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Nur eine Nebenrolle für Opfer der »Gustloff« Drei Minuten spricht Heinz Schön über seine Rettung von der „Wilhelm Gustloff“, und er schafft etwas, was in den drei langen Stunden zuvor bei der Presse-Premiere des ZDF-Zweiteilers „Die Gustloff“ nicht so recht gelingen wollte: Die Premieren-Gäste in den Hamburger „Kammerspielen“ sind still geworden, manche auch ergriffen durch den Bericht des jetzt 82jährigen. Heinz Schön, damals 19 Jahre, war Zahlmeister-Assistent auf der „Wilhelm Gustloff“, und seit dem 30. Januar 1945 ist er wie besessen, die Erinnerung an das Flüchtlingsdrama auf der Ostsee wachzuhalten. Schön berichtet mit knappen Worten, wie ein schwerverletzter Wehrmachts-Soldat auf dem Deck ihn um den Gnadenschuß anfleht. Doch der junge Schön hat keine Waffe. Schön rechnet sich kühl seine Überlebenschancen aus, schätzt ab, daß die sinkende „Wilhelm Gustloff“ in dem 60 Meter tiefen Wasser über dem Stolper Sand keinen starken Strudel auslösen wird. Und er entscheidet sich richtig, bleibt am Schiff bis zum letzten Moment. Für einen Moment klingen jene Besonnenheit und Lebenstüchtigkeit an, wie sich die Kriegsgeneration durch die Wirren der Zeit retten konnte – viel zu spüren ist in der ZDF-Verfilmung von diesen Dingen nicht. Nach dem Krieg hat Schön als Sachbuch-Autor den Untergang der „Wilhelm Gustloff“ besser dokumentiert als jeder andere, und natürlich haben sich ZDF und Ufa seiner Mitarbeit versichert: Er hat Drehbuch-Autor Rainer Berg beraten. Schön kennt die Zahlen, geht mit den Fakten verantwortlich um: 10545 Menschen waren an Bord der „Wilhelm Gustloff“, 1251 wurden gerettet, etliche starben noch an den Folgen ihrer Verletzungen. Man muß es wie Heinz Schön wohl hinnehmen, wenn sich eine kinoreife Verfilmung dieser größten Seekatastrophe aller Zeiten davonmacht aus dem historischen Zusammenhängen. Aber die Zeitzeugen von Flucht und „Gustloff“-Katastrophe werden schwer daran zu tragen haben, wenn sie sehen, wie wenig der ZDF-Zweiteiler dem ganzen Leid der Menschen historisch-richtigen Respekt zollt – die Opfer spielen nur eine Nebenrolle, und eine Vokabel wie „Kriegsverbrechen“ fällt auch nicht. So wichtig es ist, daß die Geschichte der Deutschen auch mit den Kapiteln Flucht und Vertreibung in Filmen dokumentiert wird und in den Mittelpunkt rückt, so entscheidend ist es auch, was das öffentlich-rechtliche Fernsehen von dieser nationalen Tragödie der „Wilhelm Gustloff“ zeigen wird. (Ausstrahlung im ZDF am 2. und 3. März 2008.) Was zu sehen ist: eine Liebesgeschichte zwischen Kapitän und Marinehelferin (blond), Nazi-Teufeleien, eine Krimi-Mischung aus Verrat und Spionage, und natürlich ein Deutscher Schäferhund, der auf dem dramatischen Höhepunkt von seinem Besitzer erschossen wird. Mehr noch: ein Ortsgruppenleiter, der nur mit goldgerahmtem Hitler-Porträt in der Hand ins Rettungsboot steigt. Dazwischen müssen die Zeitzeugen nach dem suchen, was den Tod von 9000 Menschen historisch treffend abbildet. Produzent Norbert Sauer, der sich auf historische Themen verlegt hat, hielt den Untergang der „Wilhelm Gustloff“ für einen „tollen Stoff“, für den mehr als zehn Millionen Euro investiert wurden. Der Zweiteiler muß Geld und Rendite einspielen, vor allem im Ausland. Auch Regisseur Joseph Vilsmaier hat nicht wirklich an allen Stellen das Schicksal der Flüchtlinge nachempfinden können; es gibt einige böse Schnitzer bei der filmischen Umsetzung. Etwa der: „Gustloff“-Kapitän Kehding (darstellt von Kai Wiesinger) kommt nach dramatischer Rettung aus der Ostsee in Swinemünde an Land – und läuft auf tadellosem Schuhwerk durch die nächste Szene. Begleitet wird der ZDF-Film von zwei dokumentarischen Beiträgen zum Untergang der „Gustloff“ aus der Werkstatt Guido Knopps. Doch acht Wochen vor der Ausstrahlung ist noch nicht klar, worauf seine Redaktion hinaus will – auf historisch Fundiertes oder eben entdeckte Aufreger. „Wir suchen noch in russischen Archiven“, meinte der ZDF-Professor bei der Vorpremiere und nährte so ungewollt noch die Zweifel an seiner Arbeitsweise.
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