Vollendete Tatsachen: Bau in der Nähe
des Bessel-Grabes (siehe Bild unten))
Bauarbeiten bei Gelehrtenfriedhof
Stadt führt Gespräche
mit Beamten und Denkmalschützern −
Bürgerinitiative bangt um kulturelles Erbe von Jurij Tschernyschew
Wieder drohen Bauarbeiten einen Friedhof zu
zerstören: Nach Pillau gab es nun auch in
Königsberg Gespräche um einen zu rettenden Friedhof. Es handelt sich um den
Gelehrtenfriedhof nordwestlich des Sternwartenhügels.
Laut
Gesetz müssen vor Baubeginn archäologische Bodenuntersuchungen vorgenommen
werden, um das Vorhandensein von Objekten und Kunstprodukten, die von
wissenschaftlichem Wert sind, aufzudecken. Doch eine Bodenuntersuchung wurde
offensichtlich auch bei dem neuen Königsberger Bauprojekt in der Nähe der
ehemaligen Sternwarte nicht durchgeführt.
Immerhin zeigt man sich – im Unterschied zu
Pillau, wo auf einem Friedhof ein Kindergarten
gebaut wird – in Königsberg gesprächsbereit. Bürgermeister Alexander Jaroschuk
traf sich mit Vertretern von Bürgerintiativen und Stadtvertretern zu einer
Gesprächsrunde im Sitzungssaal der Stadtverwaltung. Auf der Sitzung sprachen
neben Jaroschuk der Vorsitzende des Stadtrats, Alexander Pjatikop, der
stellvertretende Stadtmanager Sergej Melnikow, Alexander Sujew,
stellvertretender Chef für städtisches Eigentum und Grundstücksressourcen, sowie
der Vorsitzende des Komitees für Architektur und Städtebau, Arthur Krupin, sowie
andere für die Betrachtung der Frage zuständige Beamte mit Aktiven der
Bürgerintiative „Rettet das Kopfsteinpflaster“. Das Treffen verlief in beinah
familiärer Atmosphäre bei Gebäck und Süßigkeiten.
Es wurde erörtert, was als echtes
Architekturdenkmal gilt, welche Kriterien bei dieser Betrachtung erfüllt sein
müssen und wie man solche Objekte erhalten kann. Auf der Tagesordnung stand
neben dem Erhalt von Objekten des kulturellen und architektonischen Erbes auch
der Gelehrtenfriedhof der Albertina, der sich beim Gebäude der heutigen
„Astronomischen Bastion“ befindet. Eines der Gräber ist das des berühmten
Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel. Er war der Gründer und erster Leiter des
Königsberger Observatoriums, das im Jahr 1813 eröffnet wurde. Er führte hier
bedeutende Forschungen durch, schrieb theoretische Abhandlungen und hielt
Vorlesungen vor den Studenten der Albertina. Dank seines Wirkens wurde
Königsberg eines der wichtigsten europäischen Zentren für astronomische
Forschung seiner Zeit. Das Gebäude des Observatoriums, das während der
Bombardements von 1944 zerstört wurde, befand sich in der Nähe der Bastion
„Sternwarte“, die in den Jahren 1855 bis 1860 errichtet worden war. In
sowjetischer Zeit wurde sie „astronomische Bastion“ genannt und gehörte lange
Zeit zum Militärmeldeamt.
Während des Treffens in der Stadtverwaltung wurde
erörtert, ob das sich im Bau befindende Gebäude das Gelände des
Gelehrtenfriedhofs einnehmen wird und wie die Bauherren das Grabmal Bessels
verändern werden. Es hieß, dass der Bauherr nur ein Bestreben habe, nämlich die
Erhaltung des Objekts von kultureller Bedeutung, welches das Bessel-Grab nun
einmal sei. Es wurde bekannt, dass der Friedhof erst vor Kurzem zunächst in das
Verzeichnis der Objekte des kulturellen Erbes aufgenommen worden war und danach
plötzlich wieder daraus verschwand. Eine Erklärung hierfür wurde nicht gegeben,
es war lediglich zu hören, dass es an diesem Ort keine eindeutigen Zeichen
gegeben habe, wo konkret welche Begräbnisstätten liegen. Larissa Kopzewa, die
Leiterin der Denkmalschutzbehörde des Gebiets, sagte: „Wir wissen sicher, dass
es an diesem Ort einen Friedhof gegeben hat, dass dort bestimmte Menschen
beerdigt wurden. Bessel hat dort zumindest einmal gelegen, ebenso
[Medizinprofessor] Wagner, also bedeutende Leute, aber wir können nicht sagen,
ob sie dort noch immer sind oder inzwischen nicht mehr. Also woher soll ich das
wissen?“
Wie üblich blieb vieles unklar. Alexander
Jaroschuk sagte, dass man die Situation nun nicht mehr ändern könne, da die
Bauarbeiten schon begonnen hätten. Er äußerte die Vermutung, dass sie ohnehin
nicht direkt auf dem Gelände des Friedhofs erfolgen. In Zusammenhang mit den
gestellten Fragen bot Alexander Jaroschuk an, Dokumente über den
Gelehrtenfriedhof aus den Archiven anzufordern und darauf aufbauend Vorschläge
zu erarbeiten, was zukünftig damit geschehen soll. Die gleiche Anfrage sollte
man auch an den Kulturrat beim Gouverneur stellen.
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