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Landkreis Elbing

 


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Hermann Sudermann


Gedenkschrift - 70 Jahre LO-NRW

70 Jahre LO Landesgr. NRW
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Der Landkreis Elbing

Der Landkreis Elbing ist 482,99 qkm groß und hat 28.149 Einwohner, das sind 58,3 auf 1 qkm. Sein Gebiet erstreckt sich ostwärts des Weichsel-Nogat-Deltas und südöstlich des Frischen Haffs, von dem 211,3 qkm ebenso zum Kreise gehören wie die Nehrung zwischen Pröbbernau und Försterei Grenzhaus. Die Oberflächenformen des Kreises sind bedingt durch ihre geologische Entstehung. Neben der durch die Eiszeit entstandenen Elbinger Höhe, auch Trunzer Berge genannt, breitet sich eine weite in der Neuzeit aufgeschwemmte Niederung aus. Ganz andere Formen zeigt die Nehrung mit ihren Dünen, ihren Küstenbildungen an Haff und See und mit den kleinen Waldbeständen. Der bei Kahlberg sich erstreckende Kamelrücken ist ein aus Dünensanden zusammengewehter Höhenzug, 49 m über NN., er bietet reizvolle Ausblicke über die eigenartige, wundersame Landschaft.

Die Elbinger Höhe vor den Toren der Industriestadt Elbing ist von ganz anderen Reizen: Hier erheben sich zahllose Kuppen und Hügel, teilweise mit dunklen Wäldern bedeckt, zwischen ihnen romantische Täler und enge Schluchten, rauschende Flüßchen und Bäche; auf hohen Bergnasen liegen - oft versteckt - uralte Burgwälle und Ruinen. Daneben gibt es stille Waldwinkel, Schmucke Dörfer mit aufragenden Kirchtürmen. 197 m über NN. erhebt sich der Butterberg westlich Trunz, der höchste Punkt der Elbinger Höhe. Von besonderer Schönheit ist die Dörbecker Schweiz, hier genießt der Besucher von dem 158,8 über NN. hohen Blocksberg den „umfassendsten und ausgedehntesten" Fernblick „im Elbingschen Gebiet". Ein Naturparadies ist die Gegend von Panklau, wo unmittelbar am Gutshause die „Heiligen Hallen" liegen; diese aus Mozarts „Zauberflöte" stammende Bezeichnung soll König Friedrich Wilhelm IV. bei einer Fahrt von Cadinen nach Elbing im August 1845 dieser Stätte beigelegt haben. Auf dem hohen Haffufer bei Succase erlebten nicht nur Elbinger, sondern auch viele Besucher aus weiter Ferne in jedem Jahre die bezaubernde Obstbaumblüte. Hier am steilen Höhenrand und auf anderen Punkten der Haffküste bis Tolkemit hin haben Vorgeschichtsforscher ur- und frühgeschichtliche Dörfer und Gräberfelder festgestellt. Die Elbinger Höhe ist wirklich ein landschaftlich, geschichtlich, aber auch wirtschaftlich reiches Gebiet. Große Steinblöcke, Sand, Ton, besonders Lehm, den viele Ziegeleien seit Jahrhunderten abbauen, ermöglichten eine verzweigte Stein- und Erdindustrie. Hinzu kommen die vielen landwirtschaftlichen Betriebe mit ihren guten Erträgen.

