Die Stimme tief und rauchig,
die
Lieder melancholisch
Am 19. Mai 1942 wurde die Sängerin und Komponistin Alexandra
in Heydekrug (Memelland / Ostpreußen) geboren.
Von Martin Böttcher
Ihre Karriere währte nur kurz - im Alter von 27 wurde die Sängerin
Alexandra bei einem Autounfall getötet. Geblieben sind: ihre Songs, die sich
zwischen Schlager, Chanson und Volkslied bewegen und eine Geschichte von
Träumen und Enttäuschungen.
Die Stimme tief und rauchig, die Lieder melancholisch, nachdenklich,
sehnsuchtsvoll, die Haare dunkel und zum Bob geschnitten - so tauchte Alexandra
gegen Mitte, Ende der 60er Jahre auf den Bühnen und Fernsehschirmen der
Bundesrepublik Deutschland auf. Es war die Zeit von Beatles und Stones, von APO
und Studentenprotesten, aber auch von Heintje, Peter Alexander, Roy Black.
Wer war dieses Mädchen, das scheinbar aus dem Nichts auftauchte und mit
russischen Volksweisen und osteuropäisch eingefärbten Liedern die Leute in
Massen für sich einnahm? Ein Flüchtlingskind, die jüngste von drei Töchtern -
die Familie floh 1944 vor der Roten Armee aus dem Memelland. Alexandra, die
eigentlich Doris Treitz hieß, wuchs in Kiel auf und verließ kurz vor dem Abitur
die Schule: Zuerst wollte sie Grafikerin und Modedesignerin werden, dann
besuchte sie die Schauspielschule. 1962 nahm sie an einem Schönheitswettbewerb
teil und wusste da schon ziemlich genau, wo es einmal hingehen sollte, wie ein
Interview aus der Zeit verrät:
"Natürlich hoffe ich dann, Chanson-Sängerin
zu werden. Und zwar werde ich, möchte ich 'mal gerne russische Chansons singen.
Und überhaupt … vom Balkan, französische. Das ist mein Berufstraum."
Miss Germany wurde Alexandra nicht, sie landete auf dem neunten Platz des
Schönheitswettbewerbs. Kurz danach lernte sie den 30 Jahre älteren russischen
Emigranten Nikolai Nefedov kennen. Sie heiratete und bekam wenig später ein
Kind. Gleichzeitig ging es langsam mit der Karriere los: Erste kleine
Schauspielrollen, erste kleine Auftritte, die ersten Kontakte zur
Musikindustrie.
Der Plattenproduzent Fred Weyrich wurde auf die einprägsame Stimme aufmerksam.
Mit Alexandras Manager Hans R. Beierlein war er sich einig: Die junge attraktive
Frau hatte das Zeug zum Star. Und die Richtung stand auch schnell fest:
sehnsüchtig-wehmütig- osteuropäisch - eine Nische, die im Schlagermarkt der 60er
Jahre noch nicht besetzt war. Mit ihrem Song "Zigeunerjunge" wurde Alexandra
praktisch über Nacht bekannt:
"Das Wort Welle liebe ich gar nicht, denn ich
möchte mich auf keine Welle festlegen. Ich singe einfach das, was mir impulsiv
am meisten entgegenkommt, wo ich mich wohlfühle. Und ich glaube, dass das nicht
unbedingt eine Welle ist."
Alexandra war mit der Entwicklung nicht unbedingt glücklich: Von ihrem Mann
hatte sie sich getrennt, für ihren Sohn hatte sie kaum noch Zeit. Der Erfolg
gefiel ihr zwar, sie befürchtete aber, aus der Schublade nicht mehr
herauszukommen - aus der Schublade "ostpreußisches Flüchtlingskind mit Faible
für slawische Befindlichkeiten".
Ihren zweiten Hit "Sehnsucht" hat sie angeblich gehasst. Es wird die Geschichte
erzählt, dass sie das von ihr als "einfältiges Kinderlied" geschmähte Stück ihn
nur ein einziges Mal und nur unter Tränen einsang. Chanson und anspruchsvolle
Lieder, nicht folkloristischer Schlager, interessierten die Sängerin:
"Ich möchte zur Elite zumindest im deutschen
Showgeschäft gehören. Und das nicht erst in zehn Jahren."
Mit dem Wunsch nach mehr Anspruch konnte sich Alexandra langsam durchsetzen. Sie
arbeitete in der Folge mit Gilbert Becaud, Udo Jürgens, und Adamo zusammen, sie
nahm neben russischen Lieder jetzt auch Songs in Englisch, Französisch,
Hebräisch auf.
Was aus der Karriere noch hätte werden können? Wer weiß das schon … am 31. Juli
1969 verunglückte Alexandra tödlich. Ein Ende mit angeblich mysteriösen
Begleitumständen. Aber so mysteriös sind sie gar nicht: Alexandra, mit dem
eigenen Auto unterwegs, missachtete auf der Landstraße auf dem Weg nach Sylt die
Vorfahrt eines LKW. Beim Zusammenstoß wurden sie und ihre Mutter getötet, ihr
sechsjähriger Sohn Alexander, der auf der Rückbank geschlafen hatte, überlebte
leicht verletzt. Gerade einmal 27 Jahre alt wurde sie, die Sängerin mit den
großen Plänen.
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