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Hermann Sudermann


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Von deutschen Schulden
Die unendliche Geschichte der Reparationszahlungen aus dem Ersten Weltkrieg in diesem und dem nächsten Jahrhundert

GANG IN DIE GESCHICHTE
Die Lasten des Krieges

Erst im Jahre 2020, gut hundert Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, wird Deutschland alle Folgekosten der 1919 in den Versailler Verträgen festgelegten Reparationen bezahlt haben.

Die Bundesrepublik bedient noch Reparationsschulden aus dem Ersten Weltkrieg, das ergeben Auskünfte des Bundesfinanzministeriums. Die Raten wiegen gering und tun nicht weh. Sie ragen rostig in unsere Versöhnlichkeit, die letzten Nähte einer einst unschließbaren Wunde, die nach Vergeltung schrie. Für die listig herbeigeführte Kapitulation von 1918, die Unterwerfung unter das Diktat von Versailles, die Ohnmacht der Ersten Republik, bis eine Begier alle anderen betäubte: Revanche. Ein winziger Haushaltsposten, etwas unter zehn Millionen per anno, begleitet uns noch bis 2020, wenn alles getilgt ist. Hundert Jahre nach Kriegsende.

Wie allgemein bekannt, annullierten die Siegermächte von Versailles im Juni 1932 die deutschen Reparationspflichten, die sie drei Jahre zuvor auf 116 Milliarden Mark (incl. Zinsen) ermäßigt hatten, zahlbar bis 1988. Die Tribute waren im Friedensvertrag von 1919 erhoben worden, weil der Verlierer die Alleinschuld am Kriegsausbruch im August 1914 trage. Das ist bis heutig strittig, berührt aber die Tributpflicht gar nicht. Der Verlierer zahlt nach dem Rechtsbrauch, weil er den Krieg verloren, nicht weil er ihn entfesselt hat. Ein Aggressor, der gewinnt, hat noch nie jemanden entgolten. Der Geschlagene begleicht obendrein die Zeche.

Frankreich, das Europa in den napoleonischen Kriegen zwanzig Jahre ausgeplündert hatte, zahlte nach 1815 siebenhundert Millionen Francs Tribute, die bis 1820 beglichen waren. Die Verlierer im deutschen Einigungskrieg von 1866 schuldeten Preußen zwanzig Millionen Thaler (Österreich), zehn Millionen Thaler (Sachsen) und 47 Millionen Gulden (Bayern, Württemberg, Baden und Hessen). Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 entrichtete Frankreich innerhalb von zweieinhalb Jahren vier Milliarden Mark. In dem 1918 zwischen Deutschland und dem geschlagenen Russland ausgehandelten Teilfrieden von Brest-Litowsk war auf Reparationen klug verzichtet worden.

"Le boche payera!"

Die 1921 auf 132 Milliarden Mark bezifferten Ansprüche der Westgegner Frankreich, Belgien, England und Italien hegten vier Ziele zugleich: zunächst die vom Kriege verwüsteten Landstriche Flanderns und Nordfrankreichs wiederherzustellen; dazu war Deutschland umstandslos bereit. Sodann hatten England und Frankreich ihren Krieg noch nicht bezahlt; das Geld dafür war großen Teils von den USA geliehen. Anstatt es bei ihren Völkern einzutreiben, belasteten die Premiers Lloyd George und Clémenceau lieber den Verlierer. Der räumte zähneknirschend einen gewissen Anspruch ein, hatte man doch selber fest darauf gebaut, nämlich für den Fall des eigenen Sieges. Auch das Reich hatte seine Feldzüge noch nicht bezahlt, sondern sie durch Anleihen bei seinen Bürgern finanziert. Diese wurden nun nicht aus britisch-französischen Tributen ausgezahlt, sondern sollten vielmehr die Kosten der Gegenseite aufbringen. Alle Beteiligten wußten, dass dies ein Ding der Unmöglichkeit war. Zwar hatte man den Völkern die Blutopfer abverlangt, die Kostenseite indes verschwiegen. Nun erhielt Berlin die Rechnung, "le boche payera!" Das was das politisch Einfachste, denn dem bot sich zunächst kein Widerstand, nicht einmal der der Realität.

