Bisher
nur Mosaiksteinchen
Die Aufklärung des Marienburger Massengrabes
geht nur schleppend voran
Grabung bald abgeschlossen
Die
Exhumierung des Massengrabes in Marienburg wird demnächst abgeschlossen. Über Tathergang,
Täter und Opfer sind weitere Informationsfetzen bekanntgeworden. Von einer annähernd
schlüssigen Aufklärung ist man noch weit entfernt.
Bodo Rückert, der Heimatkreisvertreter von Marienburg,
war vom 20. bis 24. Januar als Gast des regionalen Fernsehens und Begleiter eines
ZDF-Teams in seiner Heimatstadt. Dort hatte er Gelegenheit zu einem Gespräch mit
dem Marienburger Bürgermeisters Rychlowski, an dem auch der Stadtratvorsitzende
und der Stadtsekretär teilnahmen.
Bürgermeister Rychlowski dankte dem Heimatkreis Marienburg
für die neutral gefaßte Berichterstattung auf dessen Internetseite und für die Hilfe
bei der von beiden Seiten angestrebten Aufklärung. Dabei würdigte er auch die gute
Zusammenarbeit mit der Gesellschaft der Deutschen Minderheit in Marienburg.
Die Arbeiten an der Fundstelle würden, so berichtete
Rückert anschließend, in den folgenden Wochen abgeschlossen. Nach dem deutsch-polnischen
Kriegsgräberabkommen aus dem Jahr 2003 werde die Federführung dann auf den Volksbund
Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (VDK) übergehen. Dessen Präsident habe gegenüber
den polnischen Behörden die Bereitschaft zur Übernahme der Opfer angezeigt und zwei
Soldatenfriedhöfe benannt, davon einen bei Danzig, der auch seitens der Landsmannschaft
Ostpreußen als letzte Ruhestätte dieser Opfer befürwortet wird. Die Vertreter der
Stadt Marienburg äußerten dabei viel Respekt für den Wunsch des Heimatkreises, die
Toten in Marienburg selbst beizusetzen, allerdings liege die Entscheidung darüber
nicht bei ihnen.
Bürgermeister Rychlowski und Rückert vereinbarten
außerdem, einander weiterhin über den neuesten Sachstand zu unterrichten und weiter
vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. – An dieser Stelle ist ein Fehler in der letzten
Ausgabe der PAZ zu korrigieren. Dort hätte die Meldung über den Besuch Rückerts
in Marienburg mit dem Satz enden müssen: „Dabei hat Rückert Verantwortliche und
Öffentlichkeit eingehend über die Sicht des Heimatkreises informiert.“ Von diesem
Satz sind zu unserem Bedauern bei der Übermittlung an die Druckerei die letzten
zwei Zeilen verlorengegangen.
Was die historischen Fakten über das Massengrab angeht,
so sind nach und nach folgende „Mosaiksteinchen“ bekanntgeworden, die sich aber
noch nicht zu einem schlüssigen Gesamtbild fügen:
• Nach Angaben des Herder-Instituts hat der Priester
Konrad Will Anfang April 1945 auf dem Marienburger Friedhof rund 700 Personen bestattet,
die bei dem russischen Angriff auf die Stadt und den anschließenden Kämpfen (also
zwischen Ende Januar und dem 9. März) ums Leben gekommen waren. In seinen umfangreichen
Aufzeichnungen erwähnt er mit keinem Wort ein Massengrab im Zentrum der Stadt. Dies
spricht gegen die Annahme, daß die Masse der rund 2.000 Toten bei Kämpfen ums Leben
gekommene Zivilisten gewesen wären. Ganz abgesehen davon, daß eine so hohe Zahl
an Toten in den sechswöchigen Kämpfen unwahrscheinlich ist, weil die Stadt weitgehend
evakuiert worden war.
