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Die alten Gedanken tauchen wieder auf. Bernard Gaida berichtet in Wiesbaden im Interview von Vorbehalten gegenüber der deutschen Minderheit in Polen. WIESBADEN - Am Wochenende war der Sprecher der deutschen Minderheit in Polen, Bernard Gaida, Gast beim Tag der Heimat des hessischen Landesverbandes im Bund der Vertriebenen. Gaida führt auch die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten in 21 Ländern. Wir sprachen mit ihm über die aktuelle Situation seiner Gesellschaft in Polen. Herr Gaida, Sie sind 60 Jahre alt geworden. Hatten Sie auch Wünsche an die Politik? Ja, ich hätte gerne, dass sich die Qualität des Schulunterrichts für die deutsche Minderheit verbessert. Wie meinen Sie das? Es gibt laut Minderheitengesetz drei Wege der Beschulung, die das Recht auf eine eigene Sprache garantieren sollen. Die niedrigste Stufe besteht aus drei Wochenstunden Deutsch, gefolgt vom bilingualen Unterricht in mindestens vier Fächern und schließlich die stärkste Form: Deutsch als Unterrichtssprache. Letzteres gibt es bei uns gar nicht, ersteres ist die Regel. Lediglich nicht ganz 20 Schulen bzw. Schulklassen arbeiten bilingual. Wie viele Schüler betrifft das? Amtlich wurde für über 50 000 Schüler Interesse am Deutschunterricht als Muttersprache (genauer gesagt Minderheitensprache) angemeldet. Ich wäre ja schon froh, wenn es mehr bilingualen Unterricht gäbe. Wie viele Menschen in Polen betrachten sich als deutsche Minderheit? Laut letzter Volkszählung sind es 150 000, wir schätzen 300 000 bei 36 Millionen Polen. Wie kommt es zu der Abweichung? Bei der Volkszählung antworteten viele auf die Frage nach der Nationalität mit der Angabe der Region, also, ich bin Schlesier. Ältere Menschen haben aufgrund der Repressalien Nachkriegszeit Angst, sich zum Deutschen zu bekennen. Wir leiten die Zahl 300 000 auch von den amtlich registrierten 50 000 Interessenten für Deutschunterricht ab. Aber es gibt auch andere Merkmale die das begründen. Wandern Deutsche nach Polen ein? Zeitlich befristet kommen Deutsche wegen eines deutschen Arbeitgebers oder für ein Studium. Auch deutsche Investoren besonders aus den mittelständischen Firmen. Dann gibt es Rückkehrer, die aus Polen nach Deutschland gegangen waren und ihre Rentnerzeit jetzt aber in ihrer Heimat verleben. Schließlich siedeln sich Mitglieder der zweiten Generation der Vertriebenen hier an, die Häuser ihrer Vorfahren erwerben. Das sind aber viel weniger, als wir mal vermutet haben. Welche Auswirkungen hat die Politik der national und europaskeptisch ausgerichteten Zentralregierung auf die Lage der Minderheiten? Die Stimmung in der Gesellschaft verändert sich negativ. Vorurteile und Vorbehalte stammen wesentlich noch aus der Zeit der Volksrepublik, als es offiziell nur ein mono-ethnisches Volk der Polen, also keine Minderheiten gab. Nach der Wende und seit dem EU-Beitritt folgte eine positive pro-europäische Welle. Heute tauchen die alten Gedanken wieder auf. Was man jahrelang aus politischer Korrektheit nicht äußern wollte, wird jetzt laut ausgesprochen. Wie äußert sich das? Es wird offen gefragt, warum überhaupt die Deutschen in Polen als eine nationale Minderheit irgendwelche Erwartungen haben. Gilt solches auch für den Staat selbst? Nur indirekt. Zum Beispiel wurden der Stadt Oppeln Gemeinden aus dem Umland zugeschlagen, in denen die deutsche Minderheit stark vertreten ist. Dort gab es zweisprachige Ortsschilder und Deutsch als zweite Sprache auf dem Gemeindeamt. Mit der Eingemeindung wurde das abgeschafft. Unser Einspruch war erfolglos. Wir werden sehen, wie sich diese Änderung bei den Kommunalwahlen im Oktober niederschlägt, wo wir mit eigenen Kandidaten antreten. Erhalten Sie Unterstützung aus Deutschland? Verstehen Sie das nicht falsch, dass ich in erster Linie die Unterstützung, die wir dank Minderheitengesetz als Deutsche mit polnischer Staatsbürgerschaft aus Warschau erhalten, erwähnen möchte. Aber das Auswärtige Amt und Innenministerium aus Berlin helfen uns auch wesentlich. Für was gibt es Geld aus Deutschland? Für kulturelle Tätigkeit und Sprachkurse. Auch institutionelle Förderung erhalten wir aus Deutschland. Zur Sprachförderung. Samstags werden kleine Kinder spielerisch an die deutsche Sprache herangeführt. Weitere Programme haben wir für ältere Kinder und Jugendliche sowie Deutschkurse für Erwachsene. In Oberschlesien war Deutsch selbst als Fremdsprache zwischen 1945 und 1989 verboten. Daher war die Sprache in vielen Familien ausgerottet. Besonders attraktiv für Jugendliche sind aber die Miro-Deutsch-Fußballschulen. Was ist das? In einer Mischung aus Fußball und Deutschlernen wird ein Programm angeboten, für das der frühere deutsche Nationalspieler Miroslav Klose, der schlesische Wurzeln hat, als Pate steht. Das Interview führte Stefan Schröder. Kurzbiografie Bernard Gaida wurde 1958 in Guttentag geboren. Er
studierte in Posen Holztechnologie und Theologie. Gaida ist selbstständiger
Unternehmer und seit 1990 in der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen
in Oppeln engagiert. Seit 2009 führt er den Dachverband aller in Polen
organisierten lokalen Gesellschaften und ist damit Sprecher der deutschen
Minderheit. 2016 rückte er zum Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher
Minderheiten, einem Zusammenschluss (innerhalb der FUEN) von 21 Organisationen
aus Europa, auf.
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