Westlich und südlich der Trunzer Berge breitet sich die Niederung aus; sie ist ein Teil des ausgedehnten Weichseldeltas und aus einer Meeresbucht entstanden. Die großen Wassermassen des Weichselstroms lagerten hier Sinkstoffe, Sand, Kies, Ton, Schlick, im Laufe von Jahrtausenden ab und schufen eine von zahllosen Wasserläufen durchzogene, von verlandenden Flachseen, von Sümpfen, Mooren und Sandflächen durchsetzte Landschaft; sie ist im Laufe von Jahrhunderten entwässert, eingedeicht, reguliert und in fruchtbares Acker-, Wiesen- und Weideland von den Bewohnern, besonders eingewanderten Mennoniten, verwandelt worden. Weite Flächen trugen bis vor wenigen Jahrhunderten Wälder, an sie erinnern die Ortsnamen Hohenwalde, Augustwalde, Wengelwalde, Reichshorst u. a. Die fruchtbaren Felder liefern alle Getreidearten, Zuckerrüben, Obst, Tabak und andere Feldfrüchte. Die üppigen Wiesen und Weiden bilden die Grundlage für eine beachtliche Rindvieh- und Pferdezucht. Von besonderer Eigenart ist „der Drausenwinkel", die urwüchsige Landschaft am Drausensee. Man kann ihn kaum einen See nennen; denn sein Wasserspiegel ist zum großen Teil „mit schwimmenden Inseln, Schilf-, Binsen- und Rohrdickungen bedeckt". Mehrere Flüßchen, die Enge Thiene, die Sorge, die Weeske u. a., tragen ihm stetig Sinkstoffe zu, so daß er immer mehr zusammenschrumpft. Die Eindeichungen mögen auch dazu beigetragen haben. Nur die Fahrrinne des Oberländer Kanals, auf dem die Schiffe über die Berge des Oberlandes in den See rollen, wird offen gehalten; sie fahren auf dem Elbingfluß weiter, der den Drausensee entwässert. Die verlandende Seenlandschaft bietet ideale Lebensbedingungen für eine vielfältige Vogelwelt. Vor Jahrhunderten war der See bedeutend größer und tiefer, er dehnte sich vor allem nach Süden und Westen weit aus. Im 13. Jahrhundert war er ein weites, offenes Gewässer, auf dem Schiffe kreuzten und an dessen Ufer alte Fischerdörfer lagen, wie Meislatein, Streckfuß, Ström, Hansdorf u. a.; mehrere von ihnen bestanden schon in der Prußenzeit. Heute beträgt die freie Wasserfläche des Sees nur noch etwa 15 qkm; sein südlicher Zipfel gehört zum Kreise Pr. Holland.

Verwaltungssitz des Landkreises ist Elbing. Seine einzige Stadt, Tolkemit, liegt an der Küste des Frischen Haffs und wird von den beiden Armen des Mühlenbachs umflossen. Ihren Namen trägt sie nach der südlich der Stadt gelegenen prußischen Feste Tolkemita, an die ein Rundwall zwischen zwei Schluchten des Höhenrandes erinnert. Der Deutsche Orden errichtete auf dem Schloß-, auch Amtsberg genannt, eine kleine Ordensburg; sie war Sitz eines Kammeramts und wurde bei Kriegsbeginn 1454 von den Bürgern der Stadt zerstört. Die zum Burgbezirk gehörende Freiheit, später „Tolkemitsche Amtsgasse" genannt, war bis zur Eingemeindung ein Dorf mit eigenem Schulzen. Die Stadt Tolkemit wurde von dem Elbinger Komtur Ludwig von Schippen zwischen 1296/1299 gegründet; ihre verlorengegangene Handfeste wurde 1351 und 1444 erneuert. Der Stadtgrundriß verrät eine planmäßige Anlage mit rechtwinklig sich kreuzenden Straßen; ihr Gebiet reichte ursprünglich nicht bis ans Haff; hier hatte sich der Orden einen Landstreifen vorbehalten, auf dem eine landesherrliche Fischbude stand. Die am Markt gelegene, zuerst als Holzbau errichtete Kirche wurde in den folgenden Jahrzehnten massiv erbaut und 1376 geweiht. Sie ist mehrmals abgebrannt, zuletzt 1767. Nach dem Wiederaufbau erhielt sie 1781/1782 einen Glockenturm und wurde 1900/1901 um zwei Kreuzflügel erweitert. Die Ev. Kapelle wurde 1887 vollendet. Das im Südwesten des Marktes erbaute Rathaus ging auch mehrmals in Flammen auf, es wurde immer wieder, zuletzt 1793, erneuert. Die Stadt trat 1440 dem Preußischen Bund bei, fiel 1454 vom Orden ab und geriet 1457 (1466) unter die Oberhoheit des polnischen Königs, der Stadt und Amt Tolkemit durch einen Starosten verwalten ließ. Als das Gebiet 1772 preußisch wurde, hatte die Stadt nur 183 Bürgerhäuser und 996 Einwohner. Ihre wirtschaftlichen Grundlagen bildeten bis ins 19. Jahrhundert hinein die Landwirtschaft, die bis in die neueste Zeit stark zurückgedrängt wurde (1939 nur noch knapp 11 v. H.), und das Gewerbe, bei dem die Tolkemiter Töpferwaren einen guten Ruf genossen. Der Holzhandel und der umfangreiche Drosselfang gingen im 19. Jahrhundert nach der Abholzung der Wälder immer mehr zurück. Außerdem standen neben der Fischerei Störkocherei, Kaviarbereitung und Fischräucherei in Blüte. Mit der Fischerei war die Schiffahrt verbunden; sie wuchs seit der Vollendung des Hafens 1862/1864, er wurde 1883 erweitert. Die Werft baute u. a. die bekannten Tolkemiter Lominen (Einmaster), mit denen die Schiffer bis in die zwanziger Jahre das „Steinzangen" an der Samlandküste bei Brüsterort ausübten; dabei holten sie mit besonderen eisernen Zangen Steinblöcke vom Meeresgrund, um sie in die Häfen ihrer Abnehmer zu schaffen. In jüngster Zeit bestanden Brauerei- und Mühlengewerbe. Im Jahre 1939 hatte die Stadt 3.875 Einwohner. - Aus Tolkemit stammt der Dominikanermönch Simon Grunau (+ um 1531), der 1510/1530 eine Preußische Chronik verfaßt hat.