Zwanzig Millionen Deutsche zuviel

Die Briten wähnten außerdem, durch astronomische Reparationssummen die deutsches Handelskonkurrenz zu drosseln, die Franzosen, den Revanchismus zu zähmen. Ihr bedrohlicher, an Bevölkerungs- und Industriepotential übermächtig gewordener Ostnachbar im Osten hatte 1815 und 1871 in Paris und 1914 22 Kilometer davor gestanden. Zu seiner vier Jahre erfordernden Niederlage hatte den Franzosen ein Bündnis mit Briten, Russen, Italienern, Griechen, Rumänen, Belgiern, Serben und Amerikanern verholfen. Ein außerordentliches, vermutlich unwiederholbares Ensemble. Begreiflicherweise trachtete das, auf sich gestellt, verlorene Frankreich den glücklichen Zusammenbruch des Angstgegners für einige Generationen lang zu zementieren. Für seine Verhältnisse, das sagte Ministerpräsident Clémenceau ganz richtig, existierten 20 Millionen Deutsche zu viel. Und darauf reagierte Versailles straks mit der Abtrennung von 73.000 Quadratkilometern Land und sieben Millionen Einwohnern, der Enteignung der Kolonien, der dauerhaften Entwaffnung, der 15-jährigen Okkupation der linksrheinischen Gebiete und der Auszehrung von Wirtschaft und Finanzen durch das Reparationsjoch.

Diesen Fesselinstrumenten, klagten die Delegierten der Weimarer Republik zu Versailles, sei sie schlechterdings nicht gewachsen. Die Vorneverteidiger gegen Deutschlands Revanchismus verließen sich aber gar nicht erst auf die Republik, sondern allein auf ihre Knebel. Diese wurden allerdings ebenso verschlissen wie jene. Die Zwischenkriegszeit, betrachtet man sie aus der Warte der Gestalter von Versailles, besteht aus dem allmählichen, dann schmählichen Bankrott dieser Ordnung. Statt Sicherheit erlebten sie am Ende den zweiten Waffengang. Hätte ein Verständigungsfrieden mehr geleistet? Schwer zu sagen, doch unmöglich weniger. Der britische Ökonom J. M. Keynes, seinerzeit Angehöriger der Versailler Finanzkommission, hat, um den von ihm vorausgesagten Abmarsch in den europäischen Untergang zu vereiteln, einen kollegialen Umgang mit dem deutschen Zahlungswillen vorgeschlagen. Er wurde ja kundgetan und man hätte ihn ausprobieren können. Keynes resignierte, weil die Architekten des europäischen Nachkriegsgebäudes zu wenig von Wirtschaftskreisläufen wußten. Sie bauten ein Haus mit Barrikaden, Falltüren, Schießscharten, schnitten die alten Versorgungsleitungen entzwei, und kümmerten sich nicht um neue. Es barst unter seinen Sicherheitseinrichtungen, und als man zu reparieren begann, reichten die Risse klaftertief.

Derweil zahlte die Republik, und zwar hauptsächlich die Zinsen, die in der Reparationsbilanz fast das Dreifache der Grundforderung betragen hätten. Die Tilgung war den Enkeln vorbehalten. Über den Unfug haben 1929 ernste Männer erbittert gerungen. Erst die Weltwirtschaftskrise 1931/1932 zwang den Gläubigerstaaten blitzhaft Verstand auf. In der Serie von Crashs, Kreditzusammenbruch, Kapitalflucht das Menetekel von Inflation und Staatsbankrott an der Wand war ein deutscher Jahrestransfer von 1,8 Milliarden Mark eine offene Lunte. Als US-Präsident Hoover endlich die Notbremse zog und stornierte, da jagten die Deutschen bereits unaufhaltsam davon in den Tunnel der Irrationalität. Dabei war ihnen die behagliche Diplomatie Stresemanns, dann Brünings wohl bekommen. Die Gläubiger hatten vor ihnen kapitulieren und die "Schuldensklaverei" 1931 erst unterbrechen, 1932 dann entmutigt abbrechen müssen. Immerhin waren bis dahin nach mittlerer amerikanischer Schätzung Lasten im Wert von 39 Milliarden Mark abgetragen worden. Die Deutschen errechneten 100 Milliarden in welche der Wert des Staatseigentums in den annektierten Kolonien und Reichsgebieten einbezogen war. Keynes hat 36 Milliarden für einen berechtigten Anspruch gehalten. Außenminister von Brockdorff-Rantzaus Angebot von 1919 in Versailles betrug gegen alliierte Konzessionen bei der Grenzziehung zu Polen 100 Milliarden Mark.

