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Karlsruhe stiftet Unruhe
Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts sorgt für Aufregung bei der deutschen Minderheit in Tschechien und Polen
von Ulrike Mascher

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die bisherige Regelung zum Wahlrecht für Auslandsdeutsche für verfassungswidrig erklärt. Nun verspricht sich die deutsche Minderheit in der Region Schlesien eine Verbesserung ihrer Mitbestimmungsmöglichkeiten. Denn die autochthonen deutschen Bewohner dieser Region besitzen von Geburt an die doppelte Staatsangehörigkeit und erhoffen sich nun den Gang zur Wahlurne.

„Wir freuen uns sehr und sind begeistert“, sagt Marie Roncka von der Gemeinschaft schlesisch-deutscher Freunde im Hultschiner Ländchen, dem tschechischen Teil Schlesiens. „Endlich sind wir nicht mehr Deutsche zweiter Klasse“.

Bisher besagte die Regelung des Bundeswahlgesetzes (BWG), dass nur diejenigen im Ausland lebenden Deutschen wahlberechtigt sind, die zumindest drei Monate lang ununterbrochen in Deutschland gewohnt haben. Dieses so genannte „Sesshaftigkeitserfordernis“ erklärte das Bundesverfassungsgericht jetzt für nichtig, da es gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl verstoße.

Ursprünglich sollte die Sesshaftigkeitserfordernis sicherstellen, dass der potentielle Wähler im Ausland einen ausreichenden Bezug zu Deutschland hat. Das scheint jedoch überholt. Kann doch auf Grund der „Entwicklung von Mobilität und Kommunikationstechnik“, so heißt es in der Urteilsbegründung, jeder interessierte Auslandsdeutsche das Geschehen in Deutschland mitverfolgen – und damit auch eine überlegte Wahlentscheidung treffen.

Wenn morgen Bundestagswahl wäre, dürften aufgrund des Karlsruher Urteils alle der rund 1,14 Millionen im Ausland lebenden Deutschen ihre Stimme abgeben. Doch bis zum tatsächlichen Wahltermin im September 2013 kann noch viel passieren. Wahrscheinlich ist, dass der Gesetzgeber sich durch das Urteil animiert sieht, das Wahlrecht für Auslandsdeutsche neu zu regeln. Vorstellbar wäre dann eine Rückkehr zur „Fortzugsfrist“, die es noch bis 2008 gab. Das bedeutete, dass die dreimonatige Residenzpflicht nicht mehr als 25 Jahre zurückliegen durfte. So war die Wahlberechtigung nicht allein an die deutsche Staatsbürgerschaft, sondern zusätzlich daran geknüpft, dass die Wähler mit ihrer Entscheidung auf die politische Gestaltung eigener, nicht fremder, Lebensverhältnisse Einfluss nehmen. In diese Richtung weist auch die Karlsruher Empfehlung an den Gesetzgeber in Berlin.

Verfrühte Euphorie?

Nichtsdestotrotz ruft das Urteil auch im polnischen Teil Schlesiens wahre Begeisterungsstürme hervor. Bernard Gaida, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG), begrüßte die Karlsruher Entscheidung: „Wir als Deutsche in Polen fühlen uns durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes sehr in unserem Selbstwertgefühl gestärkt“, sagt er.

Der Jubel in Schlesien scheint allerdings verfrüht, denn das Auswärtige Amt kündigt bereits an, der Gesetzgeber werde bis 2013 eine Neuregelung der Wahlberechtigung von Auslandsdeutschen beschließen.„Die Erfordernisse, die an eine Wahlberechtigung zu stellen sind, werden unter Umständen sogar strenger“, meint dazu der Jurist Jakob Fuchs.

Quelle:
Foto: Archivmaterial;

Text: LandesZeitung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien,
17.09.2012,
http://www.landeszeitung.cz/index.php/politik/199-karlsruhe-stiftet-unruhe

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