Sitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Die
Villa v. der Heydt in Berlin-Tiergarten
Es geht um Macht, weniger um
Preußen
Ein Gutachten des Wissenschaftsrats
schlägt mit zweifelhaften Argumenten die Auflösung der
Stiftung Preußischer Kulturbesitz vor. Hauptprofiteur wäre der Bund von René Nehring
Das Wort „Zerschlagung" mag sie nicht verwenden.
Und doch laufen die am Montag von Marina Münkler präsentierten Vorschläge des Wissenschaftsrats
zur Zukunft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) genau darauf hinaus.
Nachdem die „Zeit" in der vergangenen Woche vorab
über die Pläne berichtet hatte (siehe den Artikel
„Abschied von Preußen?" auf www.paz.de), war Anfang dieser Woche mit Spannung
die offizielle Vorstellung der „Strukturempfehlungen" des Wissenschaftsrats erwartet
worden. Das Gutachten bescheinigt den fünf Einrichtungen der SPK – die Staatlichen
Museen zu Berlin mit 15 Museumssammlungen und vier Instituten, die Staatsbibliothek
zu Berlin, das Geheime Staatsarchiv, das Ibero-Amerikanische Institut sowie das
Institut für Musikforschung – überwiegend eine hervorragende Arbeit.
Dennoch schlägt das Münkler-Gutachten die Auflösung
der bisherigen Struktur der SPK vor, da die Stiftung im Ganzen „dysfunktional" agiere
und sich ihre bisherigen „Organisations- und Governance-Strukturen (...) inzwischen
hemmend auf die Aufgabenerfüllung, vor allem aber negativ auf die Strategiefähigkeit
der unter dem Dach der SPK vereinten Einrichtungen" auswirkten. Stattdessen sollten
die Einrichtungen organisatorisch und rechtlich verselbständigt und das Institut
für Musikforschung in die Staatlichen Museen eingegliedert werden.
Ganz unberechtigt ist die Kritik an der SPK nicht.
Seit ihrer Gründung 1957 ist die Stiftung kontinuierlich mit ihren Sammlungen und
Aufgaben gewachsen. Die Zusammenlegung der Bestände in West und Ost sowie die noch
nicht abgeschlossene Generalüberholung der Museumsinsel haben die für den Fall einer
Wiedervereinigung vorgesehene Überprüfung der Strukturen in den letzten Jahren verhindert,
sodass die SPK heute durchaus unübersichtlich erscheint.
Nicht gerechtfertigt sind jedoch Vorhaltungen, die
Preußen-Stiftung würde im Vergleich mit anderen Kultureinrichtungen von Weltrang
wie dem Pariser Louvre oder dem British Museum in London – etwa in den Besucherzahlen
– schlechter abschneiden. Denn zum einen haben die französische und britische Hauptstadt
weitaus mehr Gäste als Berlin, zum anderen ist Berlin und insbesondere die Museumsinsel
als Kernstück des Preußischen Kulturbesitzes seit Jahren eine Dauerbaustelle, sodass
es eher ein Wunder ist, dass noch so viele Besucher an die Spree reisen. Diese Baustellen
kann man jedoch schwerlich der SPK ankreiden.
Auch sonst wird bei der Lektüre der „Strukturempfehlungen"
nicht klar, welchen Vorteil eine Zerschlagung der Stiftung für ihre Einrichtungen
brächte. Die geforderte höhere Eigenverantwortung für die Museen, Archive und Bibliotheken
bis hin zur Budgethoheit ließe sich auch innerhalb der bisherigen Struktur umsetzen.
Zumal als Hauptproblem der SPK in dem Gutachten eine gravierende personelle und
finanzielle Unterausstattung genannt wird, die mit einer Aufspaltung der Stiftung
keineswegs behoben wäre.
So wies denn auch Hermann Parzinger, seit 2008 Präsident
der SPK, neben der pflichtgemäßen Betonung der Chancen, die die Strukturempfehlungen
angeblich böten (ohne diese freilich zu benennen) sowohl in der Pressekonferenz
als auch in einem ersten Interview mit dem „Tagesspiegel" darauf hin, dass der weltweite
Trend auch in der Kulturszene dahin geht, dass Einrichtungen erweitert, vergrößert
und zusammengelegt würden; nicht zuletzt, um im globalen Wettbewerb die Konkurrenten
überragen zu können.
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Macht dem Bund
Das wirft die Frage auf, wem die Vorschläge des Wissenschaftsrats
eigentlich nützen. Die Antwort ergibt sich bei einem Vergleich der bisherigen Trägerschaft
der SPK und der vorgeschlagenen Zuständigkeit für die künftig eigenständigen Institutionen.
Wird die SPK in ihrer bisherigen Form zu 75 Prozent
vom Bund getragen und zu 25 Prozent von den Ländern (wovon den Großteil das Land
Berlin beisteuert), so sollen laut den „Strukturempfehlungen" künftig die Staatlichen
Museen zu Berlin „in einer eigenen bundesunmittelbaren Stiftung organisatorisch
verselbständigt werden" und auch die Staatsbibliothek, das Geheime Staatsarchiv
und das Ibero-Amerikanische Institut „in Trägerschaft des Bundes", beziehungsweise
„als Anstalt des Bundes geführt werden".
Mit anderen Worten: Aus einer föderalen Institution,
die weitgehend eigenständig agieren kann, würden vier Bundesinstitutionen entstehen,
die unmittelbar der oder dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
– derzeit Monika Grütters, die das Gutachten in Auftrag gab – unterstünden. „Nachtijall,
ick hör dir trapsen", sagt der Berliner Volksmund in Situationen wie diesen.
Doch warum sollten sich die Länder darauf einlassen?
In der bisherigen Stiftungskonstruktion haben sie – bei begrenzten Beitragspflichten
– volles Mitspracherecht in der größten Kulturinstitution der Bundesrepublik. Wenn
Kulturstaatsministerin Grütters die Länder dazu bewegen will, auf diese Rechte zu
verzichten, wird sie dies nur durch Kompensationen – und zwar für jedes Land einzeln
– bewirken können. Angesichts der Corona-Krise, für deren Bewältigung der Bund gerade
eine Neuverschuldung in historischen Ausmaßen aufnimmt, darf bezweifelt werden,
ob der Finanzminister dafür das Geld bereitstellen wird.
Insofern dürfte trotz der Aufregung der letzten Tage
bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vorerst das meiste beim Alten bleiben.
Richtig neu gemischt dürften die Karten erst in ein bis zwei Jahren werden – wenn
klar ist, wer nach der nächsten Bundestagwahl die Verantwortung für die Kulturpolitik
des Bundes trägt, und wenn klar ist, ob der Bund überhaupt noch Geld für derartige
Manöver wie die Zerschlagung der SPK und deren Folgen zur Verfügung hat.