Üblicherweise finanzieren Staaten Reparationen entweder aus ihrem Schatz, oder aus ihren Steuereinnahmen, oder aus Anleihen. Im Deutschen Reich war der Schatz vom Kriege verbraucht, die Haushaltseinkünfte finanzierten notdürftig die innere Kriegsfolgelast und den neubegründeten Sozialstaat. Die jung kränkelnde Republik wollte sich nicht mit Reparationssteuern empfehlen, sondern durch Wohltaten. Vom Standpunkt der linken, der mittleren und selbst eines Teils der konservativen Parteien war der Krieg ein Abenteuer der verjagten Hohenzollerndynastie und der abgeschafften Obersten Heeresleitung gewesen, unglücklich kalkuliert und verbohrt in die Katastrophe gelenkt. Wer wollte für diese Strategen haften? Aus der Sicht der Gläubiger ergab sich ein anderes Bild. Sie hatte vier Jahre mit den Deutschen gekämpft, ihrer Disziplin, Aufopferungsbereitschaft, Tapferkeit, Einfallsgabe und Härte. Vor diesen Talenten begehrte Frankreich Sicherheit, und sie waren nicht geschwunden, indem Ebert und Hindenburg an Stelle Wilhelms dem Staat vorstanden.

Die Gläubiger wollten das Land schwächen, die Schuldner es kräftigen, darum beglichen sie die Reparationsraten aus Anleihen. Der innere Anleihemarkt jedoch war tot. Seitdem 1923 die Inflation die deutschen Kriegsanleihen entwertet hatte, verlor der staatliche Borger daheim jeglichen Kredit. Das internationale, zumal das amerikanische Anleihegeschäft hingegen setzte nach der Währungsreform von Neuem auf der Deutschen Fleiß und Redlichkeit. Die USA, denen der Krieg fabelhafte Handelsgewinne eingetragen hatte, schwammen in anlagesuchendem Kapital. Es spekulierte und lieh sich hin für guten Zins. Deutschland zahlte einen Zinsaufschlag und konnte sich alsbald vor amerikanischen Kreditangeboten kaum retten. Die Kredite flossen in den sozialen Wohnungsbau, in die Krankenhäuser, Bibliotheken und Sportplätze, welche Weimar uns hinterlassen hat. Und sie flossen im Handumdrehen zurück a conto der deutschen Reparationsschuld.

Die Narretei von Regierungen

Diese war aufzubringen in den Währungen der Gläubigerländer. In Versailles hatte sich außer Keynes keiner um die Erschütterungen gesorgt, welche der Transfer von Devisengebirgen auslöst. Entweder konnten die Devisen auf den Märkten der Gläubigerstaaten durch deutschen Dumpingexport erlöst werden. Dagegen wehrten sich die dortigen Industrien; immer höher wuchsen die Zollmauern und immer weiter schrumpften die Einfuhrkontingente. Keynes vermochte die Narretei von Regierungen schier nicht fassen, die einerseits dem Reich bis zu zwei Milliarden Devisen jährlich abverlangten, andererseits aber ihre Märkte verbarrikadierten, wo sie allein zu verdienen waren. Oder aber die Deutschen hätten ihre Mark auf dem Devisenmarkt gegen Valuta eingetauscht, allerdings nicht ohne ihre Währung durch das Überangebot erneut zu inflationieren. Eine deutsche Inflationsmark verdarb aber erst recht den Handel derer, die nach Deutschland importierten. Davon hing beispielsweise die britische Industrie auf Gedeih und Verderb ab.

Sechs Jahre nach Versailles hatte man endlich die Tücken des Devisentransfers begriffen und suchte nach passenden Auswegen. Sie bestanden aber letztlich nur darin, den Deutschen ungeheure Kreditgeschäfte anzudienen und davon die Tribute abzuzweigen. Wenn nur Weltwirtschaft- und -handel ununterbrochen expandierten, dann ließen sich diese Kredite irgendwann tilgen, umschulden, strecken, wie auch immer, Hauptsache später!

