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Vertriebene waren für Kanzlerin Merkel beim Pragbesuch kein Thema Bernd Posselt ist nicht zu beneiden. Viele der Menschen, die er zu vertreten hat, werden immer ungeduldiger. Die, die noch nicht resigniert haben und folglich gar nichts mehr erwarten, wollen endlich Ergebnisse der sich angeblich so gut entwickelt habenden deutsch-tschechischen Beziehungen sehen. Doch was sehen sie? Die deutsche Kanzlerin fährt nach Prag und verliert 20 Jahre nach Unterzeichnung der Deutsch-tschechischen Erklärung kein Wort zur Vertriebenenfrage. Damit werden die Kritiker von damals bestätigt, die diese Erklärung von Anfang an als Augenauswischerei betrachtet haben. MERKEL UND IHRE GASTGEBER nützten die Gnade der schweren Krise, in der sich Europa befindet. In der Tat sind die Schuldenkrise und deren Bewältigung den meisten Menschen in Europa wichtiger als eine Auseinandersetzung über die Bewältigung der tschechischen Nachkriegsgeschichte und eventuelle Konsequenzen daraus. Die Kanzlerin hielt sich ganze fünf Stunden in Prag auf. In dieser an sich schon knappen Zeit ging es um den Fiskalpakt, Euro-Bonds, die großen Fragen der Zukunft Europas. Es lässt sich sogar einigermaßen einleuchtend argumentieren, dass angesichts der Fülle drängender Themen keine Zeit blieb für die alten Geschichten, in denen das offizielle Tschechien ohnehin zu keinem Entgegenkommen bereit ist. Politiker reihen ihre Themen auf der Prioritätenliste eben nach der Dringlichkeit, die ihnen von außen – Medien, Parteifreunde, Lobbyisten usw. – signalisiert wird. Wahrscheinlich hätte Merkel nicht nur in Tschechien kritische Kommentare riskiert, wäre sie Premier Neças als Vertreterin der Interessen (sudeten)deutscher Staatbürger begegnet – vielleicht gar mit der Beharrlichkeit, die Merkel in anderen Fragen durchaus an den Tag zu legen imstande ist. Wozu hätte sie das aber riskieren sollen? Die Ergebenheitsadresse der Sudetendeutschen Landsmannschaft folgte auch so auf dem Fuß. Merkel hatte Prag noch nicht verlassen, da landete in den Redaktionen schon die Presseaussendung, in der Bernd Posselt Merkels Prag-Visite als gut für Europa und damit für die Sudetendeutsche Volksgruppe begrüßte. Diese Schlussfolgerung ist freilich etwas gewagt. Wann immer den Sudetendeutschen in den vergangenen zwanzig Jahren gesagt worden ist, dass etwas gut für Europa und daher auch gut für sie sei, gab es hinterher Enttäuschung. Wir erinnern uns, wie gut die Osterweiterung angeblich auch für die Vertriebenen war, weil man den Tschechen dann mehr Druck machen könnte. Das Problem war nur: Niemand hat Druck gemacht. Bernd Posselt ist sich seiner schwierigen Position durchaus bewusst. In seiner Rede beim diesjährigen März- Gedenken in Wien sprach er die Ungeduld der Landsleute offen an. Er verwies auf die vielen Menschen der älteren Generation, die sagen: „Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, ich hab so lang gelitten, und ich würde so gerne vor meinem Lebensende noch greifbare Erfolge sehen!“ Und dann beschrieb der Sprecher seine Not: „Glauben Sie mir, wenn ich den Knopf wüsste, auf den ich drücken muss, damit das von einem Tag auf den andern geschieht, ich würde heute noch auf diesen Knopf drücken!“
Posselt ist nicht zu beneiden. Den
Knopf, der die Probleme schlagartig lösen würde, den gibt es natürlich wirklich
nicht. Aber es gibt Knöpfe, die man auch nicht drücken sollte. Warum zum
Beispiel muss er reflexartig den Bejubelungsknopf drücken, wenn es gar nichts zu
bejubeln gibt? Damit wird doch Merkel und ihrem politischen Lager nur
signalisiert, dass die Vertriebenen – egal was die Kanzlerin tut oder nicht tut
– stets brav die Rolle der Applausoren spielen werden. Während andere
Interessensvertreter massiv Druck machen und dabei durchaus auch unfreundlich
werden können, ist die Landsmannschaft immer lieb und macht keine Probleme. Da
wurde schon vor Jahrzehnten der falsche Knopf gedrückt: Wer im politischen
Geschäft nie Probleme macht, wird als unproblematisch empfunden und hat daher
bald selbst ein Problem: Er wird als politischer Faktor nicht mehr wahrgenommen
und fliegt samt seinen Anliegen von der Prioritätenliste.
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