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Streiflicht Vor 58 Jahren, am 17. Juni 1953, standen in der gesamten DDR Deutsche gegen die kommunistische Diktatur auf. Über 500 Orte wurden von der Aufstandsbewegung erfaßt, im Zentrum stand die geteilte Hauptstadt Berlin, wo die Bauarbeiter der Stalinallee mit ihren Protesten gegen die Normerhöhungen den Anfang machten. Hier entstanden die wirkmächtigen Bilder vom Marsch durch das Brandenburger Tor, von den rebellierenden jungen Männern, die Steine auf sowjetische Panzer warfen. Das Datum wurde im Zuge des Kalten Krieges zum „Tag der deutschen Einheit“ im Westen des geteilten Landes, für die sowjetische Besatzungsmacht und ihre Satrapen von der SED zum Alptraum. Ihnen dämmerte, daß es ihnen wohl nie dauerhaft gelingen würde, das Volk hinter sich zu zwingen. Im Zuge des Volksaufstandes wurden über hundert Menschen auf Geheiß der Sowjets sowie der Staatspartei erschossen oder hingerichtet. Etwa 25.000 Deutsche wurden verhaftet und teils zu hohen Haftstrafen verurteilt. Noch immer ist es erstaunlich, wie viele Straßen in Mitteldeutschland an Repräsentanten des kommunistischen Wahns erinnern, die Ernst-Thälmann-Plätze, Karl-Marx-Straßen, und wie wenige an die unbekannten Helden des deutschen Volksaufstandes oder an diesen selbst. Rückbezug auf die Nation Die Aufständischen des 17. Juni widerlegten für alle Zeit eindrucksvoll die verächtliche Rede, die Deutschen seien ein Volk, das zur Rebellion unfähig ist und stumm sein Kreuz trägt, das zuerst Bahnsteigkarten löst, bevor es den Bahnhof stürmt. Zwischen den Demonstranten, die 1989 in Leipzig, Dresden und Berlin friedlich auf die Straße gingen und mit dem SED-Regime auch die Mauer zum Einsturz brachten, liefen unsichtbar die gefallenen Aufständischen vom 17. Juni mit, das von ihnen aktivierte Bewußtsein „Wir können auch anders“ richtete viele wieder auf, die in 40 Jahren DDR mutlos geworden waren. Jeder, der sich überwindet und zur Tat schreitet, reiht sich im Geiste, manchmal auch unbewußt, in eine Kette von Vorbildern ein, die es bereits einmal gewagt und eine Bresche geschlagen haben. Deshalb ist die Erinnerung an diejenigen so wichtig, die es gewagt haben und es ist die Kunst einer Geschichtserzählung, die im Sinne des Gemeinwesens wirkt, solche Bilder zu schärfen und weiterzugeben. Da es in einem „zusammenwachsenden Europa“, einer vermeintlich „postnationalen Ära“ hieran seitens der politischen Klasse kein Interesse mehr gibt, verblaßt die Erinnerung an einen Tag wie den 17. Juni 1953 nicht von ungefähr. Im Zuge des Zusammenbruchs
supranationaler Illusionen, wie wir es aktuell mit der
Bruchlandung der
europäischen Kunstwährung erleben, erhält der Rückbezug auf die Nation jedoch
glücklicherweise neues Gewicht.
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