorsorge getroffen wurde und von den Bundesländern erhebliche Anstrengungen für polnischen Sprachunterricht unternommen wurden, sind wesentliche Verpflichtungen der polnischen Seite bislang noch unerfüllt. Auch der Vorsitzende des Verbands der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG), Bernhard Gaida, hat die noch nicht eingelösten Zusagen von polnischer Seite in einem jüngsten Schreiben an den zuständigen Staatssekretär im polnischen Innenministerium, Sebastian Chwałek, beklagt.
Der Leiter des zeithistorischen Willy-Brandt-Zentrums an der Universität Breslau, Prof. Dr. Krzysztof Ruchniewicz, wies nach der Besichtigung der Ausstellung darauf hin, es sei „ein bisschen bedrückend, dass zu so einem wichtigen Anlass sich niemand die Mühe gemacht hat, eine gemeinsame Ausstellung zu organisieren oder eine deutsche Schau in Warschau zu zeigen“.
Die Umsetzung der guten Idee einer Ausstellung über den deutsch-polnischen Dialog konnte in der Tat vielleicht deshalb nicht den hohen Ansprüchen an eine Ausstellung im Deutschen Bundestag genügen, weil sie eben nicht im Dialog erstellt wurde, sondern einseitig durch eine museale Einrichtung nur eines Landes erstellt wurde und offensichtlich als Instrument einer spezifischen Geschichtspolitik eingesetzt werden soll.
Ich bedaure es sehr, dass diese historisch und
sachlich sehr unausgewogene Ausstellung ohne Möglichkeit des Widerspruchs und
des Diskurses im Deutschen Bundestag gezeigt wird. Damit wird den
deutsch-polnischen Beziehungen kein guter Dienst erwiesen.
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