Zunächst den Briten, dann auch einem ernüchterten Flügel in Frankreich wurden die Reparationen suspekt. Die Wüsteneien der Westfront waren Ende der zwanziger Jahre beseitigt. 1921 hatte Außenminister Rathenau die Wiederherstellung durch deutsche Arbeit angeboten, doch davon hatte Frankreich selbst genug; es brauchte Devisen, um den USA die Kriegskredite rückzuzahlen. Nur wenn Amerika darauf verzichtete, konnten die Europäer Deutschland die Reparationen erlassen. Da Amerika 1917 als Kriegspartei der alliierten Sache spät aber enthusiastisch beigetreten war, hätte es seine Barvorschüsse bequem als Beitrag zum Sieg abschreiben können. Davon waren ohnehin nur amerikanische Rüstungsgüter eingekauft worden. Die Franzosen argumentierten mit gutem Recht, dass sie der Kampf ihr Blut, die Amerikaner schlimmstenfalls Dollar gekostet habe und selbst die seien ihnen zu schade.

Aus Sicht der USA verdankte ihr die Allianz die Errettung vor der drohenden Niederlage. Die amerikanischen Schlachtenverluste waren vergleichsweise gering, denn General Pershing hatte den physischen Kampfkontakt bis zum Sommer 1918 hinausgezögert. Doch standen seine zwei Millionen Rekruten wohlausgeruht und -genährt am Kampfplatz und veranlassten die erschöpften Deutschen, besser um Frieden nachzusuchen als sich denen auszusetzen. Das Heer lieferte seine Waffen ab und zog heim gegen schriftliche Zusage des Präsidenten Wilson auf einen Kompromissfrieden. Daraufhin war dieser Gedanke erledigt, und Amerikas Hauptkriegsziel erreicht. Erst 1919/1920 klärte sich das Rätsel, worin dies bestanden haben mag? Durchsetzung von freedom and democracy? Kaum.

Wilson hatte seine Neutralität 1917 verlassen, als die deutsche U-Boot-Offensive und der russische Zusammenbruch die Gefahr der britisch-französischen Niederlage zuspitzte. In dem Falle hätten die Verlierer gesalzene Reparationen an Deutschland zahlen und enorme amerikanische Kredite platzen lassen müssen. Stattdessen geschah das weit Gedeihlichere: Deutschland zahlte die Kriegszeche, so dass die Westeuropäer ihren Schuldverpflichtungen nachkamen. Warum sollte Washington sie nach erfolgreicher Intervention verloren geben? Der Kongress hielt nichts von dem Knebelfrieden, den Wilson in Versailles wider all seine Prinzipien mitausgehandelt hatte, auch nichts vom Völkerbund, der darüber wachte. Man ratifizierte nichts davon, hielt die Europäer für friedensunfähig und verlangte von ihnen lediglich das Geld zurück.

Werthaltiges Geld musste auf dem ausgelaugten, wundstarrenden Kontinent, von neuen Grenzen und Nationalismen zerstückt, zunächst erwirtschaftet werden. Der Krieg hatte den Beteiligten ein Netz gegenseitiger Zahlungsverpflichtungen hinterlassen, das sich höchst ungesund auf den wiederkehrenden Waren- und Geldverkehr legte. Weit verderblicher noch wühlten die Schulden die Seele auf, zumal in Deutschland. Hier gewöhnte man sich bald daran, alles Ungemach die Inflation, die Budgetlöcher, die Lohnhöhe, die Bankenzusammenbrüche, die Große Wirtschaftskrise den Reparationen anzulasten. Aus heutiger Sicht ist daran Richtiges wie Falsches, und die Wissenschaft hört nicht auf herumzurechnen, wie die Faktoren ineinander griffen. Für die Zeitgenossen sperrte die schwindelnde Tributhöhe sie in eine Zwangsjacke. Sie spürten ihre Atembeschwerden und brauchten nicht lange darüber zu rätseln. Der Züchtigungscharakter offenbarte sich allenthalben.