• Der Stadtsekretär von Marienburg, Piotr Szwediwski,
berichtet über die Zeugenaussage einer damals zehnjährigen Deutschen, die während
der Kämpfe um die Stadt mit ihrer Mutter in einem Nachbarort geblieben und kurz
danach in die Stadt zurückgekehrt sei. Dort hätten die Toten stellenweise „wie die
Heringe“ auf der Straße gelegen. Ihrer Mutter und anderen hätten die Sowjets befohlen,
die Toten zu bergen. Auf Pferdewagen seien sie zum Sportplatz in der Nähe des nun
gefundenen Massengrabes gekarrt worden. Sollte dies zutreffen, dann wären diese
Toten – deren Zahl nicht bekannt ist – offenbar ein Teil der im Massengrab gefundenen.
• Bei diesen Kämpfen wurde die Marienburg selbst
und Verwaltungsgebäude in der Stadt, in denen die Rote Armee deutsche Soldaten vermutete,
intensiv beschossen. Insgesamt wurde Marienburg aber weniger schwer zerstört als
andere umkämpfte Städte der Region, etwa Elbing.
• Marienburg war auch eine „Stadt der Kriegslazarette“,
doch wurden die Verstorbenen der Lazarette auf den Friedhöfen Marienburgs bestattet.
• Die ersten polnischen Beamten kamen nach diesen
Angaben des Herder-Instituts, die wir nach „polskaweb“ zitieren, bereits ab dem
20. April 1945 in die Stadt.
• Laut „polskaweb“ fand sich im Marienburger Stadtarchiv
nun eine Aufzeichung, wonach im Juni 1945 in Stadt und Kreis Marienburg noch 2.050
(von einst 37.000) Deutschen anwesend waren. Rein zahlenmäßig paßt dies durchaus
zur Zahl der im Massengrab gefundenen Toten, doch eine direkte Gleichsetzung verbietet
sich, weil dies die weitgehende Auslöschung der im Sommer 1945 noch in Marienburg
lebenden Deutschen Monate nach Kriegsende bedeuten würde. Dieses dramatische
Schicksal hat zwar die in Königsberg verbliebenen Deutschen nachweislich getroffen.
Es war aber nicht geheimzuhalten und demzufolge seit jeher bekannt. Im polnischen
Bereich gibt es für derartig extreme Ereignisse bisher auch keine Hinweise.
• Die verbreitete Darstellung, im Marienburger Grab
sei außer den unbekleideten Toten rein garnichts gefunden worden, trifft offenbar
so nicht zu. Von polskaweb vebreitete Bilder sprechen jedenfalls eine andere Sprache.
• Unklar ist weiterhin die Zahl der durch Kopfschuß
Getöteten. Das polnische Institut des Gedenkens (IPN), das offenbar die Ermittlungen
an sich gezogen hat, spricht nur noch von 20 Schädeln mit Einschußlöchern. Die direkt
an der Exhumierung Beteiligten sprachen nach der Bergung von etwa 1.500 Toten hingegen
von zehn bis zwölf Prozent, also bereits bis dahin etwa 160 Fällen. Der polnische
Journalist Andrzej Stach wiederum spricht von etwa 100 Schädeln mit Einschußlöchern.
Nach seiner Darstellung seien die Einschüsse aber in unterschiedlichem Winkel geschehen,
so daß sie auch Folge von Kampfhandlungen sein könnten.
• Polnischen Berichten zufolge wurde das Massengrab
bereits Anfang der achtziger Jahre, in der Regierungszeit von Woijciech Jaruselski,
beim Bau einer Wasserleitung angeschnitten.
• Seitens der drei deutschen BKA-Ermittler und der
Vertreter des VDK gibt es nach Informationen der PAZ noch keine Aussagen über ihre
Befunde vor Ort.
Fazit: Bisher sind noch kaum gesicherte Aussagen
über Todeszeitpunkt, Täter und Identität der Opfer möglich. Die Berichterstattung
soll fortgesetzt werden. K. B.
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Fordern Sie per E-Mail Abgeordnete unseres Bundestages dazu auf,
sich für eine Klärung dieser Schicksale einzusetzen.
Über www.abgeordnetenwatch.de
ist jeder Abgeordnete mit Anfragen erreichbar.
Wenn diese Anfragen nicht nur über die Landsmannschaften, sondern auch von vielen
persönlich betroffenen Bürgern kämen, gewönnen sie an Gewicht.
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