Unmittelbar am Nordwestrande der Elbinger Höhe und in der ihr vorgelagerten Niederung liegt Cadinen. Hier wächst noch immer die tausendjährige Eiche mit ihrem dicken, wenn auch hohlen Stamm und ihrer gewaltigen Krone; hier zieht die malerische Klosterruine des 1745/1749 erbauten Franziskanerklosters jährlich Hunderte von Besuchern an, und hier entzücken ein prächtiger Park und das kaiserliche Gutshaus das Auge vieler Menschen. Cadinen war zehn Jahre lang (1804/1814) im Besitz des Elbinger Bankdirektors von Struensee, eines Bruders des hingerichteten dänischen Ministers; nach ihm besaß es viele Jahrzehnte die Elbinger Kaufmannsfamilie Birkner, von der es Kaiser Wilhelm Il. 1898 erwarb. Er ließ das Herrenhaus wie die gesamte Gutsanlage großzügig ausbauen. Es entstanden u. a. eine Ziegelei, das Majolikawerk, dessen Erzeugnisse weithin bekannt und beliebt waren. - Mehrere Dörfer der Elbinger Höhe hatten alte Ordenskirchen: Die um 1360 erbaute Kirche in Dörbeck besaß einen mit Wandmalereien ausgestatteten Chor, den ein Kreuzrippen- und ein Sterngewölbe überdeckten, auf dem Altar einen spätgotischen Schrein und einen Altarleuchter von 1483; das granitene Taufbecken stammte aus dem 14. Jahrhundert. - Das Gotteshaus in Neukirchhöhe, das bis ins 14. Jahrhundert (1366) Pogardichen hieß, war 1885 neuerbaut worden, es besaß ein sehr wertvolles, aus Königsberg stammendes Vesperbild (Pieta), das zwischen 1426/1450 aus feinem Kalkstein gehauen worden ist. - In dem 1856/1860 erbauten Turm der alten, um 1325 errichteten Kirche Trunz hing eine um 1350 gegossene Glocke mit Majuskelinschrift. - Eine Glocke mit Minuskeln aus dem Jahre 1403 läutete in der „schönsten aller preußischen Dorfkirchen" Preußischmark; diese ist um 1350 erbaut worden. - In mehreren Dörfern, z. B. in Lenzen, in Dörbeck, gab es noch zahlreiche Vorlaubenhäuser. - In dem auf der Frischen Nehrung gelegenen Fischerdorf Pröbbernau bestand seit 1454 ein Fischmeisteramt. Die 1681 in Fachwerkbau errichtete Kirche wurde 1801 massiv erbaut, 1860 nach Westen verlängert und ein Turm angebaut. Der sehr schöne Taufstein aus weißem Kalkstein stammt aus der Ordenszeit. - Bei Vogelsang bestand bereits im 14. Jahrhundert auf der Seeseite ein Ordenshof, das Dorf entwickelte sich seit der Gründung des Kruges im Jahre 1439 auf der Haffseite. - Der beliebte Badeort Kahlberg ist aus einem 1424 gegründeten Kruge auf einem kahlen Berge, also einer Düne, entstanden. Als das Dorf Schmergrube zwischen 1644/1723 versandete, sollen seine Bewohner nach Kahlberg umgesiedelt worden sein. Im Jahre 1841 begründeten Elbinger das Badeleben.

Patenschaftsträger für den Landkreis Elbing ist die Stadt Bremerhaven.

Quellen:
Wappen: Ostpreußische Städtewappen,
Landsmannschaft Ostpreußen e.V., Hamburg 1996, Seite 44;
Text: Guttzeit: Ostpreußen in 1440 Bildern, Rautenberg, 1972-1996, Seite 87-92;
Fotos: 10.000 Ansichtskarten, The Yorck-Project, Berlin,
Stichworte: "Elbing" und "Kahlberg", 2001

________________________
weitere Informationen zu Elbing in:
Der redliche Ostpreuße, Kalenderbuch 1990, Seite 60-62, Gas für jeden Haushalt
Der redliche Ostpreuße, Kalenderbuch 1988, Seite 71-74, Die Geschichte der Stadtwerke Elbing.


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