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Vertriebenenverbände Nun naht wieder die Stunde der Schmeichler. Zu Pfingsten und an den folgenden Wochenenden, wenn Sudetendeutsche, Ost- und Südostdeutsche zu ihren traditionellen Treffen zusammen kommen, stimmen Politiker das bekannte Lied von der gelungenen Eingliederung der Vertriebenen an, loben ihre Leistung beim Wiederaufbau, ohne den dieses Land nicht wäre, was es ist, würdigen ihren Beitrag zum „Wirtschaftswunder“. An den materiellen Fakten ist nicht zu rütteln. Doch die Elogen können nicht vergessen machen, daß Integration erst dann gelungen ist, wenn das Thema Vertreibung mit allen seinen Folgen in die nationale Erinnerung aufgenommen, also in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Eine neue Lebenslüge Wer das als erfüllt ansieht, gibt sich einer neuen Lebenslüge hin. Ein Blick zurück: Es waren vor allem die Vertriebenen und ihre Verbände, die bis 1989 den Gedanken der deutschen Einheit gegen alle Widerstände wachgehalten haben; die politische Klasse hatte das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes längst als unverbindliche Poesie abgetan. Den Verzicht auf die deutschen Ostgebiete haben sie ohne nachhaltigen Protest hingenommen. Eine Vertrauensdividende ist für sie nicht abgefallen. Im Gegenteil, sie werden noch immer als Störenfriede behandelt und von den Hohepriestern des deutschen Schuldkults in den „Kampf gegen Rechts“ einbezogen. Das zeigten die Debatten um das Zentrum gegen Vertreibungen. Die Initiatorin des Projekts, die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) Erika Steinbach, wurde vom Stiftungsrat ferngehalten, Berlin möchte bestimmen, wie Vertreibungsgeschichte „europäisch“ darzustellen sei, ohne polnischen oder tschechischen Unmut heraufzubeschwören. Hauptsache devot! Die Obhutspflicht über die Vertriebenen ist Makulatur Steinbachs eigene Fraktion, die CDU/CSU, hat schnell kapituliert. Zwar ist es der BdV-Chefin noch einmal gelungen, sich als Bundestagskandidatin durchzusetzen. Spätestens nach 2017 dürfte ihr Verband aber ohne repräsentative parlamentarische Führungsfigur dastehen. Dann ist den „Pragmatikern“ vollends das Feld überlassen – ein weiterer Akt in dem deutschen Trauerspiel. Eine operative Politik mit dem Ziel einer auch nur bruchstückhaften Eigentumsrestitition ist ausgeblieben, Gerhard Schröder wie Angela Merkel haben Polen und Tschechien versprochen, daß ihre Regierungen derartige Forderungen nicht unterstützen. Und den Landsmannschaften wird seit Jahr und Tag geraten, aus ihren Satzungen das Recht auf Rückgabe beziehungsweise Ersatz oder Entschädigung konfiszierten deutschen Eigentums zu streichen. Auf den Eigentumstitel generell zu verzichten, würde etwa im Fall der Sudetendeutschen bedeuten, die Entrechtung und spätere Vertreibung hinzunehmen. Doch die Obhutspflicht über die Vertriebenen, von der früher soviel die Rede war, ist Makulatur – ausgerechnet in dem Augenblick, da andere Staaten, zum Beispiel Serbien, Entschädigungsgesten zumindest in Aussicht stellen. Bitter für BdV und Landsmannschaften: Wer sich nicht an das von oben verordnete Stillhalten hält, den trifft mit voller Wucht die Revanchismuskeule. Den Verbänden wird für den Fall, daß sie von der Regierungslinie abweichen, mit der Drosselung der finanziellen Förderung gedroht, der Verlust träfe sie ins Mark. Mit den Beneš-Dekreten in die europäische „Wertegemeinschaft“ Schon heute läßt sich besichtigen, daß eine einst umstrittene Forderung der ehemaligen Grünen-Politikerin Antje Vollmer aufzugehen scheint: Die Vertriebenenorganisationen mutieren immer mehr zu Kultur-, einige sogar zu „Versöhnungs“-Vereinen. Sie beginnen damit, das hat natürlich auch mit dem Generationenwechsel zu tun, das Image der unbeirrt für ihre Rechte streitenden Verbände abzustreifen. Mit einer symbolischen Heilung der Vertreibung würden sie sich zufriedengeben. An Enttäuschungen hat es ja nicht gefehlt. Tschechien marschierte mit den berüchtigten Unrechtsdekreten des Präsidenten Beneš in die EU, obwohl der damalige Bayern-Premier Stoiber wie andere Unionspolitiker noch an der Jahrhundertwende vollmundig ein Junktim zwischen der Aufhebung der Dekrete und dem EU-Beitritt angedeutet hatte. Ernst gemeint war das nicht, 2004 konnte Prag das Tor zur „Wertegemeinschaft“ passieren. Sie ist seitdem mit dem Beneš-Unrecht infiziert. Aus Prag wenig Neues Das wird auch so bleiben. Der neue tschechische Präsident Milos Zeman hat die Dekrete als festen Bestandteil der Rechtsordnung seines Landes bezeichnet. Premierminister Petr Necas fand zwar während seiner Bayern-Visite freundliche Worte für die gemeinsame sudetendeutsch-tschechische Geschichte, er bedauerte die Vertreibung (ist Bedauern schon Entschuldigung?), aber zu einer Distanzierung von den Beneš-Dekreten konnte er sich nicht durchringen. War das also das „historische
Ereignis“, von dem Landmannschaftssprecher schwärmten? Ist das Eis gebrochen,
wie Ministerpräsident Seehofer meint? Necas war der erste Prager Regierungschef,
der vor dem Bayerischen Landtag sprach und mit Vertretern der Sudetendeutschen
zusammentraf. Eine freundliche Geste, von der Bayern wie Tschechien, die
wirtschaftlich eng verbunden sind, profitieren. Am meisten profitierte davon
Seehofer. Er kann durch diesen pseudo-außenpolitischen Erfolg sein ramponiertes
Ansehen etwas aufpolieren. Die Sudetendeutschen aber müssen auf ihrem
Pfingsttreffen in Augsburg konstatieren: Aus Prag wenig Neues.
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