Frankreich und Belgien ergriffen 1923 wegen einer Zahlungssäumnis die Gelegenheit zur Militärbesetzung des industriellen Herzens Deutschlands, des Ruhrgebietes. Ein Recht, das von England, den USA und selbstverständlich der Reichsregierung rundum bestritten wurde. Das Ruhrgebiet antwortete mit einem über sechsmonatigen Generalstreik, den das Reich aus der Notenpresse finanzierte. Das hat den Totalruin der Mark ausgelöst, welcher der bürgerlichen Kardinaltugend, der Sparsamkeit, ihr bescheiden Erspartes raubte. Die Währung ist vernichtet worden um des Ruhrkampfs willen, ferner um die vom Kriege aufgeblähte Staatsschuld zu löschen und nicht zuletzt, um das Reparationswesen zu boykottieren. Wie diese Ziele sich mischten, das bleibt auf ewig unbestimmt; den Damaligen erschien es kristallklar. Ähnliches gilt für die Große Wirtschaftskrise. Sie wütete in Deutschland schlimmer als anderswo. Auch daran wirkten auf gewisse Weise die Reparationen mit. Der Devisentransfer verschärfte die Neuverschuldung der Republik, die 1931 nach eigentlich kurierbaren Bankenzusammenkrächen in den Ruch der Zahlungsunfähigkeit geriet. Daraus folgte eine epidemische Kreditkündigung, die der Binnenwirtschaft den Kapitalhahn zudrehte. Die Reichsregierung wiederum wähnte in ihrer unbestreitbaren Finanznot einen Katapult zu besitzen, die Tributlast abzuwerfen. Nun saßen nämlich die Gläubiger in der Kreditfalle.

Die NSDAP profitierte

Die Deutschen verhängten in der allgemeinen Kapitalflucht ein Zahlungsmoratorium und stellten namentlich die USA vor eine hässliche Wahl. Entweder sie strichen als Gläubiger letzter Hand die Altschuld der Reparationen, oder es wurden die deutschen Neuschulden nicht bedient. Eine Logik, die Präsident Hoover zutiefst beeindruckte. Reichskanzler Heinrich Brüning, der Stratege dieses Manövers, musste dazu allerdings glaubhaft als "der Hungerkanzler" erscheinen, als welchen ihn Nazis und Kommunisten schmähten. Er durfte keine Haushaltsmittel schöpfen zur staatlichen Arbeitsbeschaffung. Denn damit hätte er ebenso gut Reparationen leisten können. Schließlich waren auch Amerikaner und Franzosen arbeitslos! So verschärfte die republikanische Politik mit vollem Risiko die Krise, doch Brünings Rechnung ging auf. Nur die Republik ging unter.

Im Sommer 1932 bereiteten die Gläubiger dem schrillen Spuk der Reparationen zwar ein Ende, doch waren nun die Gespenster erst recht losgelassen. Der NSDAP fiel die Ernte in den Schoß. Sie profitierte von der Krise, die alle Geborgenheit im Parlamentarismus ausradierte. Sie profitierte ferner von dem Zurückweichen der Gegner. Den Mächten von Versailles war frühzeitig aufgefallen, dass die Deutschen keinerlei Dankbarkeit zeigten für die Lockerung des Knebelvertrags. Die Aufnahme in den Völkerbund 1926, die vorzeitige Rheinlandräumung 1930, die Befreiung vom Reparationsjoch 1932 quittierten sie mit hämischer Genugtuung. Alle Daumenschrauben wurden an ihnen zu Schanden, und die Feinde schnitten sich damit nur ins eigene Fleisch. Das hatte man ihnen schon 1919 verheissen. Insoweit knüpfte die Diktatur glatt an das Werk der Demokraten an. Sie fuhr fort, die hohle Kontinentalordnung von Versailles zu demontieren, gewiss auf rabiatere Weise, fand aber desto größeres Entgegenkommen. Nach den Reparationen kippten die Entwaffnungsbestimmungen, dann folgten die territorialen Beschlüsse: Erst das Vereinigungsverbot mit Österreich, dann der ungefragte Verschub der Sudetendeutschen in die Tschechoslowakei. An der verhasstesten Regelung schließlich, der Zerteilung Preußens durch den polnischen Korridor zur Ostsee entzündete sich der Zweite Weltkrieg, die Revanchepartie.

