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Erika Steinbach verzichtet auf Sitz im Stiftungsrat BERLIN. Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) hat auf ihren Sitz im Beirat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung" verzichtet. Im Gegenzug erhält der BdV sechs statt bisher drei Sitze in dem Gremium. Außerdem sollen dessen Mitglieder künftig vom Bundestag und nicht mehr von der Bundesregierung berufen werden. Am Donnerstag hatten sich Union und FDP mit der Spitze des Bundes der Vertriebenen im Reichstag getroffen, um eine Lösung im Streit um die Besetzung zu finden. Zu den Zugeständnissen an den BdV gehört außerdem die Vergrößerung der Ausstellungsfläche im Berliner Deutschlandhaus von 2.200 Quadratmeter auf 3.000 Quadratmeter. Außerdem soll das Lastenausgleichsarchiv in Bayreuth, in dem unter anderem zahlreiche Erlebnisberichte archiviert sind, digitalisiert und in die Ausstellung integriert werden. Überzeugungsarbeit an der Basis Steinbach wertete den Kompromiß als Erfolg für das geplante Vertriebenenzentrum. Nun sei es nicht mehr nötig, daß sie der BdV für einen Sitz im Stiftungsrat nominiert, sagte sie in Berlin. Mit Blick auf den monatelangen Streit um ihre Person sprach sie von einer für einen Opferverband unsäglichen Debatte. Die BdV-Präsidentin räumte ein, es könne schwierig werden, die Basis ihres Verbandes davon zu überzeugen, daß ihr Verzicht auf einen Sitz im Stiftungsrat mit Blick auf die Verhandlungsergebnisse sinnvoll sei. Zuvor hatte sich Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) mit Verweis auf eine mögliche Belastung der Beziehungen zu Polen dagegen ausgesprochen, daß BdV-Präsidentin Erika Steinbach einen Sitz in dem Gremium wahrnimmt. Steinbach hatte sich zuletzt bereit erklärt, auf einen Sitz zu verzichten, wenn im Gegenzug dafür der BdV mehr Vertreter in den Beirat entsenden könne und der Bundesregierung das Vetorecht bei dessen Berufung entzogen werde. Diese Bedingung sei „nicht verhandelbar“, sagte Steinbach der Rheinischen Post. Pawelka kritisiert Verzicht Kritik an dem Kompromiß kam aus den eigenen Reihen vom Vorsitzenden der Landsmannschaft Schlesien, Rudi Pawelka. „Nach wie vor wird bei der Vertriebenenstiftung die Richtung von der Politik bestimmt“, sagte Pawelka gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, da nütze auch die Aufstockung der BdV-Vertreter auf sechs Mitglieder im Beirat nichts. Dies gelte gerade mit Blick auf den Verbleib der Stiftung unter dem Dach des Deutschen Historischen Museums. Welche Auswirkungen dies haben könne, sei an der Ausstellung „Deutsche und Polen“ abzulesen, die von „polnischen Geschichtsklitterungen“ bestimmt gewesen sei, kritisierte der Vorsitzende der schlesischen Landsmannschaft. Daß die Mitglieder nun nicht mehr von der Bundesregierung sondern vom Bundestag berufen werden, ist nach Pawelkas Ansicht keine Verbesserung, es sei denn die Mehrheit der FDP-Fraktion stelle sich gegen den Kurs Westerwelles.
Kommentar: Erfolg und Mißerfolg liegen mitunter eng beieinander. So ist es auch beim Kompromiß im Streit um Erika Steinbach. Ohne Frage ist der durch (außen)politischen Duck erzwungene Verzicht Steinbachs auf einen Sitz im Stiftungsrat der Vertriebenenstiftung für die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) eine persönliche Niederlage. Denn ohne Steinbach würde es die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ nicht geben. Gleichzeitig ist nicht von der Hand zu weisen, daß der Einfluß des BdV auf die Stiftung durch den Kompromiß gestärkt worden ist. So darf der Verband künftig deutlich mehr Mitglieder in den aufgestockten Stiftungsrat entsenden. Zudem wird die Ausstellungsfläche, mit der im Berliner Deutschlandhaus an das Leid der Vertriebenen erinnert werden soll, um knapp ein Drittel vergrößert. Das alleine muß schon als ein Erfolg gewertet werden. Die wichtigste Änderung betrifft allerdings das Berufungsverfahren für die Mitglieder des Stiftungsrates. Künftig entscheidet nicht mehr das Bundeskabinett, sondern der Bundestag. Dadurch wird ein zweiter „Fall Steinbach“ äußerst unwahrscheinlich. Denn das Vetorecht der Bundesregierung, das von der SPD installiert worden war, um auf Wunsch der „polnischen Freunde“ Steinbach zu verhindern, ist damit vom Tisch. Was wäre die Alternative gewesen? Die Erfahrung zeigt, daß es im Parlament in vergleichbaren Streitfällen wesentlich leichter ist, einen umstrittenen Kandidaten auch gegen Widerstände durchzubringen. Hier hätte Steinbach eine Chance gehabt – und sei es auch im zweiten Wahlgang. Wer die Ergebnisse des Kompromisses dennoch kritisiert, muß die Frage nach der Alternative beantworten. Hätte Steinbach auf ihren Sitz bestanden, wäre dem BdV vermutlich nur die Möglichkeit geblieben, gegen die angekündigte Ablehnung seiner Präsidentin durch die FDP zu klagen. Es ist sogar nicht ausgeschlossen, daß der BdV vor Gericht einen Erfolg erzielt hätte. Doch dieser wäre nur ein symbolischer gewesen. Für die dringend notwendige Institutionalisierung der Erinnerung an die Verbrechen der Vertreibung wäre damit nicht viel gewonnen gewesen. Für den Augenblick ist
Steinbachs Verzicht für die Vertriebenen daher zwar äußerst schmerzlich.
Langfristig könnte sich der Kompromiß aber als ein bleibender Erfolg auf dem Weg
hin zur Verwirklichung des Ziels der Vertriebenenstiftung erweisen: die
Erinnerung an die Vertreibung von Millionen von Deutschen dauerhaft und
würdevoll in einer angemessenen Form zu bewahren.
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