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Moralisch versagt
Vielen
Opfern von Krieg und Gewalt wurden Denkmäler gesetzt. Den Hunderttausenden
Berliner Frauen, die 1945 vergewaltigt und oft danach ermordet wurden, blieb
dies verwehrt. Das will die CDU ändern – und trifft auf den wütenden Widerstand
von SPD, Grünen, Linkspartei und FDP. Viele Frauen, so die Berliner Union weiter, seien „nach den Schandtaten ermordet“ worden oder hätten sich das Leben genommen, „weil sie mit der Schande nicht leben konnten“. Daher gebe es wenig konkretes Zahlenmaterial. Tatsächlich existiert die Aufzeichnung einer Anonyma, die jene schreck-lichen Details des April und Mai 1945 für die Nachwelt festgehalten hatte. Sie wurden in verniedlichender Form mit Nina Hoss in der Hauptrolle verfilmt. Das Thema hat sich selbst in Europa mit Ende des Zweiten Weltkriegs keineswegs erledigt, wie die systematischen Übergriffe der serbischen Soldateska auf bosnische Frauen gezeigt haben. SPD, Linke und Grüne lehnten den Antrag indes einhellig und mit Entschiedenheit ab. Sogar die Liberalen stellten sich gegen einen Ort des Gedenkens an die vergewaltigten Frauen. Klaus-Peter von Lüdeke (FDP) behauptete, Vergewaltigung gehöre zum Krieg und sei nicht auf eine „spezielle Soldateska“ beschränkt. Deswegen müsse das Prinzip der Vergewaltigung geächtet werden, aber nicht „eine bestimmte Vergewaltigung zu einer bestimmten Zeit“. Dem steht die Erkenntnis von Historikern entgegen, dass Massenvergewaltigung keineswegs zu den gewöhnlichen Usancen jeglicher Kriege gehört und auch im Zweiten Weltkrieg im Wesentlichen nur von der Roten Armee und den französischen Kolonialinfanteristen praktiziert wurde. Die Linkspartei unternahm einen ideologischen Klimmzug, um sich gegen das Ansinnen Michael Brauns zu stellen. Ihr Vertreter, Wolfgang Brauer, meinte, Krieg sei immer mit Gewalt gegen Frauen verbunden. Deshalb würde „ein deutscher Ausstieg aus allen Kriegshandlungen dem Vermächtnis dieser Frauen und Mädchen mehr entsprechen“ als alle „hilflos peinlichen Denkmalsetzungen 65 Jahre zu spät“. So wurde in beeindruckender Weise eine Brücke von den vergewaltigten Berliner Frauen des Jahres 1945 zu den Taliban der Jetztzeit in Afghanistan geschlagen. Alice Ströver von Bündnis 90/Die Grünen warf dem CDU-Abgeordneten Braun sogar vor, dass er den Frauen die Schande zuschreibe, indem er ihrer öffentlich gedenken will. Diese liege jedoch auf Seiten der männlichen Vergewaltiger. „Manchmal kommt es auf die Wortwahl an.“ Zudem sei ein Denkmal nicht das geeignete Mittel, um einer breiteren Öffentlichkeit dieses Tabuthema zugänglich zu machen. Brigitte Lange von der SPD hielt Braun „reflexhaften Antikommunismus“ und eine reduzierte Wahrnehmung der Geschichte vor. Lange sprach sich gegen eine Zementierung der Opferrolle der Frauen aus. Sie nannte den Antrag „empörend unbedarft“ und setzte sich damit dem Vorwurf eines umgekehrten Rassismus aus, der Deutsche stets die „Täterrolle“ zuweise und Opfer nur bei anderen Völkern kenne. Michael Braun setzte sich zur Wehr und stellte sich gegen die Behauptung, dass jeder militärische Einsatz von vornherein verbrecherisch und barbarisch sei. Das entbehre jeder Grundlage. Ein solches Denkmal ist laut Braun überfällig: „Wir sind nicht nur von Frauen angesprochen worden, sondern auch von Organisationen, die helfen.“ Selbst als hochbetagte Pflegefälle litten die Frauen – etwa, wenn sie gewaschen würden. Die Frauen haben es oft als Schande empfunden“ und deshalb geschwiegen. Inzwischen interessieren sich laut Braun auch CDU-Bundestagsabgeordnete für das Thema, mit dem sich nun der Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses befassen soll. Schon 2003 war Braun auf die vom rot-roten Senat betriebene Geschichtspolitik aufmerksam geworden. 1992 war dem ersten sowjetischen Stadtkommandanten General Bersarin die Ehrenbürgerschaft (eine Hinterlassenschaft der DDR) entzogen worden, was der rot-rote Senat 2003 rückgängig machte. Als Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) dann auch noch eine Bersarin-Ausstellung in das Parlament holen wollte, machte Braun seinen Stadtpunkt deutlich: „Das ist der erneute Versuch der Berliner SPD, wegen der Beteiligung der PDS am Senat die Geschichte umzuschreiben. Damit wird wieder einmal versucht, Bersarin ... zu idealisieren, sowie mit dem ehemaligen amerikanischen Militärgouverneur in Deutschland, General Lucius D. Clay, gleichzusetzen. Clay hat mit der amerikanischen Schutzmacht die Freiheit Berlins erkämpft und durchgesetzt, während unter Bersarins Oberbefehl ... durch die sowjetischen Unterdrücker Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen und Tausende von Frauen vergewaltigt wurden. Beide Personen auf eine Stufe zu stellen, verbietet sich deshalb aus geschichtlichen Gründen von selbst.“ Dazu der Kommentar in der PAZ Wut und Fassungslosigkeit durchdringen einen bei dieser Nachricht: Mit schroffer Zurückweisung haben SPD und Linkspartei, Grüne und FDP im Berliner Abgeordnetenhaus den Antrag der CDU-Fraktion abgeschmettert, den Huntertausenden 1945 vergewaltigten Berliner Frauen endlich ein Denkmal zu setzen. Die Frauen stehen wie nur wenige andere Opfergruppen für die düsterste Zeit in der Geschichte Berlins, die mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann und erst mit dem Mauerfall endete. Die Gründe, ihnen ein Denkmal zu verweigern, schwanken zwischen zynischen Spitzfindigkeiten und himmelschreiender Geschichtsblindheit, zwischen ideologischer Verblendung und schlichter Verachtung der eigenen Nation, die für manche nie Opfer, sondern stets nur Täter sein darf und daher keines Gedenkens würdig sein dürfe. Atemberaubend ist es mit anzusehen, wie gerade jenes politische Spektrum, dass eine Vorreiterrolle beim Thema Frauenrechte beansprucht, in dieser konkreten Frage moralisch versagt. Beschämend, wie die Grünen sogar versuchen, den Spieß gegen die CDU umzudrehen. Erhellend hingegen der Vorwurf der SPD an die Denkmal-Befürworter: „Antikommunismus“ treibe sie. Da haben wir es: Die Täter passen nicht ins Täterschema, weil sie als Rotarmisten, also als Soldaten eines linken Regimes nach Berlin kamen. Es ist die gleiche Propagandmaschine, auf der die Vertriebenen von Ulbricht zu „Revanchisten“ gestempelt wurden, weil die Vertreiber die eigenen Genossen waren.
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