Als sie verloren ging, wurde keine endgültige Reparationssumme festgelegt. Immerhin kamen Leistungen im Werte von über 50 Milliarden Dollar zusammen (Zeitwert 1949) und zwar zu etwa gleichen Teilen aus West- und Ostdeutschland. Dies führte allerdings im Osten zum Zwanzigfachen der Pro-Kopf-Belastung des Westens. Im Unterschied zur Versailler Regelung wurde der Großteil dieser Reparationen durch Demontagen und Entnahmen aus laufender Produktion getilgt und erfolgte auch darum geräuschloser. Vollkommen lautlos sind 1953 die Reparationszahlungen gemäß Versailler Vertrag wieder aufgenommen worden. Dies verhält sich wie folgt:

Soweit die Tilgung der Weltkrieg I.-Schulden durch Dollar- und andere Devisenanleihen erfolgte, war die Kreditrückzahlung durch den 1932er Reparationsverzicht nicht berührt. Die bisherigen Bar-Reparationen waren ja nur scheinbar beglichen, nämlich mit geliehenem Geld. Reparationsschulden waren umgewandelt in Kreditschulden und warteten erst auf den wirklichen Zahlmeister. Der Erste war Adolf Hitler. Er zahlte sparsamst und gab die restlichen Verbindlichkeiten an die Galerie der deutschen Kanzler weiter, deren jeder abgetragen hat bis zum gegenwärtigen, der ein Päckchen dem Nächsten hinterlassen wird und der dem Übernächsten.

Wenig bekannt, wenn auch nicht weiter verwunderlich ist, dass Hitler die Schuldtitel des Deutschen Reiches zu verzinsen und zu tilgen hatte. Dies geschah, zumal im Kriege, ungleich, je nach dem, in welcher Hand die Anleihescheine gelandet waren, bei Freund oder Feind. Engländer etwa wurden 1944 nicht mehr bedient, Schweden und Schweizer sehr wohl, Juden von vornherein nicht. Den Judenboykott hat übrigens die ganze banking-community mitgetragen. An keinem Bankschalter der Welt konnte ein Jude einen Coupon auf Reichsanleihen einlösen.

Staatspapiere wie die der großen, im Zusammenhang mit Reparationsplänen begebenen "Dawes"- und "Young-Anleihen" sind Handelsartikel, fluktuieren im Kurs und laden zur Spekulation ein. Die umgerechnet mit rund 1,2 Milliarden Mark aufgelegte Young-Anleihe von 1930 sank alsbald auf Kurse bis zu 30 Prozent des Nennwertes. Der gesamte Anleihebetrag war durch die letzten Reparationsleistungen 1930/1931 bereits aufgezehrt, und die Couponbesitzer grübelten, wie Hitler ihren Ansprüchen genügen würde. Das drückte den Kurs und veranlasste das Dritte Reich, eine Menge der gefallenen Papiere am internationalen Anleihemarkt selber aufzukaufen. Dies ersparte die Differenz zum Nennwert. Tilgen wollte und musste man, denn der Staat braucht Kredit, gleich ob er autoritär oder demokratisch verfasst ist.

Die rückgekauften Papiere wurden zu einem Teil in der jährlichen Tilgungssumme verrechnet ihr Wert war erloschen, jedoch aufbewahrt. Der andere Teil war noch scharf, das heißt, er trug theoretisch Zins. Nach dem Zusammenbruch raubten die Russen beide Sorten und warfen sie auf den Markt. So wurde auch nach 1945 mit Dawes- und Young-Papieren, erloschenen wie scharfen, gehandelt. Die Käufer spekulierten auf die Auferstehung eines deutschen Staates, der für die Schulden seines Vor- und Vorvorgängers eintrat. Damit lagen sie richtig.

1953 schloss die Bundesrepublik mit den Staaten der westlichen Gläubiger ein Abkommen, wie die öffentlichen Schuldtitel des Deutschen Reiches bis 1939 zu bedienen seien. Darunter auch die reparationsrelevanten Anleihen. Es war viel zu tun. Zunächst eine Wertpapierbereinigung scharfer und erloschener Papiere. Dann war eine Menge unbezahlter Zinsen aufgelaufen. In einer Umtauschaktion wurde je ein Papier gegen drei gewechselt: zur Bestätigung der Hauptschuld die Konversionsschuldverschreibung, als Anrecht auf die leicht reduzierte Zinssumme die Fundierungsschuldverschreibung und dann noch ein Bezugsschein, mit dem es eine besondere Bewandnis hatte.

