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Die Volksabstimmung von 1920 Veranstaltung war eigentlich für das Frühjahr geplant von Bärbel Beutner Noch nie habe ich in so einem festlichen Rahmen vor so wenigen Leuten gesprochen!“, lautete die Begrüßung des Hauptreferenten Manuel Ruoff. Ja, die Kulturtagung des BdV-Landesverbandes NRW am 31. Oktober fand unter Corona-Bedingungen statt. In dem großen Eichendorff-Saal des Gerhart-Hauptmann-Hauses in Düsseldorf durften sich nur 35 Personen aufhalten – die Zahl der Mitwirkenden des Programms betrug schon acht. Umso erfreulicher war die Tatsache, dass von den „genehmigten“ Plätzen, die im vorgeschriebenen Abstand aufgestellt waren, kaum einer leer blieb. Und die Gäste, die den Weg nach Düsseldorf knapp vor dem zweiten Lockdown gewagt hatten, wurden nicht enttäuscht. „Die Volksabstimmung 1920 und ihre Auswirkungen auf die Kultur und Religion in Ost- und Westpreußen unter besonderer Berücksichtigung der masurischen Minderheit“ lautete der inhaltsschwere Titel der Tagung, die eigentlich für den 18. April geplant war. Corona hatte das seinerzeit verhindert, aber die Veranstalter gaben nicht auf. Besonders die Kulturreferentin des Bundes der Vertriebenen, Christina Eichmann, hatte sich eingesetzt und führte nun durch das Programm. Rudi Pawelka, Vorsitzender des BdV-Landesverbandes NRW, begrüßte die Gäste und gab eine kurze Beschreibung des Deutschen Reiches nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem Versailler Vertrag. Danach standen Grenzregionen nicht nur im Osten vor neuen Herausforderungen. Der Hauptreferent Ruoff griff diesen Gedanken auf, als er seinen Vortrag „Volksabstimmung in Ost- und Westpreußen“ begann. „Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Welt im Allgemeinen und Europa im Besonderen neu geordnet“, sagte er, um dann auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker einzugehen. Diesem wollte der Versailler Frieden durch Volksbefragungen in Einzelfällen Rechnung tragen und ordnete entsprechende Abstimmungen für Nordschleswig, Oberschlesien, Teile Westpreußens und das südliche Ostpreußen an. Die Bevölkerung sollte sich für Polen oder das deutsche Reich entscheiden.Die Zuhörer erfuhren Details über die Organisation der Abstimmung. Deutsche Truppen und Behörden mussten die Abstimmungsgebiete verlassen. Interalliierte Kommissionen wurden eingesetzt, die in Allenstein und Marienwerder die Häuser der Regierungspräsidenten und die Verwaltung übernahmen. Briten, Italiener, Japaner und Franzosen „hatten das Sagen“, unterstützt von deutschen Kommissaren als „Vermittler“ und Berater. Deutsche und Polen betrieben Wahlkampf. Die Deutschen gründeten Organisationen, so die „Bezirksstelle Allenstein des Ostdeutschen Heimatdienstes“ und den „Masuren- und Ermländerbund“. Die Presse wurde aktiviert, die „Ostdeutschen Nachrichten“ wurden gedruckt und für die masurisch sprechende Minderheit der „Preußische Volksfreund“. Befürchtete Schwierigkeiten durch die interalliierte Kommission blieben aus, aber von der polnischen Seite gab es Auflagen und sogar Bestrebungen, die Abstimmung absagen zu lassen. Damit scheiterte die polnische Seite, hatte aber Erfolg mit der Forderung, dass auch in den Abstimmungsgebieten Geborene abstimmen dürfen müssten, die nun woanders lebten. Man beabsichtigte damit eine Erschwerung der Abstimmung.Ruoff nannte diesen „Erfolg“ einen Bumerang, denn nun setzte eine Mobilisierung von Stimmberechtigten aus dem Reich und sogar aus dem Ausland und aus Übersee ein. Der Ostdeutsche Heimatdienst organisierte Fahrscheine, Verpflegung und Quartiere. Der Seedienst Ostpreußen wurde besonders in Anspruch genommen, weil man im Polnischen Korridor Hinderungen befürchtete.Mit üppigem Bildmaterial zeigte der Referent die Volksfest-Stimmung rund um den 11. Juli 1920. Die Freude über das überwältigende Abstimmungsergebnis spiegelt sich weniger in den beeindruckenden Zahlen als in den begeisterten Berichten der Zeitzeugen. Jürgen Zauner trug einen Vers vor, den er im „Allensteiner Heimatbrief“ vom Sommer 2020 gefunden hatte:„Sie
logen dich in fremd Gewand Bärbel Beutner warf einen Blick auf die Darstellung der Volksabstimmung 1920 in dem Roman „Die Jeromin-Kinder“ von Ernst Wiechert (1887–1950). Den 70. Todestag des Dichters aus dem Kreis Sensburg erwähnte sie kurz. Sein zweitletzter Roman, erschienen 1946 und ein Bestseller, spielt in dem Dorf Sowirog, dem „Eulenwinkel“, „im Rücken der Welt“. Auch dort, in in der Abgeschiedenheit der Wälder, „klopft die Weltgeschichte an die niedrigen Türen“. Auch dort findet die Abstimmung in dem festlich geschmückten Dorf mit vielen Gästen statt. Aber hier leben die Menschen im Rhythmus der Natur und der Jahreszeiten, unter ewigen Gesetzen, für die die Ereignisse der „Weltgeschichte“ nur ein Augenblick sind. Der Tod einer Mutter von sieben Kindern tritt am Abstimmungssonntag in den Mittelpunkt.Der festliche Rahmen der Kulturtagung wurde von der Pianistin Elena Mogilevskaja, der Geigenvirtuosin Natalia Nolte und dem Pianisten Vladimir Mogilevsky gestaltet. Werke von Frédéric Chopin, Peter Tschaikowsky, Franz Liszt, Beethoven, Schubert und Brahms boten den Gästen ein bewegendes Musikerlebnis in dieser kulturell verarmten Corona-Zeit. Das Ostpreußenlied, das Westpreußenlied und „Ännchen von Tharau“ erfreuten die Zuhörer besonders – singen darf man ja nicht. |