Der
Landkreis Marienburg ist 225,66 qkm groß und hat 39.073 Einwohner, das sind
173,1 auf 1 qkm. Der Fläche nach ist er der kleinste Landkreis Ostpreußens, mit
seiner hohen Bevölkerungsdichte steht er unter ihnen an erster Stelle. Er liegt
im Mündungsraum der Weichsel zwischen Nogat und Sorge im Kleinen Marienburger
Werder, das in die Elbinger und Drausensee-Niederung übergeht, und ist eine
teilweise unter dem Meeresspiegel liegende Schwemmlandebene. Sie war einst
Sumpfland, das seit der Ordenszeit durch deutsche Siedler entwässert,
eingedeicht und seit dem 16. Jahrhundert vorwiegend von Mennoniten kultiviert
worden ist. Auf den fruchtbaren Marschböden werden Zuckerrüben und Weizen
angebaut. Die vortrefflichen Wiesen und Weiden bilden die Grundlage für eine
bedeutende Viehzucht und Milchwirtschaft. Aber auch Obst- und Tabakanbau werden
betrieben. Von der Wohlhabenheit der meist bäuerlichen Bevölkerung zeugen
stattliche Höfe mit schmucken Vorlaubenhäusern in gepflegten Dörfern; in vielen
verarbeiten Molkereien, Käsereien und Zuckerfabriken die landwirtschaftlichen
Erzeugnisse. Die seit 1882 in der
Stadt Marienburg bestehende Zuckerfabrik verarbeitete im Jahre 1937
1.250.000 dz Rüben. In einigen Dörfern bestehen seit Jahrhunderten in gotischem
Stil erbaute Kirchen mit bemerkenswerten, wertvollen Bildwerken, Malereien,
Glocken und anderen Ausstattungsstücken, z. B. in Königsdorf, Notzendorf,
Fischau, Thiensdorf, Thiergart, Altfelde. Der deutsche Charakter des Kreises und
seiner Bewohner zeigte sich eindeutig bei der Volksabstimmung am 11. Juli 1920,
als 17.805 Stimmen auf Deutschland und 191 (= 1,06 v. H.) auf Polen entfielen.
Kreissitz ist die
Stadt Marienburg. Sie liegt auf dem rechten Ufer der Nogat am Nordwestrande
der prußischen Landschaft
Pomesamen, wo eine alte Heerstraße entlangführte. Hier erbaute
der Deutsche Orden zwischen 1274/1280 eine rechteckige Komtursburg mit
Vorburg und Umfassungsmauern, die in den folgenden Jahren vierflügelig ausgebaut
wurde. Als der Hochmeister 1309
die Marienburg zur Residenz und zum Sitz der Hauptverwaltung des Ordens
machte, wurde das Konventshaus zum Hochschloß erweitert, es enthielt
Kapitelsaal, Konventsremter, Dormitorium, also Versammlungs-, Wohn-, Eß- und
Schlafräume. Die St.-Marien-Kapelle mit dem figurenreichen Portal, der „Goldenen
Pforte", wurde zwischen 1331/1344 ausgebaut und durch den vorspringenden Chor
erweitert. In seiner östlichen Außenwand wurde in eine Nische ein 8 m hohes, in
Gold, Blau und Rot strahlendes Mosaikbild der Muttergottes eingefügt, das - um
1340 entstanden - zu den kostbarsten Bildwerken des Mittelalters gehört. Die
unter dem Chor der Marienkirche erbaute St.-Annen-Kapelle ist als Grabstätte der
Hochmeister erbaut worden; bis 1449 wurden elf von ihnen in ihr begraben.
Gleichzeitig mit der Erweiterung der Kapelle entstand der 44,5 m hohe
Glockenturm, der zugleich als Wehr- und Wartturm diente. Die Vorburg wurde als
des „Meisters Gemach" zum Mittelschloß ausgebaut und an seinem Nordflügel eine
neue, größere Vorburg mit Zeughaus, Schnitzhaus, Knechtkammern, Speichern, der
Lorenzkapelle für das Gesinde usw. errichtet. Das großzügig errichtete
Mittelschloß beherbergte im Nordflügel die Firmarie (Hospital) mit der großen
Badestube, das Torhaus und die Amtswohnung des Großkomturs. Im zweigeschossigen
Ostflügel lagen die Gastkammern. An der Nogatseite entstand der viergeschossige
Hochmeisterpalast neben dem um 1320 erbauten Großen Remter; seine reich
geteilten Sterngewölbe werden von drei schlanken Granitsäulen getragen, von
denen sich die dünnen Rippenstrahlen bis zur meisterlich gewölbten Decke
emporschwingen. Es ist ein Raum voll Pracht und Glanz architektonischer Formen.
