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BERLIN. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Omid
Nouripor hat seine Parlamentskollegin Erika
Steinbach (parteilos) als den „Erdogan der deutschen Politik“ bezeichnet
und ihr eine Verharmlosung der Nazis vorgeworfen. Die ehemalige
CDU-Politikerin hatte zuvor die Überlegungen des Bundestagspräsidenten Norbert
Lammert (CDU), die Regelung des Alterspräsidenten zu ändern, mit einer
Entscheidung des damaligen Reichstagspräsidenten Hermann Göring verglichen. Dieser hatte am 21. März 1933 das Amt des Alterspräsidenten außer Kraft gesetzt und selbst das Parlament eröffnet. Steinbach kommentierte einen entsprechenden Wikipedia-Screenshot mit den Worten: „Es hat schon andere gegeben, die diesen Punkt einer parlamentarischen Geschäftsordnung unverfroren geändert haben …“ Will Lammert einen AfD-Alterspräsidenten verhindern? Den neu gewählten Bundestag eröffnet
üblicherweise der älteste Abgeordnete. Nach derzeitigem Stand könnte dies
der frühere Vorsitzende der Landsmannschaft
Ostpreußen, Wilhelm von Gottberg, werden, der auf Listenplatz 4 der
niedersächsischen AfD kandidiert. Nach dem Willen Lammerts soll künftig der
dienstälteste Abgeordnete das Parlament eröffnen. Dies liefe auf den derzeitigen
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hinaus. (tb)
Griff in Görings
Trickkiste Die Koalitionsfraktionen wollen auf Initiative von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) einen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages einbringen, wonach künftig nicht mehr der lebensälteste, sondern der dienstälteste Abgeordnete Alterspräsident des Bundestags sein soll. Der Alterspräsident müsse Erfahrung bei der Leitung von Sitzungen haben, sagten die beiden Fraktionsvorsitzenden, Volker Kauder (CDU/CSU) und Thomas Oppermann (SPD). Nach der Geschäftsordnung wird Alterspräsident das älteste Mitglied des Bundestages, dem die Aufgabe zukommt, die konstituierende Sitzung nach einer Bundestagswahl zu eröffnen und zu leiten, bis die Wahl des neuen Bundestagspräsidenten vollzogen ist und dieser sein Amt antreten kann. Ein sachlicher Grund für die geplante Änderung ist nicht erkennbar. Denn bisher waren alle Alterspräsidenten dieser Aufgabe ohne jede Einschränkung gewachsen, auch wenn sie, wie in jüngerer Zeit beispielsweise Stefan Heym und Fred Gebhardt, erst mit Beginn der betreffenden Legislaturperiode ins Parlament eingezogen waren. Die Fraktion der Linkspartei unterstützt das Vorhaben und sagt wenigstens offen und ehrlich, worum es dabei einzig und allein geht: Es soll verhindert werden, dass der dann 77-jährige AfD-Politiker Wilhelm von Gottberg, der einen als sicher geltenden Platz auf der niedersächsischen Landesliste seiner Partei hat, Alterspräsident wird und die Eröffnungsrede hält. Sollte das gelingen, würde Finanzminister Wolfgang Schäuble die konstituierende Sitzung eröffnen. Von Gottberg hingegen wäre als unliebsamer politischer Gegner mit einem Trick über die Geschäftsordnung ausgebootet. Das indes ist nicht neu, sondern wurde so ähnlich schon einmal praktiziert. Das war allerdings zu Zeiten, von denen auch Lammert, Kauder und Oppermann sich zu distanzieren nicht müde werden. Zu Beginn der konstituierenden Sitzung des 8. und zugleich letzten demokratisch gewählten Reichstages am 21. März 1933 nämlich gab Hermann Göring, dessen NSDAP mit Abstand stärkste Partei geworden war, als Präsident des vorherigen Reichstages bekannt, dass „nach einstimmigem Beschlusse in der Fraktionsführerbesprechung“ der Paragraf 13 der Geschäftsordnung über die Eröffnung der ersten Sitzung durch den Alterspräsidenten „außer Kraft treten“ und er selbst als geschäftsführender Präsident die Sitzung eröffnen werde. Es ist befremdlich, dass sich Lammert und
Mitstreiter einer Methode bedienen, die einer derjenigen ähnelt, mit der die
Nationalsozialisten die Gleichschaltung des Parlaments vorangetrieben haben.
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