| |
Ein Kloster gab dem am 3. Mai 1660
geschlossenen Frieden zu Oliva seinen Namen
von
Prof. Dr. Rüdiger Ruhnau
Am Rande herrlicher bewaldeter Höhen, in Sichtweite der
Ostsee, liegt das alte Zisterzienserkloster Oliva, das in der
preußisch-deutschen Geschichte eine bemerkenswerte Rolle spielte. Schon
immer hatten die Zisterziensermönche einen Blick dafür, geeignete
Örtlichkeiten zu finden, die sich zur Mönchsniederlassung besonders
eigneten. Ihr außerordentlich fruchtbares Wirken auf die deutsche
Ostsiedlung hatte seine Gründe in zwei Vorschriften des Ordens. Einmal
sollten die Klöster fern von menschlichen Ansiedlungen errichtet werden, zum
anderen mußten die Mönche ihren Lebensunterhalt durch Ackerbau und Viehzucht
verdienen. Dies war natürlich mit dem Erwerb von Grundbesitz verbunden,
womit gleichzeitig die Basis für kolonisatorische und missionarische
Keimzellen gelegt wurde.
Sechseinhalb Jahrhunderte blieben die Zisterzienser im Besitz
des Klosters, bis 1831 die Aufhebung des Konventes erfolgte. Die Äbte von Oliva
besaßen das Vorrecht, einen Krummstab zu tragen, das Zeichen der Bischofswürde.
Anfänglich nahmen diese Stellung nur Deutsche ein. Die zwei letzten Äbte von
Oliva waren Verwandte der preußischen Königsfamilie der Hohenzollern, mit ihnen
beginnt unser Rückblick.
Als sich die Großmächte Rußland, Österreich und Preußen über die
erste Aufteilung des zur Selbstregierung unfähigen Polens einigten,
konnte der größte Teil Pommerellens
nach über 300jähriger Fremdherrschaft wieder einem deutschen Staatswesen
eingegliedert werden. König
Friedrich der Große gab dem früheren
Deutschordensland in einer Kabinettsorder vom 31. Januar 1773 den Namen „Westpreußen“.
Ost- und Westpreußen zusammen bildeten fortan das „Königreich Preußen“. Seit dem
Besitzergreifungspatent (1772) nannte sich Friedrich der Große „König von
Preußen“, statt wie bisher „König in Preußen“.
Am 27. September 1772 huldigten die Stände Pommerellens den
königlichen Kommissaren im Großen Remter der Marienburg. Die Einbeziehung
Danzigs (und Thorns) in die neuen Erwerbungen gelang nicht. Friedrich der Große hat dies als besonders schmerzlich empfunden. Sie scheiterte am
Einspruch Rußlands, das eine Zunahme des preußischen Einflusses an der
Ostseeküste fürchtete. Tatsächlich ist dann ja einige Zeit später - 1793 wurde
Danzig preußisch - die Weichselmetropole zur Geburtsstätte der
preußisch-deutschen Flotte geworden. Aber was geschah jetzt mit
Oliva,
das nur zehn Kilometer von Danzig entfernt liegt? Als Ausgleich für die stolze
Hansestadt erhielt Friedrich gewisse Teile des zur Freien Stadt gehörenden
Gebietes, darunter das Dorf Oliva samt Kloster und beträchtlichem Grundbesitz.
Auch ein Teil des Hafens mit der Westerplatte fiel an Preußen, womit ihm die
Erhebung einiger wichtiger Schiffahrtsabgaben sicher war.
Mit der Erwerbung Pommerellens wurde Johann Friedrich Domhardt, bedeutendster
ostpreußischer Verwaltungsbeamter, von Friedrich zum Oberpräsidenten der neuen
Provinz ernannt. Ihm oblag der Aufbau der Administration nach preußischen
Grundsätzen. Der umfangreiche Kirchenbesitz kam in staatliche Verwaltung,
darunter auch die beiden Zisterzienserklöster Oliva und Pelplin. Mit
harten Bestimmungen, mitgetragen von der Klosterleitung, ging man gegen
Mißstände der Mönche vor, als da waren: „Trunksucht, abscheuliches Tabakrauchen,
unberechtigtes Verlassen der Klausur, das Umhertreiben bei Tag und Nacht“ etc.
Das Kloster mußte wieder zu den einfachen Lebensformen einer strengen
Mönchszucht zurückfinden. 1782 ernannte Friedrich der Große den Grafen
Johann Karl von Hohenzollern-Hechingen zum Abt in Oliva. Diesen Abkömmling aus
der katholischen Linie der Hohenzollern-Hechingen hielt er für den geeigneten
Vermittler zwischen dem evangelisch-reformierten preußischen Herrscherhaus und
dem neuen, überwiegend katholischen Land. Der 1732 in Süddeutschland geborene
Graf Johann Karl war von
Friedrich dem Großen bereits zum Koadjutor des
Bischofs von Kulm bestimmt, und als das Bistum Ermland vakant
wurde, ernannte er ihn zum Fürstbischof von Ermland unter gleichzeitiger
Beibehaltung der Olivaer Pfründe. Für das Zisterzienserkloster erwies sich diese
Regelung insofern als vorteilhaft, als es eigens aus dem polnischen
Diözesansprengel Leslau ausgesondert wurde und nun dem rein deutschen Bistum Ermland angehörte.
