| 
 |  | 
 
Die große Wildnis   
von Beate Szillis-Kappelhoff 
Um 1200 setzte in Nadrauen, Schalauen und um das 
Kurische Haff herum eine nasse Periode ein, die die Kuren veranlasste, in den 
trockneren Norden zu ihren kurischen Verwandten im heutigen Lettland zu ziehen. 
Um 1400 setzte eine Trockenperiode ein, (es wird von zwei Obst- und sogar 
Weinernten berichtet) und im nördlichen Ostpreußen entstand die "große Wildnis". 
Aus tiefem Urwald entstanden nun die unterschiedlichsten Vegetationsformen 
zwischen völliger Offenheit und undurchdringlichem Dickicht. Neben richtigem 
Dschungel gab es feuchtgründige Formen des "Grauden" und lichte "Damerauen" mit 
Wäldern und Buschwald, deren Bestand an Eichen erheblich war. Eine erstaunlich 
große Verbreitung hatten auch Heideflächen und Heuwiesen.  
Zeugnisse davon geben zahlreiche Ordensberichte, 
denn um in ihre Ordensburgen im Nord-Baltikum zu gelangen oder um gegen die 
kämpferischen Litauer anzutreten, mussten die Ritter durch die Wildnis. Zwar 
bewältigten sie die Strecken auch per Schiff oder im Winter über das 
zugefrorenen Haff, aber der relativ bequeme Weg am Strand entlang war nicht 
ungefährlich, weil stets mit blutigen Überfällen der Szemaiten aus dem 
Hinterhalt der Dünen zu rechnen war.  
Das Durchqueren der Wildnis mitsamt dem Tross 
dauerte mehrere Tage und erforderte großes logistisches Geschick: "Meylisskenfeld 
... do ist wassers gnug, sunder man müs off eyne nacht futer mete nehmen ...", 
"die Milow ... do findet man füters genug, das müs man die helfte behalden vf 
die wedirreise", "die erste nacht ... ken dem Noyken, do let man czu eyner nacht 
cost vf den wedirweg ... die dritte nacht liet man zur Splitter ..., do let man 
die andir cost ... czu Wyste do let man die dritte cost."  
Das Fehlen menschlicher Siedlungen sowie der 
Verlust von Nahrungsmitteln konnten durchziehende Heere aber auch Einzelgruppen 
in die größte Verlegenheit bringen, Hungertod in der Wildnis war keineswegs 
selten. Auch Kaufleute hatten die Wildnis zu durchqueren, wobei sie sich, so sie 
einheimisch waren, der Wasserwege bedienten. Waren sie jedoch Fremde, so 
brauchten sie ebenso wie die Heere Kundschafter, sogenannte "Struter", die 
zunächst eine irreguläre Truppe waren, später aber auch aus übergelaufenen 
Prußen bestand. Diese Struter gingen zu Fuß und hinterließen am Wegrand 
Markierungen. Auch von ihnen sind zahlreiche Berichte überliefert: "... das die 
lute von Prussin mogin czin in das land czu Sameiten do selbins czu kouffslagen, 
des selbin glich zulle wir von Sameiten ouch wedir czin ken Jorgenburg, ken 
Ragnith und ken der Memil...", "Der dritte hawffe was gekomen in die wiltenis, 
do karten sie wedder unde czogen wedder heym ... wendyn woren czithungen gekomen, 
das die Samayten legen vor der wiltenisse".  
  
    | 
     
       | 
    
      | 
   
 
 |