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Neues aus der Versöhnungsanstalt
Kolumne von Stefan Scheil (*)
Der polnische
Historiker Tomasz Szarota begründet
seinen Rückzug aus dem wissenschaftlichen Beraterkreis der Stiftung „Flucht,
Vertreibung, Versöhnung“ in einem lesenswerten Interview mit der
taz vom 19. Januar 2010.
Treffend ist wohl seine These, daß es der Stiftung weniger um internationale als
um die innerdeutsche Versöhnung geht. Das „sichtbare
Zeichen“ von Berlin soll nach dem Willen der Bundesregierung die
Vertriebenen damit aussöhnen, daß ihnen elementare Rechte vorenthalten wurden.
Einen Versuch der Bundesrepublik, für eine Rückerstattung ihrer verlorenen
Vermögenswerte einzutreten, wird es so wenig geben wie den Anlauf für eine
Verfolgung von Vertreibungsverbrechen wie Mord und Totschlag.
Verzicht auf ein Viertel Deutschlands
Allenfalls soll daran erinnert werden, daß es so etwas gegeben hat, sorgfältig
aufgelöst in eine Allgemeindarstellung von europäischen Vertreibungen des 20.
Jahrhunderts, jeweils ohne politische Verantwortungszuweisung – mit einer
Ausnahme: Über den Umweg von Kollektivschuldbehauptungen und verqueren
Kausalitätsthesen wird den deutschen Vertriebenen eine Mitverantwortung für ihr
Schicksal zugeschoben.
Soll man sich nun damit aussöhnen, weil mehr derzeit angeblich nicht
durchsetzbar ist? Dies wäre der klassische Weg der Ostpolitk der letzten vierzig
Jahre, die mit vollen Händen und ohne Gegenleistung weggab und sich folgerichtig
nach dem billionenschweren Verzicht auf ein Viertel Deutschlands aus den
Vertreiberstaaten noch Narreteien der Art anhören muß, es fehle an deutschen
Reparationsleistungen.
Versöhnung fällt unter diesen
Umständen schwer, ob das Zeichen nun „sichtbar“ wird oder nicht und irgendwie
auch ganz unabhängig davon, wer letztlich auf welchem Stuhl plaziert wird. Der
Bruch von anerkannten Rechtsnormen schafft eben keine Versöhnung, um so weniger,
wenn er von Finanztransfers begleitet ist. Dann weckt er eher Begehrlichkeiten.
Zentrum für ehrliche Geschichtsforschung
Auch Szarota winkt mit Geldforderungen: „Sie sehen, daß Berlin den Tätern und
Opfern, die im BdV organisiert sind, Millionen an Steuergeldern zuschanzt. Da
fragen sich die Griechen, die Italiener, die Polen natürlich: Und was ist mit
uns?“ So fragt er. Vielleicht kommen eines Tages wirklich noch die Nachfahren
der italienischen Faschisten nach Berlin und wollen Schadensersatz für den
Krieg, den diese Faschisten 1940 mutwillig unter anderem gegen Griechenland vom
Zaun gebrochen haben.
Sicherheitshalber sollte vor einem Zentrum gegen Vertreibungen wohl doch erst
ein Zentrum für ehrliche Geschichtsforschung errichtet werden. Da kann dann auch
Tomasz Szarota seinen Platz
einnehmen und erklären, wie das so war
am 31. August 1939, als der polnische
Botschafter in Berlin erklärte, sich nicht für deutsche Verhandlungsangebote
interessieren zu müssen und vom kommenden Marsch polnischer Truppen auf Berlin
sprach. Und wenn das alles einmal auf dem Tisch war, dann wird es auch eine
Chance für wirkliche Versöhnung geben.
Stefan
Scheil, Historiker, 1963 in Mannheim geboren, Studium
der Geschichte und Philosophie in Mannheim und Karlsruhe, Dr. phil. 1997 in
Karlsruhe. Er ist Autor zahlreicher Buchveröffentlichungen zur Vorgeschichte und
Eskalation des Zweiten Weltkriegs, sowie zum politischen Antisemitismus in
Deutschland, träger des Gerhard-Löwenthal-Preises für Journalisten 2005,
verheiratet und Vater von zwei Kindern.
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