Die Schattenquote

Der Bezugsschein gewährleistete die Zahlung der 1945-1953 angefallenen Zinsen, genannt die Schattenquote. Die Schattenquote stand im Schatten der deutschen Teilung, denn sie wurde erst für fällig erklärt im Falle einer Wiedervereinigung. Damit war der Bundesrepublik vorerst ein gewisser Rabatt dafür eingeräumt, dass sie auf dem Boden des früheren Reiches nur einen Teilstaat bildete. Sie zahlte an Reiches Statt von 1953-1980 siebeneinhalb Milliarden Mark, zuzüglich Zinsen über das Doppelte.

1990 trat unverhofft die Schattenqoute ans Licht der Welt. Bezugsscheine von über 240 Millionen Mark, rund drei Viertel davon aus reparationsbezogenen Anleihen, wurden akut scharf. Umgewandelt in dreiprozentige Fundierungsschuldverschreibungen lösen sie noch zwanzig Jahre lang die letzten Tribute ein. Angesichts von so viel bösem Blut, das daran klebt, wollen wir sie in Andacht zahlen. Man sollte die Quittungen an die Kuppel des Reichstags heften als Beleg unserer Umkehr.

Wer die Bundesschuldenverwaltung am Platz der Luftbrücke in Berlin betritt, kann sagen, dass hier der Hort der Geschichte liegt. Darin stapelt sich von allem das Bleibende: Besitztitel, Zinsscheine, Fälligkeiten. Hier stehen die Kolonnen der historischen Langläufer mit dem unverlierbaren Atem, die deutschen Staatspapiere. Manche starteten als düstere Legenden, die Dawes- und Young-Anleihe von 1924/1930, daran kleben die Qualen verlorenen Krieges und verlorener Repbulik und was längst mumifiziert geglaubt, schleppt sich noch lautlos fort, wirft mageren Zins, und der ungläubige Besucher steigt Treppen in den Keller hinab zu den "effektiven Stücken". Als sei das geschichtliche Unheil, von dem diese Papiere durchtränkt, noch explosiv, werden sie gebunkert in dem "Tresor". Doch so gespenstig die Korridore so heimelig ist die Endlagerstätte, wo es ausschaut wie in einer Rumpelkammer. In friedlichen Pappendeckeln versenkt, von lockerer Kordel umschlossen liegen hier "entschärfte" Bonds, die einst die deutsche "Schuldensklaverei" verkörperten.

Denn die Erlöse dieser Schuldverschreibungen hier in Stücken zu 500.000 Dollar (umgerechnet 2 Millionen Mark) tilgten die Kosten des Ersten Weltkriegs, das heißt die Kosten der siegreichen Gegner.

Die Käufer der Anleihen haben sie weiterverkauft, die Weiterverkäufer sie vererbt, die Erben sind verblichen, die Scheine aber müssen noch umherirren bis 2020. Wer sie präsentiert, wird ordentlich bedient.

Das ist das ganze Geheimnis, doch es gibt noch andere. Unergründliches bergen diese Plastiksäcke; da mögen Rechnungen sein, die macht die Bundesschuldenverwaltung mit dem Himmel allein.
 

Quellen:
Bilder und Grafik: MS Encarta Enzyklopädie plus 2000, 1999,
Stichworte: "Versailler Vertrag" und
"Nationalsozialismus";
Handzettel: LeMO: Lebendiges virtuelles Museum Online,
(
www.dh-museum.com/lemo/html/weimar/aussenpolitik/reparationen/index.html), 2003;
Text: Textarchiv Berliner Zeitung, 09.10.1999, Autor: Jörg Friedrich,

(
www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1999/1009/magazin/0001/index.html), 2003

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weitere Informationen:
Herr v. Puttkamer gedenkt zu verreisen
Oder: Warum die Republik von Weimar keine Chance hatte

 


 

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