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Geschichtspolitik Von Sven Felix Kellerhoff Zum 25. Jahrestag des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages soll eine Ausstellung "Geschichten eines Dialogs" zeigen. Doch die Darstellung ist sehr einseitig im Sinne der Regierung in Warschau. Zum Dialog gehören immer zwei Seiten. Wer also eine Ausstellung über einen Dialog zeigt, tut gut daran, den Gesprächspartner einzubeziehen. Wie man es nicht machen sollte, zeigt eine Ausstellung, die vergangene Woche eröffnet wurde und die noch bis Ende kommender Woche zu sehen sein soll – und zwar im Paul-Löbe-Haus, dem Ausschussgebäude des Deutschen Bundestages. Anlass ist der 25. Jahrestag des Vertrages über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit, den das vereinigte Deutschland und die Republik Polen am 17. Juni 1991 geschlossen hatten. "Polen und Deutsche. Geschichten eines Dialogs" heißt die Schau, die für das Warschauer Außenministerium und das polnische Parlament (Sejm) vom Museum für die Geschichte Polens in Warschau realisiert wurde. Bundestagspräsident Norbert Lammert und sein polnischer Kollege Sejm-Marschall Marek Kuchcinski eröffneten sie vergangene Woche. Einladungen für die Zeremonie wurden offenbar nur sehr begrenzt verschickt.
Zufall oder weise Voraussicht? Jedenfalls hat die Ausstellung, die der Kurator Waldemar Czuchar gestaltet hat und die Robert Kostro, Direktor des Museums für die Geschichte Polens, verantwortet, jetzt erst mit einiger Verzögerung für Verwunderung, ja Verärgerung in Berlin gesorgt. Hartmut Koschyk, Bundestagsabgeordneter und Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen, kritisierte die "historisch und sachlich sehr unausgewogene Ausstellung", die "ohne Möglichkeit des Widerspruchs und des Diskurses" im Bundestag gezeigt werde. Grund für die Kritik ist einerseits, dass ausgerechnet eine Ausstellung über die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen "eben nicht im Dialog erstellt wurde, sondern einseitig" durch das Warschauer Museum. Doch wichtiger als solche formalen Fragen sind inhaltliche. So kommt in der gesamten Ausstellung der frühere Anführer der oppositionellen Gewerkschaft Solidarnosc und erste Staatspräsident des freien Polen, Lech Walesa, nicht vor. Dafür allerdings der dritte Präsident, der 2010 tödlich verunglückte Lech Kaczynski, und die amtierende Ministerpräsidentin Beata Szydło von der Partei PiS. Wirklich überraschen kann der Verzicht auf Walesa nicht, denn der einzige polnische Friedensnobelpreisträger macht aus seiner Abscheu über die konservative Umgestaltung des Landes durch die PiS-Regierung keinen Hehl. Warum allerdings die deutsche Seite, die ja diese Ausstellung immerhin auf höchster Ebene präsentiert, nicht auf einer Würdigung der Rolle Walesas bestanden hat, bleibt ein Rätsel. Das sieht Museumschef Kostro offenbar anders. Der Breslauer Historiker und Deutschlandexperte Krzystof Ruchniewicz jedenfalls zitiert ihn mit den Worten, die in der Ausstellung gezeigten Personen seien "nach ihrer tatsächlichen Rolle in den deutsch-polnischen Beziehungen" ausgesucht worden. "Wenn Walesa fehle", so Kostro laut Ruchniewicz' Blog weiter, "dann nur deshalb, weil er keine bedeutende Rolle in diesen Beziehungen gespielt hat." Der gegenüber Fehlentwicklungen in seiner Heimat wie in Deutschland gegenüber sensible Wissenschaftler aus Breslau findet für solches Vorgehen klare Worte: "Wenn Geschichtspolitik so realisiert wird, dann muss man sie als ein sehr grobes Werkzeug betrachten." Doch der sachlich nicht nachvollziehbare Verzicht auf Walesa und die einseitige Erarbeitung sind nicht die einzigen Probleme der Schau. Insbesondere Vertreter der deutschen Minderheit in Polen wundern sich, was auf einer kleinen Tafel steht. Dort heißt es zu den Bestimmungen über Minderheitenrechte im Nachbarschaftsvertrag: "Trotz der Erfüllung eines Teils der Verpflichtungen … ist diese Vertragsbestimmung von der deutschen Regierung noch nicht vollständig umgesetzt worden. Von Polen werden die Vertragsbestimmungen in vollem Umfang umgesetzt." Diese Behauptung ist mindestens gewagt. Denn der deutsch-polnische Runde Tisch zu Minderheitenfragen ist faktisch stillgelegt. Und im früheren Schlesien sollen die immerhin zu durchschnittlich einem Fünftel von der deutschen Minderheit bewohnten Ortschaften um Oppeln (Opole) mit der Kreisstadt (deutscher Anteil; 2,46 Prozent) zusammengelegt werden, was automatisch ihre gesellschaftliche Bedeutung schmälern würde. Das jedoch würde sowohl gegen polnisches Recht als auch gegen Regeln des Europarates verstoßen. Zudem beklagen die Vertreter der Minderheit, dass der Deutschunterricht für ihre Kinder zu knapp gehalten werde. Die deutsch-polnischen Beziehungen, die angesichts der Vergangenheit, der Besetzung im Zweiten Weltkrieg und der unsäglichen Verbrechen von Deutschen an Polen vor sowie der Vertreibungen nach 1945 ohnehin schwierig sind, werden in der im Bundestag gezeigten Ausstellung grob verzeichnet. Eigentlich dürfte eine derart fragwürdige Darstellung im deutschen Parlament nicht gezeigt werden.
Für den für kommenden Donnerstag und Freitag aus Anlass des 25. Jahrestags des
Nachbarschaftsvertrages geplanten kreuzweisen Staatsbesuch von Andrzej Duda in
Berlin und von Joachim Gauck in Warschau ist der Streit über die einseitige
"Dialog"-Ausstellung jedenfalls eine Belastung. Ruchniewicz bedauert, dass eine
aus deutscher Sicht erstellte Ausstellung nicht zeitgleich im polnischen Sejm
gezeigt wird. Der Kontrast zwischen einer sachlichen und einer
nationalkonservativen, schon fast nationalistischen Darstellung wäre sicher
lehrreich.
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