Ein ebenso vollendetes Meisterwerk ist der nach der Nogatseite vorspringende
Querflügel des Palastes mit dem lichtdurchfluteten Sommer- und dem behaglichen
Winterremter im Obergeschoß; in den beiden quadratischen Räumen gruppieren sich
die ringförmigen Sterngewölbe um je eine granitene Mittelsäule. Auf der Hofseite
liegen kleinere Wohn- und Schlafkammern, des Meisters Kapelle und
Verbindungsgänge. Die 1393 vollendete Außenseite des Palastes ist durch
Strebepfeiler kraftvoll gegliedert, von Zinnen gekrönt und an den vorderen Ecken
durch stattliche Erker bereichert. Wer von der Nogatseite einmal den gewaltigen
Backsteinbau der Marienburg betrachtet hat, wird von der wundervollen Fassade
des Hochmeisterpalastes aufs tiefste beeindruckt und überzeugt worden sein: Hier
hat ein gottbegnadeter Künstler - jedenfalls der rheinländische Baumeister
Nikolaus Fellenstein - ein wahres Kleinod der Backsteingotik geschaffen. Die
Marienburg ist das „Symbol, in dem sich am stärksten sowohl die deutsche wie die
abendländisch-europäische Überlieferung des Landes manifestiert ... Sie ist der
sinnbildliche Ausdruck der Kulturtat und zugleich das größte künstlerische Werk
des Ordens ... großen Kathedralen Europas durchaus ebenbürtig" (Schieder).
Unmittelbar im Anschluß an die gewaltige, von Gräben,
Ringmauern, Türmen und Toren umschlossene Ordensburg entwickelte sich am
Steilhang der Nogat, wahrscheinlich aus einer Krugsiedlung, die
Stadt Marienburg. Landmeister Konrad von Thierberg verlieh ihr 1276 die
Handfeste zu kulmischem Recht. Der
Stadtgrundriß ist einmalig: um einen 340 m langgestreckten und 32 m breiten
Markt stehen die zusammenhängenden, überbauten Vorlaubenhäuser. „Zwei ebenso
lange Parallelstraßen durchziehen die ganze Stadt." Anfang des 14. Jahrhunderts
wird sie durch die Neustadt erweitert. An die Umwehrung der Altstadt, die im
Anschluß an die Vorburgmauer zwischen 1320/1330 durchgeführt sein dürfte,
erinnern Teile der Stadtmauer, das Töpfertor und das Marientor. Das um 1380
erbaute Rathaus enthielt im Erdgeschoß Brotbänke und nach Osten anschließend
Kaufbänke. Die Pfarrkirche St. Johann wurde Ende des 13. Jahrhunderts an der
Nordwestecke nahe dem Schloß erbaut. Sie wurde im Kriegsjahr 1457 zerstört und
später mit Benutzung alter Fundamente bis 1523 wiederhergestellt. Ihr
wertvollster Besitz sind die ordenszeitlichen Ausstattungsstücke (die um 1380
gegossene Glocke, der Taufstein aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts, die
Kalksteinfigur der hl. Elisabeth um 1400, Kopfreliquiare von 1375/1400).