Welche eigenartigen Karrieresprünge Angehörige des Hochadels
seinerzeit mühelos vollführten, zeigt der Lebensweg des nachmaligen Abtes Johann
Karl von Oliva. Er hatte zunächst die militärische Laufbahn eingeschlagen und
wurde mit „Patent vom 13. Februar 1759 für den Reichsgrafen Johann Karl von
Hohenzollern-Hechingen zum Oberstleutnant des herzoglich württembergischen Corps
Grenadiers a cheval“ ernannt. Möglicherweise häufte er deswegen in seinen
kirchlichen Ämtern so viele Schulden auf, denn nach seinem Tode mußten das
Kloster Oliva und das Bistum Ermland für 42.000 Taler Schulden aufkommen.
Im Jahre 1803 setzte
König Friedrich Wilhelm III.
einen Neffen von Johann Karl zum neuen Abt in Oliva ein. Unter Graf Joseph von Hohenzollern-Hechingen erlebte das Kloster, infolge wiederholter Belagerungen,
eine schwere Leidenszeit. Nach dem Ende der Kämpfe machte sich Fürstbischof-Abt
Joseph außerordentlich verdient um den Neuaufbau in Westpreußen und im Ermland, insbesondere lag ihm die Neuordnung des Schulwesens am Herzen.
Das Zeitalter der Aufklärung begünstigte die sich anbahnende
Auflösung der Klöster in Preußen. 1831 verfügte Friedrich Wilhelm III.
die Liquidierung des Zisterzienserklosters Oliva. Treibende Kraft war der
„aufgeklärte“ Oberpräsident von Ost- und Westpreußen, Theodor von Schön. Nach
einem heftigen Streit mit dem Oberpräsidenten durfte Abt Joseph das neben der
Klosterkirche bestehende Abtschloß bis zu seinem Tode 1836 bewohnen. Über seine
letzte Heimstätte schrieb er an einen Freund: „Oliva ist mein stilles Glück,
meine Erholung, ein Ort, der mir unsäglich teuer ist.“
Zu einem Schauplatz von europäischer Bedeutung geriet das
Kloster Oliva rund 170 Jahre vor seiner Säkularisation. Wie viele der großen
Friedensschlüsse, ist auch der Friede zu Oliva, 1660, durch Vermittlung einer
neutralen Macht zustande gekommen. Frankreich hatte ein lebhaftes politisches
Interesse daran, eine Vermittlerrolle im nordöstlichen Europa zu übernehmen.
Anfang des 17. Jahrhunderts stießen dort die Machtinteressen der Fürsten, die
Handelsinteressen der Kaufleute, schließlich auch die Religionsinteressen von
Protestanten und Katholiken aufeinander. Sie erreichten in den
Auseinandersetzungen Schwedens mit Polen um die Beherrschung der
Ostseeküstengebiete ihre Höhepunkte.
Der Große Kurfürst mußte diplomatisch geschickt
zwischen den beiden Ostseeanrainern lavieren. Mal verbündete er sich mit den
Schweden gegen Polen, dann wiederum trat er als Bundesgenosse des Polenkönigs
gegen die Nordmannen auf. Immer aber stand für Kurfürst Friedrich Wilhelm der
Erwerb ganz Pommerns und die Lehnsunabhängigkeit für Ostpreußen im
Vordergrund. Zwar konnte er im Frieden zu Oliva das wertvollere Vorpommern nicht
behaupten, doch die Souveränität in Preußen erreichte er, die tonangebenden
europäischen Mächte verpflichteten sich vertragsgemäß dazu. Damit ist in
Oliva der Grundstein für Preußens spätere Großmachtstellung gelegt worden.
Etwa fünf Monate währten die Verhandlungen, bevor es zum
Austausch der Urkunden kam. Die brandenburgische Delegation umfaßte 65 Personen,
unter Führung des langjährigen kurfürstlichen Gesandten Johann von Overbeck. Die
Schweden erschienen mit einem Gefolge von 200 Personen, als Quartier wies man
ihnen Zoppot zu. König Kasimir von Polen traf in Danzig ein, wo er bis
zum Ende der Vorverhandlungen wohnte. Von kaiserlicher Seite war Baron Franz von
Lisola abgeordnet; Vertreter Danzigs war der Syndikus Fabrizius. Außerdem hatten
Holland, Dänemark und Kurland Vertreter geschickt, die aber nicht zu den
Verhandlungen zugelassen waren.
Am
3. Mai 1660 erfolgte die Siegelung der Friedensdokumente im „Friedenssaal“
neben dem Kreuzgang der Klosterkirche. Vor einer aus Danzig
herbeigeschafften Menschenmenge verlas man den Wortlaut. In der Kirche wurde das
„Te deum laudamus“ angestimmt, den glücklichen Abschluß verkündete der Donner
zahlreicher Kanonen, in der Stadt fand ein großes Dankfest statt. Die
Friedensdokumente waren in lateinischer Sprache abgefaßt, ebenso war
ausschließlich Latein die Verhandlungssprache. Schweden verzichtete auf die
strittigen Rechte der Erbfolge in Polen, letzteres mußte auf Livland
verzichten. Die Freude über den Frieden von Oliva war so groß, daß der Rat der
Stadt Danzig verschiedene Gedenkmünzen in Gold und Silber prägen ließ.
