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Friedensdiktat von Trianon Vor 100 Jahren erhielt Ungarn seinen Pariser Vorortvertrag – Das ungarische Pendant zu Versailles nahm den Magyaren zwei Drittel ihres Territoriums und machte über drei Millionen von ihnen zur Minderheit im Ausland. Nach dem Austritt aus der habsburgischen Doppelmonarchie am 31. Oktober 1918 musste das nun nach langer Zeit erstmals wieder völlig unabhängige Ungarn feststellen, dass es von den Siegermächten des Ersten Weltkrieges nicht etwa als Opfer einer von den deutschen Habsburgern ausgeübten Fremdherrschaft, sondern als Feindmacht betrachtet wurde. Und so wurde Ungarn nicht schonender behandelt als etwa das Deutsche Reich, Bulgarien oder das Osmanische Reich. Die heutige Slowakei und die Karpato-Ukraine gingen an die neugegründete Tschechoslowakische Republik sowie das Burgenland an die Republik Österreich. „Blatt Papier als Grabtuch“ Darüber hinaus erhielt das nunmehrige Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen Kroatien, Slawonien, Prekmurje, die Regionen Batschka und Süd-Baranya sowie Teile des Banats. Siebenbürgen mit dem Rest des Banats und Partium wurden Rumänien zugeschlagen. Außerdem kamen noch 14 Dörfer im Norden zu Polen, und die Stadt St. Veit am Flaum (Fiume beziehungsweise Rijeka) wurde samt Hinterland zu einem unabhängigen Freistaat. Während der Pariser Verhandlungen legten die Rumänen und Serben zahlreiche manipulierte Statistiken über die ethnischen Verhältnisse in den oben genannten Regionen vor. So gestand der britische Premierminister David Lloyd George später ein: „Wir haben aufgrund von Fälschungen entschieden.“ Dieser Fehler resultierte nicht zuletzt daraus, dass man die ungarische Delegation in Paris um Albert Graf Apponyi von Nagy-Apponyi, István Graf Bethlen von Bethlen und Pál Graf Teleki praktisch nicht zu Wort kommen ließ. Dazu schrieb Apponyi: „Ungeheuer schwere Tage haben wir erlebt, von jedem Kontakt, von jeder Möglichkeit der Anführung unserer Argumente … waren wir sorgfältig und mit dem undurchbrechlichen Kordon abgesperrt.“ Letztlich blieb den Vertretern Ungarns nichts anderes übrig, als die Gebietsabtrennungen unter heftigem Protest zu akzeptieren. Ungarn verlor durch das Diktat über 232.000 Quadratkilometer mit rund 12.500 Ortschaften. Das waren mehr als zwei Drittel des Territoriums des historischen Königreichs Ungarn – das Deutsche Reich hatte durch das Versailler Diktat deutlich weniger Einbußen erlitten. Kriegsschuldartikel Der Diktatfrieden zwischen Ungarn und den Siegermächten sowie Polen, Rumänien, dem serbisch-kroatisch-slowenischen Königreich und der Tschechoslowakei wurde am Nachmittag des 4. Juni 1920 in einem Lustschloss im Park des Schlosses von Versailles namens Grand Trianon unterzeichnet – die Unterschrift für die ungarische Seite leisteten der Minister für Volkswohlfahrt, Ágost Benárd, und der Botschafter Alfréd Drasche-Lázár. Außer den Gebietsabtrennungen kamen auf Ungarn noch Reparationen zu, deren Höhe 1921 festgelegt wurde und die bis 1951 gezahlt werden sollten. Darüber hinaus musste das Königreich seine Streitkräfte auf 35.000 Mann reduzieren und durfte keine schwere Artillerie, Panzer, Flugzeuge sowie Kriegsschiffe auf der Donau mehr besitzen. Analog zum Diktat von Versailles für die Deutschen erhielt auch jenes von Trianon für die Ungarn eine erzwungene Kriegsschuldanerkenntnis des Verlierers. Infolge des Friedensdiktats von Trianon gelangten mehr als drei Millionen Magyaren unter fremde Herrschaft: 1.072.000 in der Tschechoslowakei, 571.000 im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen sowie 1.664.000 in Rumänien. Volksabstimmungen über die künftige politische Zugehörigkeit der Regionen, in denen diese lebten, waren von den Alliierten in Paris abgelehnt worden. Mit den abgetretenen 232.000 Quadratkilometern verlor das Königreich zwei Drittel seines Ackerlandes und Viehbestandes, vier Fünftel der Eisen- und Kohlegruben, sämtliche Salz- und Kupferlagerstätten, die meisten Eisenbahnlinien samt rollendem Material sowie den einzigen Seehafen in St. Veit an der Adria. Daraus resultierte ein beispielloser wirtschaftlicher Zusammenbruch, der zur Hyperinflation der Jahre von 1921 bis 1926 führte. Das Diktat von Trianon löste in Ungarn erbitterte Proteste aus: „Nem! Nem! Soha!“, „Nein! Nein! Niemals!“, hieß es landauf landab, und das „Pester Tageblatt“ schrieb: „Die Herren der Welt glauben, dass sie ihr Werk beendet haben, nachdem sie uns geplündert, ausgeraubt, ausgeblutet und verstümmelt hatten, müssen sie uns noch mit einem Blatt Papier als Grabtuch bedecken. Unser Schicksal hat sich jedoch noch nicht erfüllt.“ Denn die Ungarn würden „mit anständigem Fleiß, hartnäckiger Ausdauer, heiligem Willen und heiliger Arbeit“ alles Verlorene zurückerlangen. Und tatsächlich führten die beiden Wiener Schiedssprüche vom 2. November 1938 und 30. August 1940 insofern zu einer Revision des aufgezwungenen Pariser Vorortvertrages von 1920, als Ungarn zumindest jene Teile der Slowakei und Siebenbürgens zurückerhielt, in denen der Anteil der Magyaren besonders hoch lag. Allerdings kam es dann nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Revision der Revision beziehungsweise Annullierung der Schiedssprüche Deutschlands und Italiens während der Pariser Friedenskonferenz von 1946, weil Ungarn als ehemaliger Verbündeter des Dritten Reiches erneut auf der Seite der Verlierer stand. Seit der Unterzeichnung der entsprechenden Verträge am 10. Februar 1947 herrscht in den durch das Diktat von Trianon abgetrennten Gebieten wieder jener völkerrechtliche Zustand, der am 4. Juni 1920 herbeigeführt worden war. Viktor Orbán plant Denkmal Die Trauer über den Raub von zwei Dritteln des Territoriums ist in Ungarn
bis zum heutigen Tage wach geblieben. So beschloss die Nationalversammlung
in Budapest am 31. Mai 2010, dass der 4. Juni künftig als „Tag der
nationalen Zusammengehörigkeit“ zu begehen sei. Außerdem gab die Regierung
von Viktor Orbán kürzlich ein Denkmal in Auftrag, das zum 100. Jahrestag des
Vertrages von Trianon eingeweiht werden und die Namen aller 1920 verlorenen
ungarischen Ortschaften tragen soll.
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