Die 150 Jahre währende Hochmeisterresidenz war für die Stadt
von großem Vorteil; sie belebte den Handel und das Gewerbe; Künstler und
Kunsthandwerker zogen in die Stadt, die kultureller Mittelpunkt für ein größeres
Landgebiet wurde. Aber auch sonst waren die Geschicke der Stadt mit denen des
benachbarten Ordenshauses aufs engste verknüpft. Als nach der
Schlacht bei Tannenberg 1410 der Komtur von Schwetz, Heinrich von Plauen,
die Marienburg gegen die Polen erfolgreich verteidigte, waren die opferwilligen
Bürger in die Burg gezogen und ließen die Stadt aus militärischen Gründen
niederbrennen. Im Ständekriege verteidigten die ordenstreuen Bürger unter ihrem
Bürgermeister Bartholomäus Blume 1457/1460 die Stadt gegen die Polen und den
Preußischen Bund, obgleich verräterische Sölnerführer 1457 die Burg an den König
von Polen verkauft hatten. Bartholomäus Blume wurde hingerichtet. Das ehrwürdige
Ordenshaus, das der geistige, politische und strategische Mittelpunkt und die
sicherste Stütze der Ordensherrschaft gewesen war, geriet mit der Stadt unter
polnische Herrschaft; die Bevölkerung blieb rein deutsch. Burg und Stadt waren
1626/1629 und 1656/1660 von Schweden besetzt, wurden 1772 wieder preußisch; am
27. September huldigten die westpreußischen Stände in der Marienburg dem
preußischen König. Das Schloß wurde Kaserne, 1799 Magazin. Nach einem Aufruf Max
von Schenkendorfs (1803) ordnete König
Friedrich Wilhelm III. im nächsten Jahr ihre Erhaltung an. Unter der Leitung
des Oberpräsidenten von Schön wurden 1817/1839 der Hochmeisterpalast und der
Große Remter nach Schinkels Entwurf wiederhergestellt. 1882 setzte die zweite
umfassendere Wiederherstellung durch Conrad Steinbrecht ein, die ab 1922 durch
Bernhard Schmid fortgesetzt worden ist. Die Lage der Stadt an der schiffbaren
Nogat und am Rande der fruchtbaren Werder begünstigte ihre wirtschaftliche
Entwicklung. Der Wasserweg und die Durchgangsstraße ermöglichten den Handel mit
Holz, Kürschnerwaren, Tuchen, Leinwand und mit landwirtschaftlichen
Erzeugnissen, vor allem mit Getreide und Pferden, auch mit Wein. Kriege und
Brände haben die Stadt mehrmals schwer geschädigt. Im 19. Jahrhundert erlebte
sie erst nach Jahrzehnten nach den napoleonischen Kriegen einen neuen
wirtschaftlichen Aufschwung, vor allem nach dem Anschluß Marienburgs an das
Eisenbahnnetz, nach
Braunsberg 1851, nach Dirschau 1857, als die eiserne Nogatbrücke
fertiggestellt war, nach den Weichselstädten 1883 u. a. Nach 1871 entstanden
Maschinen-, Zementröhren-, Kalksandstein-, Asphalt-, Zigarren- und Malzfabriken,
vor allem eine große Zuckerfabrik. Daneben blühte der Handel mit Getreide, Holz,
Vieh und Käse. Nach 1900 wurden mehrere Vororte eingemeindet und neue Stadtteile
erbaut. Das seit der Ordenszeit bestehende Schulwesen wurde in den letzten
Jahrzehnten in großzügiger Weise erweitert; es bestanden zahlreiche Volks-,
höhere und Fachschulen, 1813/1924 ein Lehrerseminar, 1833/1923 eine
Taubstummenanstalt. Recht rege war das städtische kulturelle Leben. Seit den
zwanziger Jahren zogen die Marienburger Festspiele jährlich Zehntausende nach
der Nogatstadt; sie war des Ordenschlosses wegen seit, jeher ein bedeutender
Fremdenverkehrsort. Die Stadt hatte 1939 27.300 meist evangelische Einwohner;
1920 hatten sich bei der Abstimmung 98,3 v. H. für Deutschland entschieden. Im
Jahre 1945 wurde Marienburg nach dem Vorstoß der sowjetischen Übermacht vom 27.
Januar bis zum 9. März hart und wechselvoll umkämpft. Dabei wurde die Stadt zu
45 v. H. zerstört, das Schloß hauptsächlich auf der Landseite, wo der Turm des
Hochschlosses und die Marienkirche mit dem wundervollen Chor und der strahlenden
Madonna zerstört wurden. Der Hochmeisterpalast blieb fast unbeschädigt. Die
Marienburg fiel erst am 18. März nach langwierigen Kämpfen an die Sowjets. Seit
1945 steht Marienburg unter polnischer Verwaltung; diese hat das Schloß
wiederhergestellt.
Patenschaftsträger für den Landkreis Marienburg ist die
Hansestadt Hamburg.
Quellen:
Wappen: Ostpreußische Städtewappen,
Landsmannschaft Ostpreußen e.V., Hamburg 1996, Seite 45;
Text: Guttzeit: Ostpreußen in 1440 Bildern, Rautenberg, 1972-1996, Seite
95-97;
Foto: 10.000 Ansichtskarten, The Yorck-Project, Berlin, Stichwort:
"Marienburg", 2001
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