Heute noch erinnern der Tisch, auf dem die Urkunden unterschrieben wurden, und
eine Inschrifttafel an das historische Ereignis.
Zeitlich nicht so weit zurück liegt ein anderes denkwürdiges
Ereignis, nämlich die Gründung des Bistums Danzig mit Oliva als Bischofssitz.
Verbunden mit der Rangerhöhung, hatte man die alte Klosterkirche, die seit dem
Jahre 1831 als Pfarrkirche diente, zur Bischofskathedrale bestimmt. Es war der
ehrwürdigste Kirchenbau des Freistaates, auf den die Katholiken zurückgreifen
konnten, denn die viel bekanntere und größere Marienkirche gehörte seit der
Reformation den Protestanten.
Als die Versailler Siegermächte das untere
Weichselgebiet vom deutschen Mutterland abtrennten und zur „Freien Stadt“
erklärten, entstand ein knapp 2.000 Quadratkilometer großer Miniaturstaat,
dessen Verfassung der seinerzeit geschaffene Völkerbund garantieren sollte. Für
die Danziger Katholiken - etwa ein Drittel der im Jahre 1924 384.000 Einwohner
zählenden Freistaatbevölkerung - war mit dem Wiederentstehen des polnischen
Staates ein unhaltbarer Zustand eingetreten. Soweit sie ihren Wohnsitz westlich
der Weichsel hatten, und das waren zirka 89 Prozent, gehörten sie dem polnisch
gewordenen Bistum Kulm an. Die ostwärts der Weichsel wohnenden Katholiken
bildeten einen Teil der ostpreußischen Diözese Ermland. Man hielt es auf die
Dauer für untragbar, daß die Geistlichen des Freistaates von dem polnischen
Bistum Kulm bestimmt wurden. Sowohl im Danziger Klerus als auch in der
katholischen Laienwelt herrschte die Auffassung, daß eine kirchliche
Verselbständigung des Danziger Gebiets die beste Lösung wäre. Demgegenüber
verlangte Polen vom Vatikan entweder die völlige Angliederung an ein polnisches
Bistum oder die Errichtung einer Danziger Diözese mit einem polnischen Bischof
an der Spitze. Beides lehnte der Papst ab.
Unterstützung erhielten die Danziger Bestrebungen vom
Auswärtigen Amt in Berlin, das über sein „Vatikan-Referat“ Verbindung zum
päpstlichen Staatssekretariat unterhielt. Die Politik des Deutschen Reiches
gegenüber Danzig in den Jahren 1920 bis 1933 ging davon aus, daß der
Freistaatstatus nur ein vorübergehender sei und früher oder später die
Verbindung zum abgetrennten Ostpreußen wieder hergestellt werden würde. In
langwierigen mehr oder weniger geheimen Verhandlungen gelang es der Danziger
Diplomatie, die Errichtung einer selbständigen Diözese zu erreichen. Mit der
Bulle „Universa Christi Fidelium Cura“ (in unserer aller Christgläubigen
umfassenden Sorge) von 1925 erhob Papst Pius XI. die bisherige Danziger
Administratur zum exempten Bistum, das heißt unmittelbar Rom unterstellt. In
einem kirchlichen und staatspolitischen Weiheakt erfolgte in der Kathedralkirche
Oliva die Inthronisation von Graf Eduard O’Rourke zum ersten Bischof von Danzig.
Nachfolger O’Rourkes wurde Bischof Dr. Splett, den die
polnischen Behörden 1945 in einem Schauprozeß zu acht Jahren schweren Kerker
verurteilten. Oliva gehört heute zu den Touristenattraktionen. Die im Krieg
beschädigte Kathedrale ist in alter Form wieder aufgebaut worden, sie
beeindruckt auch mit ihrer reichen Innenausstattung. Erwähnenswert ist das
Altarbild von Andreas Stech, dem Danziger Meister der barocken Portraitmalerei.
Eine Hauptrarität ist die berühmte Orgel, 1763 bis 1788 von Johannes Wulf
erbaut. Auf dem renovierten Instrument finden regelmäßig Orgelkonzerte statt.
Der gepflegte, zehn Hektar große Schloßpark mit dem Rokoko-Schloß der Äbte
sticht wohltuend ab von den bescheidenen Wohnstätten der zugezogenen
Bevölkerung.
|
Quellen:
S/W-Foto "Friedenssaal": Archivmaterial;
Text:
Preußische Allgemeine Zeitung, (www.ostpreussenblatt.de),
3.5.2003, Seite 21;
Fotos:
10.000 Ansichtskarten, Deutschland um 1900 im Bild,
Stichwort "Oliva",
The Yorck Project, Gesellschaft für Bildarchivierung, Berlin, 2002 |
|